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Kurz nach der Eröffnung des Minsk Kunsthauses zieht das Rechenzentrum mit seiner Ausstellung „Gastmoderne - Geschichts- und Kunstausstellung zum „Minsk“ und „Potsdam“ nach.

© Ottmar Winter

Potsdams „Minsk“, Minsks „Potsdam“: Zwei Partnerrestaurants im Wandel der Zeit

Das Rechenzentrum beleuchtet das Terrassenrestaurant und seine Partnergaststätte in Belarus - beide waren politisch gewollte Prestigeobjekte.

Wer in Potsdam gerade vom „Minsk“ spricht, meint ein wiederauferstandenes Gebäude am Brauhausberg. Einen Ort, wo DDR-Kunst ihren Auftritt haben soll. Eine Erfolgsgeschichte, als deren Schlüsselfigur Hasso Plattner gilt, der Mann mit dem Geld und dem Faible für Wolfgang Mattheuer.

Wie alle Geschichten lässt sich jedoch auch die des „Minsk“ aus mehreren Perspektiven erzählen. Einen solchen Perspektivwechsel hat sich das Rechenzentrum mit der Ausstellung „Gastmoderne“ vorgenommen. Hier soll es um die Genese des heutigen Ortes gehen. Dafür nimmt die Schau die Anfänge des „Minsk“ in den Blick und sein Beinahe-Ende während der 2000er Jahre. Und nach einem weiten Bogen, der bis in die 1960er Jahre zurückführt, landet man wieder im Heute. In Potsdam, aber auch 1000 Kilometer östlich.

Ihren Ausgangspunkt hat die Ausstellung in Minsk: In der belarussischen Hauptstadt wurde sie im Oktober 2020 zum ersten Mal gezeigt. „Der Impuls dahinter war, die Menschen für den Umgang mit der Nachkriegsmoderne in Belarus zu sensibilisieren“, sagt die Architekturhistorikerin Oxana Gourinovitch. Sie hat die Ausstellung kuratiert. Sie war fasziniert von den zivilgesellschaftlichen Aktivitäten für den Erhalt des „Minsk“ nach der Schließung im Jahr 2000 gewesen. Dass das „Minsk“ überhaupt erhalten werden konnte, ist ihnen zu verdanken, sagt sie. Das sollte auch Menschen in Minsk zu mehr gesellschaftlichem Engagement ermutigen.

1970 reisten Potsdamer Fachleute nach Minsk

Dass das Terrassenrestaurant, geplant seit den 1960ern und erbaut in sieben zähen Jahren zwischen 1971 und 1977, das Partnerrestaurant eines „Potsdam“ betitelten Ortes in Minsk werden würde, war zu Beginn nicht klar. Konkret wurde das erst 1970, als Potsdamer Fachleute nach Minsk reisten, um sich anzusehen, wie der Massenwohnbau in der schnell wachsenden Industriestadt funktionierte.

Das Restaurant „Potsdam“ 1984 in Minsk in Belarus. 
Das Restaurant „Potsdam“ 1984 in Minsk in Belarus. 

© Dirk Harder

Beide Restaurants waren politisch gewollte Prestigeobjekte, „stark elitäre Orte“, sagt Gourinovitch. Das „Potsdam“ war im Sommer 1971 fertig, da hatte man in Potsdam noch gar nicht richtig losgelegt. Der Vorteil in Minsk: Das Gebäude gab es bereits, ein 1956 errichteter Prachtbau in bester Lage. Ein bestehendes Lokal wurde hier in neun Monaten von Potsdamer Künstler:innen unter Federführung von Werner Nerlich zur Folkloregaststätte umgebaut. Ein riesiges Metallrelief von Nerlich zierte einst die Außenfassade, zu sehen waren die Best-Offs der Mark: Schloss Cecilienhof. Ein Obstbaum. Ein Defa-Schriftzug. Ein Atomkraftwerk.

Drinnen gab es den großen Speisesaal „Sanssouci“, eine „märkische Bauernstube“ in Eiche und einen „Hans Marchwitza Raum“, die Ausstattung elfenbeinweiß und orange. An der Wand Grafiken von Fritz Eisel und Marchwitzas berühmter Ausspruch „Kultur ist jeder zweite Herzschlag unseres Lebens“, der jahrzehntelang auch am Potsdamer Kulturhaus, dem Alten Rathaus, hing.

Oxana Gourinovitch hat die Ausstellung kuratiert.
Oxana Gourinovitch hat die Ausstellung kuratiert.

© Ottmar Winter PNN

All das existiert heute nur noch auf Fotos, das hat das „Potsdam“ mit dem „Minsk“ gemeinsam. Installative Elemente geben in der kleinen Schau einen haptischen Eindruck davon. Eine Lampe, ein Schild aus Mohreiche aus dem „Minsk“ sind zu sehen. Ein großes Wandplakat zeigt den Saal im „Potsdam“, der davorstehende Tisch scheint das Foto ins Hier und Jetzt zu verlängern.

Auf dem Tisch sind vergrößerte Holzabreibungen zu sehen: Der belarussische Künstler Uladzimir Hramovich, beteiligt an der Ausstellung 2020, hat sie angefertigt, als er nach der Eröffnung mehrere Wochen in belarussischer Haft saß. Inzwischen hat er, wie fast alle Beteiligten, sein Land verlassen.

Im ehemaligen Restaurant „Potsdam“ eröffnete 2010 ein „Grand Café“, dort erinnert nichts mehr an das ehemalige Interieur. In Potsdam machten sich nach der Schließung des „Minsk“ im Jahr 2000 mehrere Initiativen für einen Erhalt stark: Die Liste ist übermannshoch. Es gab eine Zwischennutzung durch die Künstlergruppe Reflektor, Versuche, den Jugendclub Spartacus dort unterzubringen, die Initiative „Pro Brauhausberg“. Es gab Versuche, das „Minsk“ unter Denkmalschutz zu stellen. Und es gab 2018 einen vielbeachteten offenen Brief des Netzwerkes ostmodern.org.

„Die Ausstellung stellt für mich auch die Frage, wer an der Stadtentwicklung beteiligt ist und wer nicht“, sagt Anja Engel, Sprecherin des Rechenzentrums. „Warum konnte der Erhalt wieder nur durch eine Privatperson geschehen?“ In einem umfangreichen Begleitprogramm sollen auch jene zu Wort kommen, die sich fortwährend für den Erhalt eingesetzt haben. Die Erfolgsgeschichte des „Minsk“, so die These dieser Ausstellung, hat mehr als eine Schlüsselfigur.

„Gastmoderne“ bis zum 27.10. im Rechenzentrum

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