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Kultur: Wohnungen wären das Aus für Kultur

Waschhaus-Chef Michael Wegener über Kompromisse, Risiken und Chancen in der Schiffbauergasse

Das Bild der Schiffbauergasse verändert sich täglich. Um das Publikum auf dieser Großbaustelle dennoch bei der Stange zu halten, sind die Kulturanbieter um größte Flexibilität bemüht. „Im Großen und Ganzen sind wir mit der Entwicklung zufrieden“, schaut der Geschäftsführer des Waschhauses, Michael Wegener, auf die bisherige Umgestaltung zurück, die immer wieder auch nach Kompromissen verlangte. Im Moment scheiden sich allerdings die Geister: „Die teils sehr unsachlich geführte Diskussion um die Fluxus-Kunsthalle in Form eines riesigen Blechautos hat uns sehr irritiert: Sie zeigte, dass der Sanierungsträger eine ziemliche Autonomie hat. Die geplante Ansiedlung eines Biomarktes lässt er auch nicht diskutieren."

Bei der Auseinandersetzung um die Ansiedlung des Blechbaus, das in dem fabrik-Biergarten dauergeparkt werden soll, erhielten die Kulturträger in der Schiffbauergasse jetzt Unterstützung vom Forum Bildende Kunst: „einem neutralen Gremium. Das Forum hat sich allerdings nicht in einer von der Kulturbeigeordneten herausgegebenen Pressemitteilung widergespiegelt gefunden. Die im Forum aufgeworfenen kritischen Fragen blieben darin außen vor." Das Forum habe vor allem angeregt, eine Rückfallklausel festzuschreiben. „So könnte verhindert werden, dass beim Scheitern dieses Kunsthauses am Ende eine leere Blechbüchse, ein Büro- oder Wohnhaus übrig bleibt.“ Im B-Plan-Entwurf für die Schiffbauergasse ist Fluxus bereits ausgewiesen. „Wir haben unsere Stellungnahme dazu abgeliefert. Nun muss man sehen, ob die Bedenken beim Verabschieden des Plans berücksichtigt werden.“

Viel nachdrücklicher ist Wegeners Einspruch gegenüber den geplanten Wohnungen an der Schiffbauergasse. „Das würde den Kulturstandort kaputt machen. Das fängt schon bei der Genehmigung für unsere Freilichtbühne an, die jetzt in Frage steht. Man kann Lärm auch um die Veranstaltungen drumherum nicht einfach vermeiden. Die Leute bewegen sich nun mal frei. Und auch die Gaststätten leben vom Nachtgeschäft.“ Der Kulturausschuss hat Wohnungen an dieser Stelle zwar abgelehnt, aber der Bauausschuss muss sich erst noch positionieren. „Mit Fluxus könnte ich mich bei entsprechenden Sicherheitsklauseln abfinden, beim Wohnen gibt es für uns hingegen keinen Kompromiss."

Für die Arbeit des Waschhauses hält das kommenden Jahr einige Aufregungen bereit: „Im Frühjahr können wir unseren Kunstraum auf dem Schirrhof einweihen. Diese Ausstellungsflächen in fünf Räumen sind eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem momentanen Zustand. Dort können wir uns richtig entfalten und logistisch völlig unabhängig von den Veranstaltungen arbeiten. Da es in Potsdam kaum vernünftige Ausstellungsräume gibt, werden wir auch weiterhin Kooperationen eingehen, beispielsweise mit dem Brandenburgischen Kunstverein und auch mit der Panzerhalle Groß Glienicke."

Nicht nur der Kunstraum wird im Frühjahr fertig. Auch fabrik und T-Werk beziehen ihre neuen Räume, und das Hans Otto Theater eröffnet im Herbst. Die Schinkelhalle wird ebenfalls weitgehend saniert sein, allerdings ohne „Lackschicht" drauf. Denn dort wird ab Frühjahr das Waschhaus zeitweilig seinen rauhen Spielbetrieb aufnehmen. „Diese Halle brauchen wir, weil das Kesselhaus abgerissen und die Russenhalle auf Vordermann gebracht wird." Die Russenhalle gehört aber schon zum zweiten Bauabschnitt, der bis Anfang 2007 abgeschlossen sein soll.

Der dritte und letzte Bauabschnitt – die Sanierung von Waschhaus und Offizze – wird Anfang 2008 beendet sein. „Da wir unseren Spielbetrieb keineswegs unterbrechen wollen, ziehen wir für diese Zeit in die dann fertig gestellte Russenhalle und in das neu entstehende Foyer. Da wird es dann allerdings total eng werden."

Michael Wegener hofft, dass das Waschhaus nach Abschluss der ganzen Bauarbeiten auch neue Publikumsschichten ansprechen wird. „In dem jetzigen Zustand gibt es mitunter Berührungsängste, die ich durchaus verstehen kann.“ Allerdings wird es nach der Sanierung vielleicht anderen nicht mehr gefallen. „Wir wollen aber durchaus den Charme erhalten, der Jugendlichen gefällt. Auch inhaltlich sind wir ja mit unserer ,360 Grad-Wäsche'' gut gemischt aufgestellt. Außer Theater bieten wir alles an. Viele denken, dass wir nur ein Party-Schuppen sind, aber wir haben auch Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, Tanz und Film. Die großen Partys helfen indes entscheidend mit, dass wir unseren Betrieb aufrecht erhalten können. Wir haben schließlich stolze 75 Prozent Eigenerwirtschaftung. Das neue Thema Innopunkt – Kultur und Wirtschaft – zeigt, dass diese beiden Bereiche viel enger in Zusammenhang gebracht werden müssen.“ Michael Wegener wies auch noch auf eine ganz andere Strecke des Waschhaus-Vereins hin: „Wir bilden Lehrlinge in vier Berufen aus und betreuen straffällig gewordene Jugendliche. Letztlich führen wir mehr finanzielle Mittel in den öffentlichen Kreislauf ein, als wir Förderung bekommen.“

Seine Grundausrichtung wird das Waschhaus auch künftig beibehalten: „Die Szene ist ohnehin zu jeder Zeit dynamisch jung: Was heute funktioniert, kann morgen schon out sein. Wir müssen ständig die neuen Trends bedienen, um genug Publikum zu bekommen und auch, um Zeitgeschehen aufzuzeigen."

Das Waschhaus nähert sich nun langsam dem Ende der Improvisation: „Nach 15 Jahren können wir dann richtig anfangen.“ Dazu müsse allerdings auch ein gutes Management vor Ort sein, „das mehr anbietet als die Summe der Einzelteile." Von der Idee des Oberbürgermeisters Jann Jakobs, die Schiffbauergasse gemeinsam mit der Kultur der Innenstadt zu vermarkten, hält Wegener nichts.

Heidi Jäger

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