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Ruth Wolf-Rehfeldt (1932-2024) schickte in den 1980er Jahren Mailart aus der DDR in die ganze Welt.

© Lutz Wohlrab

Nichts Neues? Ach was, nie alt: Zum Tod von Ruth Wolf-Rehfeldt

Die Ostberliner Künstlerin war in der DDR eine der wenigen Frauen der Mailart-Szene. 1990 hörte sie auf mit der Kunst - und feierte mit über 80 den späten Triumph der Wiederentdeckung.

Der große, internationale Ruhm ereilte Ruth Wolf-Rehfeldt erst, als sie über 80 war. 2016 waren ihre Arbeiten bei der Art Basel zu sehen, 2017 auch auf der Documenta 14. Dann in Kopenhagen, Genf, Oslo, Tirana. Das Erstaunliche an diesem späten Triumph der Berliner Künstlerin: Als die Museumswelt Ruth Wolf-Rehfeldt entdeckt, hat sie seit 25 Jahren keine neuen Arbeiten mehr geschaffen.

Ruth Wolf-Rehfeldt beendete ihre künstlerische Tätigkeit, als es mit dem Land zu Ende gegangen war, in dem sie lebte: die DDR. Geboren wurde sie 1932 im sächsischen Wurzen. 1950 zog sie nach Berlin, machte an der Arbeiter- und Bauern-Fakultät das Abitur nach, studierte dann ein Jahr lang Philosophie. 1954 lernte sie ihren späteren Mann kennen, den Künstler Robert Rehfeldt (1931-1993), der einer der prägenden Künstler der Mailart-Szene der DDR werden sollte.

Bevor Ruth Wolf-Rehfeldt in den 1970er Jahren die Kunst für sich entdeckte, arbeitete sie in der Ausstellungsabteilung der Akademie der Künste, malte und zeichnete nebenher. Wichtigstes künstlerisches Werkzeug wurde das Arbeitsmittel, mit dem sie viele Jahre lang im Büroalltag gearbeitet hatte: die Schreibmaschine, Marke „Erika“. In den 1980ern gehörte sie als eine der wenigen Frauen zu der internationalen Mailart-Szene, schickte Postkarten nach Westeuropa, in den Ostblock, nach Nord- und Lateinamerika, nach Asien und Neukaledonien.

Zart und messerscharf

Mit ihren Schreibmaschinengrafiken, den Typewritings, entwickelte sie einen ganz eigenen, so zarten wie messerscharfen Blick auf die Welt. Nutzte Sprache, um Sprache zu hinterfragen, ohne je geschwätzig zu sein. Tastete Buchstaben und Satzzeichen so akribisch wie spielerisch auf ihre Bedeutung hin ab, und entdeckte dabei Zweifel, Kichern, Verzweiflung. Wie radikal modern diese Kunst auch heute wirkt, ließ sich 2017 im Museum Barberini entdecken, wo Wolf-Rehfeldts Kunst neben Hermann Glöckner und Karl-Heinz Adler als „Künstler in der DDR“ hing, und doch alles sprengte, was oft mit dem Etikett „DDR-Kunst“ verbunden wird.

In Potsdam war auch ihre letzte große Ausstellung zu sehen. „Nichts Neues“ hieß die Retrospektive. Eine Zustandsbeschreibung. 1990 hatte Ruth Wolf-Rehfeldt aufgehört mit „neuer“ Kunst, und doch zeigt die Ausstellung 2023: Ihre Kunst war nie alt geworden. Sie traf ins Zentrum vieler aktueller Themen. Das Ringen um Frieden im Krieg, um Richtig und Falsch, um die Natur und deren Schutz. An der Potsdamer Schau hatte die damals 90-Jährige noch intensiv selbst mitgewirkt. Am 26. Februar ist sie kurz nach ihrem 92. Geburtstag in Berlin-Buch verstorben.

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