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Kultur: Zurück nach vorn

Azubis für Mediengestaltung holen DEFA-Filme in die Gegenwart

Am Anfang denkt man, das könnte ziemlich langweilig sein und eher ein Zeitvertreib für DDR-Nostalgiker. Warum sich noch mal mit alten DEFA-Schinken befassen, bei „Paul und Paula“ das Puhdys-Lied „Geh zu ihr“ mitsummen oder über die Scherze in „Zwei schräge Vögel“ lachen? Warum aufwärmen, was längst vergangen ist? Doch es geht ganz schnell und man steckt plötzlich mitten drin in den Geschichten von damals, bekommt Lust, sich auf einen Rückblick einzulassen.

Dabei sind es nicht die DEFA-Filme selbst, wie „Paul und Paula“, „Ete und Ali“, „Nackt unter Wölfen“, die jetzt auf DVD vertrieben, so erfolgreich die Werbetrommel rühren. Es ist das die Filme ergänzende „Bonusmaterial“, das die „alten Schinken“ wieder interessant macht. Mit historischen Filmausschnitten, aktuellen Interviews und dokumentierenden Fotos holen die „Begleitfilmemacher“ die DDR-Geschichten ins Heute.

Am Donnerstagabend nun konnte man sich sechs brandneue Begleitfilme im Kino Babylon in Berlin ansehen, die im Auftrag des DEFA-Film-Verlegers Icestorm von Azubis für Mediengestaltung des Studio Babelsberg produziert wurden. Drei Jahre haben sie daran gearbeitet. Und das sei vorweggenommen: Den Nachwuchsfilmern ist eine spannende und einfühlsame Verbindung von gestern und heute gelungen, die ganz für sich steht. Und dazu noch Interesse für den alten Film weckt.

Für das „Special“ zu dem 1972 produzierten sowjetischen Kultfilm „Im Morgengrauen ist es noch still“ von Stanislaw Rostozki haben die jungen Filmemacher die Regisseurin Tamara Trampe vor die Kamera geholt, für die das Thema Krieg allgegenwärtig ist. Ganz unspektakulär steht sie in einem Wald und spricht über den Krieg und das, was er mit den Menschen macht. Sehr einfühlsam, sehr persönlich. Sie erzählt von ihrer traumatisierten Mutter, die in einem Kriegslazarett gearbeitet hat und jetzt, mit 86 Jahren, ihre Gefühlswelt langsam wieder in den Griff bekommt. Sie kommentiert den Film: Zum ersten Mal wurden Frauen als Soldatinnen gezeigt, die schießen, die kämpfen. Die aber auch Pilze sammeln, wenn gerade keine Bomben vom Himmel regnen. „Im Morgengrauen...“ ist zeitlos, wirbt Tamara Trampe für den sowjetischen Film auf DVD.

Ein Erfolg auch das zu dem DVD-Film „Nackt unter Wölfen“ (1963) gestellte letzte Interview mit Gerry Wolf, der vor einem Jahr verstorben ist. Auf einer Bank im Garten erzählt der Schauspieler von den Filmarbeiten mit Regisseur Frank Beyer, von seinen persönlichen Erfahrungen im „Dritten Reich“.

Interessant auch die Geschichte zu „Moskau, meine Liebe“. Im Internet sind die Nachwuchsfilmer auf die japanische Pianistin Sawami Kiyoshi gestoßen. Sie hatten Glück, konnten sie in Deutschland treffen, mit ihr über den Abwurf der Atombombe über Hiroshima aus der Perspektive der Enkeltochter sprechen. Ihr Vater war damals acht Jahre alt, „hat das Licht, die Wolke und den Blitz gesehen“. Der Film zeigt sie an ihrem Klavier und vor der Truman-Villa in Babelsberg. „Von hier aus soll der amerikanische Präsident den Befehl für den Abwurf gegeben haben“, erklärt sie in die Kamera.

Dann tauchen da noch die drei Schauspieler von „Zwei schräge Vögel“ auf, Gerry Kling, Götz Schubert und Matti Wien. Sie erzählen von den Dreharbeiten unter Erwin Stranka und von der Bedeutung des Films für sie und ihre Karriere.

Viel Applaus an diesem Abend von einem Publikum, das offensichtlich aus vielen Sympathisanten von Studio Babelsberg und Vertretern von Icestorm besteht. Nur rund 50 Gäste verteilen sich in dem riesigen Saal. Auch der „Paul und Paula“-Komponist Peter Gotthardt ist darunter und die japanische Pianistin Sawami Kiyoshi.

13 000 Filme gehören zum Fundus der DEFA-Filmproduktion, ist auf der Webseite von Icestorm nachzulesen. 250 hat das Berliner Unternehmen, das die Rechte von der DEFA-Stiftung bis 2015 gekauft hat, bereits vertrieben. Bleiben noch viele Neuentdeckungen. Marion Hartig

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