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Kultur: Realität, Realismus, Utopie

Heute Abend wird im Filmmuseum die Ausstellung über den Filmregisseur Konrad Wolf eröffnet

Heute Abend wird im Filmmuseum die Ausstellung über den Filmregisseur Konrad Wolf eröffnet Von Klaus Büstrin April 1945. In der Uniform eines sowjetischen Soldaten kommt der 19-jährige Deutsche Gregor in seine Heimat zurück. Er war acht Jahre alt, als seine Eltern mit ihm nach Moskau emigrierten. Mit einem Militärfahrzeug fährt er durch die Straßen von Ortschaften und fordert per Lautsprecher die vereinzelt noch kämpfenden deutschen Soldaten zum Überlaufen auf. Einige kommen aufatmend, andere mit Schüssen. Gregor fühlt sich bei seinen russischen Freunden zu Hause, viele Deutsche sind ihm dagegen fremd. In dem Film „Ich war neunzehn“ hat Konrad Wolf die Geschichte seiner eigenen Jugend verfilmt. Die Foyerausstellung im Filmmuseum, die anlässlich des 80. Geburtstags des Regisseurs am 20. Oktober im Filmmuseum ab heute Abend gezeigt wird, fügt sich in dem Rahmen eines Internationalen Symposiums und einer Filmretrospektive ein. Sie gibt einen Einblick in das Leben und das cineastische Werk Konrad Wolfs. Es wird hier keinesfalls eine umfassende Darstellung angestrebt, sondern nur ein Ausschnitt. Der geringe Platz verbietet leider mehr. Die Schau leitet mit der Kindheit in Moskau ein. Der Arzt und Dichter Friedrich Wolf, der auch Kommunist war, musste mit seiner Familie zu Beginn der Hitlerzeit wegen seiner antifaschistischen Haltung Deutschland verlassen. Man zog nach Moskau. Konrad liebte schon als Kind das Kino. In einer Vitrine werden Bilder aus Filmen von damals wichtigen sowjetischen Filmen Michail Romms und Sergej Jutkewitschs gezeigt, Filme, die, wie er selbst sagte, ihn sehr geprägt haben. Schon als Junge wurde er von Regisseur Gustav von Wangenheim, der ebenfalls nach Moskau emigrierte, für den Film „Kämpfer“ engagiert. 1936/38 wurde er mit Lotte Loebinger gedreht. Wolf erinnerte sich, dass er sich diesen Film immer wieder in den Kinos ansah. Dabei zog er den selben Pullover an, den er auch in „Kämpfer“ trug. Damit hoffte er, dass ihn die Zuschauer besser als Darsteller wahrnehmen können. Im Zweiten Weltkrieg trat auch Konrad Wolf in die Rote Armee ein. Als Soldat kämpfte er gegen die deutschen Eindringlinge. Auf einen Brief aus Warschau machte die Kuratorin der Ausstellung, Elke Schieber, aufmerksam. Er wurde von Wolf am 4. November 1944 angesichts der Zerstörung der polnischen Hauptstadt durch die deutsche Armee voller Zorn geschrieben: „Manchmal scheint es besser die Deutschen mit Bomben statt mit Flugblättern zu bedienen ... wenn ich daran denke, dass ich Deutscher bin, wird mir ganz elend.“ Er sah auch das Grauen von Majdanek und Sachsenhausen. An seine Familie in der sowjetischen Hauptstadt schrieb er, dass es ihm ein großes Verlangen sei, nach Moskau zu gehen, nach Stuttgart dagegen, wo er seine ersten Kindheitsjahre verbrachte, nur aus purer Neugierde. Elke Schieber: „Konrad Wolf blieb sein Leben lang gefühlsmäßig mit Russland eng verbunden.“ Als er deutschen Boden betrat, machte ihn die sowjetische Armee für kurze Zeit zum Stadtkommandanten von Bernau. Doch es zog ihn zur Kunst, zur Filmkunst. Er studierte zunächst in Moskau, kam in die DDR, arbeitete bei der DEFA, Kurt Maetzig holte ihn als Regieassistenten für seinem groß angelegten Film „Ernst Thälmann- Sohn seiner Klasse“. Die erste eigene Arbeit entstand 1954: „Einmal ist keinmal“, ein harmloser Heimatfilm, in dem so manches sowjetische Unterhaltungs-Muster zu erkennen ist. Doch Wolf wollte in Filmen seinen politischen Standpunkt verdeutlichen – mit einem starken Realismus, der glaubwürdig ist. Authentisch sollten seine Werke sein. Eigene Erlebnisse wurden verarbeitet, auch Erfahrungen von Kollegen, mit denen er zusammenarbeitete, so die des Szenographen Alfred Hirschmeier, der ein „strammer“ Hitlerjunge und Flakhelfer war, des Kameramanns Werner Bergmann, der Offizier und Frontberichterstatter bei der Wehrmacht war. Im Krieg verlor er einen Arm. Auch der preisgekrönte Film „Sterne“ (1958) geht auf ein Erleben des bulgarischen Drehbuchautors Angel Wagenstein zurück, der für Wolf später noch einmal das Szenarium für „Goya“ schrieb. Die Ausstellung gewährt Einblicke in Wolfs Arbeitsweise und künstlerische Methode im Spannungsfeld zwischen Realität, Realismus und Utopie. Zu sehen sind Belege für historische Recherchen, Motiv-, Szenen- und Werkfotos, Tagebuchauszüge des Kameramannes Werner Bergmann, Gesprächsprotokolle der langjährigen Regieassistentin Wolfs, Doris Borkmann, Notizen des Regisseurs sowie autobiographisches Material. Auch ein Beitrag der DDR-Fernsehsendung „Porträt per Telefon“ kann man sich ansehen. Sie ist Wolfs letzter öffentlicher Auftritt kurz vor seinem Tod, der am 7. März 1982 eintrat. Sämtliche Exponate stammen aus der Sammlung des Filmmuseums, den bereits erwähnten Brief Wolfs aus Warschau hat die Akademie der Künste zur Verfügung gestellt, die auch den Nachlass von Konrad Wolf betreut. Die Fotos und die Dokumente zu dem DEFA-Film „Sonnensucher“ (1957/58) gehören zu den spannendsten Momenten der Ausstellung. Der ungewöhnlich realistische und konfliktreiche Stoff hatte von Anfang an mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Streifen spielt bei der Wismut 1950, beim Uranbergbau. „Wolf zeigte ungeschminkt die Verhältnisse in dem Großbetrieb. Die DDR-Führung sah in der Wismut jedoch einen Vorbildbetrieb für die DDR. Doch bei Wolf ist er alles andere“, so die Kuratorin. Es gab harte Auseinanderetzungen mit der SED nicht nur bei der Wismut, sondern im ganzen Land. Wolf musste harte Kritik einstecken. „Auch Moskau legte ein Veto gegen den Film ein. In der Phase der Auseinandersetzungen um die atomare Rüstung wollte man nicht zeigen, wie die Grundstoffe für die Sowjetunion in der DDR abgebaut wurden.“ Der Kalte Krieg war in vollem Gange. Mehr als 15 Jahre nach dem ersten Drehtag kam „Sonnensucher“ 1972 in die DDR-Kinos. Die Schauspielerin Renate Krößner entdeckt man auf einem großen Poster aus Polen. Sie spielte die Hauptrolle in dem erfolgreichen Wolf-Film „Solo Sunny“, der fast überall auf der Welt präsentiert wurde. Dieser Gegenwartsfilm erzählt von einer Außenseiterin, die ihren eigenen Lebensanspruch verteidigt. Auch in ihm ist die Realität genau eingefangen woden: Berlin mit seinen Hinterhöfen. Ein großes Band vereint schließlich Mimen, mit denen Konrad Wolf zusammengearbeitet hat. Für manche, wie es heißt, war es kein Leichtes. Erwin Geschonneck schrieb über die Arbeit mit dem Regisseur Wolf jedoch: „Er spielte nicht vor, er ließ die Schauspieler ,laufen“. Allerdings hatte er sie lange vorher gründlich geprüft und sorgfältig selbst gestaltet.“ Ausstellung ab heute um 19.30 Uhr im Filmmuseum, 17.30 Uhr: „Kämpfer“, 21.30 Uhr: „Ich war neunzehn“.

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