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Kultur: Zwischen Komik und Melancholie

Ursula Karusseit spielt ab heute am Hans Otto Theater den „Eingebildeten Kranken“

Ursula Karusseit spielt ab heute am Hans Otto Theater den „Eingebildeten Kranken“ Von Klaus Büstrin „Ich gebe alles“, betont Ursula Karusseit. Ja sicher, antwortet der Gesprächspartner, doch in der Intimität des Schlosstheaters im Neuen Palais kann man doch sicherlich die Stimme ein wenig herunterfahren. Auf dieser Rokokobühne ist es akustisch anders als in dem riesigen Haus der Volksbühne in Berlin. „Ich gebe alles“, bekräftigt nochmals Ursula Karusseit. Dies ist ihr unbedingt zu glauben. Die voll von theatralischer Leidenschaft berstende Schauspielerin wird ab heute Abend im Neuen Palais in Jean-Baptiste Moliéres „Der eingebildete Kranke“ spielen. Es ist nicht irgend eine Rolle, die ihr der Regisseur Philippe Besson angetragen hat, sondern die Titelrolle, den eingebildeten Kranken Argan. Ursula Karusseit wartet erst gar nicht die eventuelle Frage ab, ob es etwas Besonderes ist, einen Mann darzustellen, sie beugt sie mit ihrer Ansicht vor: „Es ist egal, was ich spiele. Hauptsache, ich kann die Rolle überzeugend darstellen.“ Und wann wird einer Schauspielerin oder einem Schauspieler eine Rolle in einem Moliére-Stück heute noch angeboten? Hierzulande jedenfalls kaum. In den siebziger Jahren brach am Potsdamer Hans Otto Theater ein regelrechter Moliére-Boom aus. Damals spielte man im Schlosstheater fast hintereinander die Komödien „Sganarelle“, „Die gelehrten Frauen“, „Der Tartüff“. Vor 18 Jahren inszenierte man im Schlosstheater den „Eingebildeten Kranken“. Dann trat in Sachen Moliére Ruhe ein. In der Rolle des Argan brillierten bereits bedeutende Kollegen der Karusseit: der Dichter persönlich, Max Pallenberg oder Curt Bois. „Auch mir macht der Argan unheimlich viel Spaß“, bekennt die renommierte Schauspielerin. „Das ist eine Rolle, bei der man ,seinem Affen Zucker geben kann“.“ Aber Ursula Karusseit weiß natürlich, dass man den eingebildeten Kranken immer in einer Balance zwischen Komik und Melancholie halten sollte. Denn dieser reiche Bürger aus der Zeit König Ludwigs XIV. ist krank wegen des Liebesentzugs und der Einsamkeit geworden. Seine zweite Frau entpuppt sich als Erbschleicherin, Tochter Angélique will nicht den für sie erwählten Mediziner heiraten. Argan möchte aber unbedingt einen Mediziner zum Schwiegersohn, denn die Arztkosten, selbst die Klistiere werden immer teurer. Das frech-forsche Kammermädchen Toinette findet für alles einen Rat. Und so kommt es, wie es in einer barocken Komödie kommen muss, zu einem erträglichen Ende. „Ich freue mich, dass Philippe Besson und Henrike Engel, die neben dem Bühnenbild auch die Kostüme entwarf, uns Schauspieler in Kleidung steckte, die an die Barockzeit erinnern. Man muss nicht alle Stücke aus der Vergangenheit in die heutige Zeit transportieren, nicht alle ,Kleider“ neu erfinden.“ Ursula Karusseit ist sich sicher, dass „Der eingebildete Kranke“ eine große Aktualität in sich birgt, schon allein wegen der hitzigen Debatte zur Gesundheitsreform. „Ich glaube, die Leute verstehen die Probleme von heute auch dann, wenn wir die Komödie in ihrer originalen Zeit lassen.“ Den Regisseur Philippe Besson, mit dem sie zum ersten Mal ein Stück erarbeitet, kennt die Karusseit schon als Kind. „Damals habe ich gedacht, der wird nie zum Theater gehen. Schiffe interessierten ihn damals viel mehr. Ja, wie man sich täuschen kann.“ MIt Philippe Bessons Vater, Benno, dem berühmten Theatermann, hat die Karusseit viel zusammengearbeitet. Sie war mit ihm auch verheiratet. Einige der schönsten Rollen durfte sie unter seiner Regie spielen, unter anderen in „Der Drache“ von Jewgenij Schwarz am Deutschen Theater, „Der gute Mensch von Sezuan“ von Bertolt Brecht, in Peter Hacks“ „Moritz Tassow“ an der Volksbühne, „Hase Hase“ von Coline Serreau am Schillertehater Berlin. An der Volksbühne spielte sie bereits in einem Moliére-Stück, in der legendären Benno-Besson-Inszenierung von „Arzt wider Willen“. „Die Theaterjahre mit Besson waren die lebendigsten in meiner Laufbahn“, resümmiert die Schauspielerin. Viel war sie auf der Bühne zu sehen, ab 1987 auch in Westdeutschland. Als in Köln eine Schauspielerin der Rolle der Fanny in Sternheims „Die Kassette“ drei Tage vor der Premiere erkrankte, bat man die Karusseit, sie kurzfristig zu übernehmen. Das war dann der Auftakt für eine Theaterkarriere, die nicht nur auf den Osten sich beschränkte. Sie spielte an vielen Theatern, zwischendurch nahm sie aber auch selbst das Zepter in die Hand, führte Regie. Selbst um kleinere Bühnen, in Görlitz oder Dessau, machte sie keinen Bogen. Natürlich wurde sie den meisten Zuschauern von Fernsehfilmen bekannt: „Wege übers Land“ oder „Daniel Druskat“ – Filme, zu denen sie nach wie vor steht. Solche herausragenden Aufgaben fehlen derzeit. Aber zu sehen ist sie in der Fernsehserie „In aller Freundschaft“, Geschichten, die in Leipzig spielen. „Natürlich wird man von Serien nicht das Nonplusultra der Schauspielkunst erwarten. Aber so lange die Zuschauer Freude an den Geschichten haben, sollte man sie ihnen nicht verwehren. Und so dumm ist diese Serie nicht.“ Neun Vorstellungen sind zunächst für den „Eingebildeten Kranken“ vorgesehen. „Vielleicht werden es mehr. Stück, das Schlossambiente und hoffentlich auch die Inszenierung sind Garantien für volle Häuser“, so die Karusseit.

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