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Vor eigener Malerei in seinem Potsdamer Werbedesignbüro: Marco W. Linke.

© Manfred Thomas

Von Heidi Jäger: Traumfänger

Werbedesigner, Musiker und Autor: Marco W. Linke gewann mit „Der Ventriloquist“ einen Literaturpreis

Marco W. Linke ist ein Träumer. Keiner, der sich weltvergessen in seiner Fantasie einigelt. Er führt sich seine nächtlichen Träume bewusst vor Augen und schlägt daraus literarisch Kapital. Bevorzugt in Form politischer Thriller. Dicke Wälzer mit bis zu 500 Seiten füllte er mit seinen erträumten, aber auch akribisch recherchierten Stories, die derzeit in Verlagen ihrer Veröffentlichung harren.

Ein kleines, fast aus dem Handgelenk geschütteltes Büchlein machte indes vor diesen Schwergewichten Furore: „Der Ventriloquist“. Es gewann vergangenen Oktober den Brandenburgischen Literaturpreis des Literaturkollegiums Potsdam und liegt frisch gedruckt im Handel. Mit luftigem Layout und sparsam-einfühlsamen Zeichnungen, die der Werbedesigner mal eben so dazu setzte, pumpte er die zehn vorgeschriebenen Manuskriptseiten für den Literaturwettbewerb auf 50 Buchseiten auf. Und die finden derzeit nicht nur zufriedene Leser, sondern auch das Interesse eines Kino-Filmproduzenten. Dabei entstammt die Idee für den Ventriloquisten, ein Begriff, der geheimnisvoll für Bauchredner steht, diesmal nicht seiner Traumwelt, „sondern einem dämlichen Hollywood-Klamauk-Streifen“. Marco W. Linke malt indes in wenigen Szenen blutvolle Charaktere und erzählt die bewegende Geschichte von Eli Lenau, dem Puppenspieler, der über den Tod hinaus an die Liebe glaubt. Den Vergleich eines Kritikers mit dem „Kleinen Prinzen“ hält er allerdings für fraglich. „Es ist vielleicht die einfache kindliche Schreibe, die sich ähnelt.“ Aber die weitgespannte Welterklärung von Saint-Exupéry sei eine andere philosophische Dimension. Dabei schwingt in Linkes Zeilen durchaus auch ein philosophischer Unterton mit. „Offensichtlich blieb etwas von meinem Studium, bei dem ich im Nebenfach Philosophie belegte, haften.“

Ansonsten hält der 35-Jährige nichts von Kopfgeburten. Er will unterhalten. Und das auf ganz verschiedenen Strecken. Bevor er zur Literatur stieß, textete er bereits für seine Band 4MH, mit der er den F6-Award gewann, und für seine vor drei Jahren gegründete Gruppe „Linck“ deutschsprachige Rocktitel. „Doch in vier mal vier Zeilen lassen sich nur begrenzt Geschichten erzählen“, witzelt der Sänger und Gitarrist in seiner angenehm lockeren Art. Die Initialzündung dafür, dass er neben dem Fulltime-Job in seinem Werbedesign-Büro und der Musik, auch zur Roman-„Feder“ griff, kam von Freundin Barbara, die schon lange vor ihm begeistert Geschichten erfand. „Als wir zusammen im Urlaub waren, hatten wir die Idee, lustige Erlebnisse über uns selbst zu notieren. Jeder schrieb aus seiner Sicht, was er über die gemeinsame Suche nach einer Wohnung oder die Reduzierung des Freundeskreises durch die Partnerschaft dachte.“ Entstanden seien süß-saure „Rote Zitronen“-Geschichten, die sie 2004 veröffentlichten.

Die ersten ungelenken Schreibversuche unternahm Linke schon mit 13. „Lauter komische Sachen, über die man in seiner Findungsphase so nachdenkt.“ Mit 15 ging es schon ernsthafter zur Sache. Zwei der damals entstandenen Songtexte finden sich 20 Jahre später auf dem ersten „Linck“-Album fast unverändert wieder. „Frei sein“ heißt einer der Titel, der von einer Prostituierten erzählt, die es nicht schafft, ihrem Milieu zu entkommen.

Als Marco 20 war, zog die Familie aus Münster nach Potsdam. Obwohl er an der Fachhochschule für Design in seiner Heimat eine Studienzusage hatte, ging er mit. „Ich bin ein Familienmensch und wollte nicht allein zurückbleiben.“ Da eine zweite künstlerische Bewerbungsmappe auf die Schnelle nicht zu packen war, studierte er Jura und fühlte sich keineswegs von der Paragrafenpaukerei erschlagen. „Ich nahm mir viel Freiraum, Musik zu machen, ohne Ambition, ein Weltstar werden zu wollen.“ Mit Musik, die gern in eine Schublade mit Stoppok oder Element of Crime gesteckt werde, sei es ohnehin schwierig, in die Charts zu kommen. „Auch mit unserer Pink Floyd-Coverband ,Pulse’ sind wir nicht wirklich Straßenfest-tauglich.“ Doch was zähle, sei der eigene Anspruch. Und so hängte er auch sein Kanzlei-Berufsleben an den Nagel, als sich Langeweile breit machte. Er trat die Flucht nach vorn in ein neues Studium an: Grafikdesign. Im Jahr 2000 machte sich der Neu-Potsdamer selbständig und hetzte bald zwischen all’ seinen Projekten hin und her. Bis ein Hörsturz ihm die Grenze zeigte.

Heute ist Marco W. Linkes Alltag klar strukturiert. „Einmal in der Woche nehme ich mir einen Kreativtag.“ Ansonsten gehen er und seine Freundin nach der gemeinsamen Arbeit in der Agentur mit dem Hund Gassi und setzen sich dann mit dem Laptop an den Kamin, wo jeder an seiner eigenen Geschichte schreibt.

Versuchte er in seinem ersten Polit-Thriller die harte Nuss des geheimen US-Präsidenten-Papiers Majestic 12 zu knacken, das angeblich hochbrisante politische Informationen vor der Öffentlichkeit geheim hält und von Amtsträger zu Amtsträger weiter gereicht wird, verfolgte er im „Fall Rymes“, wie ein Richter bestochen werden soll. Sein dritter Roman erzählt von zwei verwaisten Brüdern, die sich völlig auseinander lebten: einer wird rechtsradikal, der andere, im Potsdamer Militärwaisenhaus heranwachsend, geht in den Untergrund. „Auch diese Geschichte habe ich szenisch geträumt und mit Erinnerungen meiner Oma angereichert.“

Schon wartet der nächste Traum darauf, niedergeschrieben zu werden. Der rote Faden ist gesponnen, Marco W. Linke muss „nur“ noch ein dichtes Handlungsnetz drum herum weben. Am liebsten in einem Ferienhaus in Frankreich. Statt Kaminfeuergeknister möchte er diesmal das Rauschen der Wellen hören.

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