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Kultur: Tanzkrimi mit Troubadour

Premiere in fabrik: Zwei-Frauen-Tanztheater „Die Versungene“

Premiere in fabrik: Zwei-Frauen-Tanztheater „Die Versungene“ Ob Liebe, Gewalt oder Geschichten mit hohem philosophischen Anspruch - eigentlich ist auf der Bühne schon alles gesagt worden. Nur noch in der Form, wie gute Stoffe erzählt werden, unterscheiden sich Theater und Tanz. Meinen die Tänzerin Anja Hempel und die Schauspielerin Judica Albrecht. Mit Kaffeebecher in der Hand sitzen sie auf alten Wohnzimmersesseln hinter der Bühne der fabrik und versuchen ihr Zwei-Frau-Tanztheater „Die Versungene“ zu beschreiben. In Kurzversion. Die Zeit ist knapp, am Sonnabend, also heute, ist Premiere. Ohne hehre inhaltliche Ansprüche und große Konzepte haben sich die jungen Künstlerinnen ans Werk gemacht. Die Tänzerin, die an der North Carolina School of Arts Tanz und Choreographie studierte und u. a. bei Bernardo Montet und Francois Raffinot tanzte. Und die Schauspielerin, die das Junge Bremer Theater mitbegründete, seit 1996 freiberuflich arbeitet, Gastspiele in Dresden, Zürich und Bern gab und als Sprecherin für Rundfunkanstalten arbeitete. Die Geschichte war schnell gefunden, ein mittelalterliches Drama des französischen Gegenwartsdichters Jaques Roubaud: Der Troubadour Jaufre Rudel de Blaye, ein edelmütiger Ritter und Prinz, verliebt sich in die Comtesse de Tripoli, ohne sie je gesehen zu haben. Allein von der großen Güte, derer Pilger sie rühmen, fühlt er sich angezogen. Auf seinem Weg zu ihr erkrankt der Ritter und stirbt in ihren Armen. Die Geliebte macht sich vor Leid zur Nonne. Eine schöne Geschichte mit einem Berg von Lebensweisheiten, fanden die Künstlerinnen und sponnen sie in ihrer Fantasie bis ins Absurde weiter. Sie ließen sich eine neue Version des Lebens von Jaufre Rudel einfallen, brachten Lady Agatha, Sir Edgar Allen, und einen deprimierten Engel ins Spiel und ließen die Protagonisten durch eine Wasserwelt irren. Mit dem Ziel, die Geschichte in eine außergewöhnliche, einmalige Form zu gießen und vor allem einen spannungstriefenden Romanzenkrimi zu konstruieren. 50 Minuten dauert das erahnbar chaotische Spektakel aus Bewegung und Sprache. Dabei geben die Darstellerinnen mal den singenden Ritter, mal den Engel oder den Vater. Die Schauspielerin wird zur Tänzerin, die Tänzerin zur Schauspielerin. Die Grenzen sind auch im gewöhnlichen Theater und Tanz fließend, sagen die Künstlerinnen, beide wirken auch jenseits der Grenze: Judica Albrecht erarbeitet sich ihre Theaterfiguren über die Körpersprache. Sie beschäftigt sich mit individuellen Bewegungsstil und Improvisationstheater. Tanja Hempel entwickelt seit 1998 choreographische Stücke. Sie arbeitet mit Sprache und Text, verbindet Wort und Geste als gegenseitige Fortsetzung. Spagat und kunstvolle Sprünge zeigt die Schauspielerin an diesem Abend nicht, sie tanzt individuell, von ihrer Person ausgehend. Mehr aber verraten die Künstlerinnen nicht über die das Bewegungskleid, das sie der Geschichte übergestreift haben. Sie lehnen sich in den Sesseln zurück und bleiben abstrakt. Der Tanz ist kein Illustrator des Wortes, sagen sie noch und das es eine kurze Soundcollage, aber keine Musik geben wird. Der Titel, „Die Versungene“, war als Wortspiel gedacht. Die Geschichte spielt in einer vergangenen, versunkenen Zeit, erklärt die Tänzerin. Ein geplantes Lied ließ aus „Versunkene“ „Versungene“ werden, später strichen sie den Gesang, der Titel aber blieb. Genug geredet, meinen die beiden. Sie lassen das Stück offensichtlich lieber selbst für sich sprechen. Und es ist Zeit für die Lichtproben. Man darf gespannt sein auf eine erahnbar verworrene Kriminalromanze im schlichten Gewand. Marion Hartig

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