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Kultur: Selbstbewusste Untergebene

Inge und Walter Jens lasen im Hans Otto Theater aus ihrer Katia-Mann-Biografie

Inge und Walter Jens lasen im Hans Otto Theater aus ihrer Katia-Mann-Biografie Von Marion Hartig Sie scheint alles andere als eine emanzipierte Frau gewesen zu sein. Obwohl sie zu den ersten Abiturientinnen Münchens gehörte und sich in Mathematik und Physik einschrieb. Als Thomas Mann in ihr Leben trat brach Katharina Pringsheim (1883- 1980) ihr Studium ab. Sie heiratete, bekam sechs Kinder und lebte fortan nur noch für die Familie, vor allem aber für ihren Ehemann, den aufstrebenden Schriftsteller. Spätestens seit Heinrich Breloers Fernsehfilm „Die Manns. Ein Jahrhunderteroman“ ist ihre Rolle bekannt. Sie war die Lebenspraktische, die ihm den Rücken frei hielt und dafür sorgte, dass die Kinder keinen Lärm im Haus machten. Sie kümmerte sich um die Dienstboten und managte das Leben der gesamten Familie. Als ihr Verleger sie 1960 mit Katia Mann bekannt macht, hat Inge Jens alles andere als einen unemanzipierten Eindruck von ihr. Sie war beeindruckt von der offensichtlich starken Schriftstellerfrau, erzählt die Historikerin. Sie ist am Donnerstagabend mit ihrem Mann, dem Schriftsteller und ehemaligen Präsidenten der Akademie der Künste Walter Jens zu Gast in der Reithalle A des Hans Otto Theaters. Das Paar stellt vor vollem Hause seine in diesem Jahr erschienene, von der Literaturkritik vielgerühmte Biografie „Frau Thomas Mann – Das Leben der Katharina Pringsheim“ vor. Seit drei Jahren arbeiten sie an dem Buch, erzählt die Historikerin. Ihr Mann stieg zwischenzeitlich ein, als er an seiner Autobiografie verzweifelte. Ihre Begeisterung riss ihn mit. Rund 2000 Briefe hat das Paar gelesen. Das Buch bezieht sich hauptsächlich auf Selbstaussagen, die Inge und Walter Jens mit erläuternden oder wertenden Kommentaren versahen. An diesem Leseabend stehen zwei gekürzte Kapitel auf dem Programm. Anschließend beantworten Inge und Walter Jens Fragen aus dem Publikum. Walter Jens erzählt aus Katias Leben in den 20er und 30er Jahren, als sie kränkelnd in Sanatorien nach Genesung suchte. Fast täglich schrieb sie an die Familie und versuchte, mit detailgetreuen und humorvollen Beschreibungen über die Patienten und das Klinikleben Thomas Mann bei seinen Arbeiten zum Zauberberg zu inspirieren. Sie formulierte pointiert und sprachlich gekonnt. Inge Jens berichtet über die Zeit der Immigration in die USA, von ihrem Aufenthalt in Princeton und Californien. Sie liest aus bisher unbekannte Briefen an ihre enge, amerikanische Freundin Molly Shenstone vor und erzählt von ihrem Engagement, Flüchtlingen aus Deutschland die Einreise zu ermöglichen. Katias Mutter Hedwig Pringsheim, schreibt sie vom Hass, den sie gegen die Deutschen hegt – die Mutter antwortet als Pazifistin. Trotz allem sei sie eine Deutsche, formuliert sie, ihr Herz blute, wenn sie an die Frauen und Männer denke, die nutzlos in den Tod gehen mussten. Spannend verbinden sich die episodenhaften Geschichten zu einem Ganzen. Auch wenn sie auf ihren Briefköpfen „Frau Thomas Mann“ druckte und ihr Leben allein auf das Genie ihres Mannes ausrichtete, Inge Jens glaubt nicht, dass Katia Mann ihr Leben bereute, auch wenn sie in ihren „ungeschriebenen Memoiren“ laut aufseufzte. Sie wollte genau das Leben, das sie geführt hat, meint die Autorin, eine Familie, einen Mann, in dessen Ruhm sie sich sonnen konnte. Dafür war sie bereit zu verzichten. Auch darauf, dass sie ihrem Mann keine lustvollen Gefühle entlocken konnte, schriftlich habe sie sich allerdings nie zu den homosexuellen Neigungen ihres Mannes geäußert. Die Sache mit den Manns ist für Inge und Walter Jens mit dem Buch noch lange nicht abgeschlossen. Die Mutter, Hedwig Pringsheim, habe sich in den Briefen als grandiose Figur abgezeichnet. Sie hoffen genug Material für eine nächste Biografie zusammenzubekommen.

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