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Potsdam-Mittelmark: arbeiten bis 75

Vor fünf Jahren übernahm Procurand das Seniorenheim Ferch / Gründer warnt vor Ende des Sozialstaates

Vor fünf Jahren übernahm Procurand das Seniorenheim Ferch / Gründer warnt vor Ende des Sozialstaates Schwielowsee · Ferch - „Lebensqualität und Lebensfreude“, auch im Alter: Das ist eine der Maximen von Procurand. Die Gesellschaft hat Ende der 90er Jahre das Seniorenzentrum in Ferch übernommen und vor dem Aus gerettet. Heute sind die 170 Plätze in der Residenz am Schwielowsee fast alle belegt – mit Berlinern, Potsdamern und zum großen Teil auch Senioren aus der näheren Umgebung. Entgegen aller damaligen Prophezeiungen, die Einrichtung sei zu groß und zu teuer, wird das Angebot angenommen. Doch Procurand-Gründer Adolf Theis gibt sich alles andere als optimistisch: In Zukunft könnten Pflegeplätze in Deutschland unbezahlbar werden, das Sozialsystem sei an seine Grenzen gestoßen. In dieser Woche besuchte die Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche (CDU) die Seniorenresidenz. Ihr berichtete Theis über den Ernst der Lage. Überall in Deutschland betreibt Procurand Seniorenzentren, ist in Brandenburg mit zehn Häusern und 600 Mitarbeitern die Nummer 1 im privaten Betreuungsbereich. Je nach Pflegestufe (von I bis zum Härtefall) kostet ein Platz hier zwischen 1082 und 1408 Euro pro Monat. Die wirklichen Kosten liegen zwischen 2105 und 3096 Euro – die Differenz zahlt (noch) die Pflegeversicherung. Den Betrag, der übrig bleibt, gibt kaum eine Rente her. „In den neuen Bundesländern existiert aber eine unglaubliche Bereitschaft der Kinder und Enkel, etwas für ihre Familienangehörigen dazu zu bezahlen“, so Theis. Doch auch die Kinder würden irgendwann in den Ruhestand gehen, könnten sich dann die Pflegeplätze für ihre Eltern nicht mehr leisten. Hinzu komme noch die hohe Arbeitslosigkeit. „Am Ende müssen es die Kommunen übernehmen“, prophezeite er. Theis war einst Präsident der Universität Tübingen. Nach seinem Ausscheiden gründete er die Gesellschaft Procurand, welche sich vornehmlich solchen Senioreneinrichtungen angenommen hat, die unter Zwangsverwaltung standen – wie jene in Ferch. Die Betriebe wurden finanziell saniert und befinden sich nun in dessen Trägerschaft. Gerade das Fercher Zentrum war damals arg gebeutelt: Als Reha-Klinik Mitte der 90er gebaut, konnte die Einrichtung diese Aufgabe aufgrund von Fehlern im Genehmigungsverfahren nie wahrnehmen. Es folgten verschiedene Investoren, die sich nur wenige Monate hielten. Der Procurand-Chef ist 71 Jahre alt und plädiert dafür, dass viele seinem Beispiel folgen. Bis zu einem Alter von 75 könne man durchaus noch einen Beruf ausüben, sagt er. Das sei auch eine Konsequenz aus der steigenden Lebenserwartung, denn die Grundsicherung der Rente müsse aus der arbeitenden Bevölkerung kommen. Dies widerspricht zum Teil dem momentan diskutierten Prinzip der Selbstvorsorge. Doch gespartes Geld, so Theis, könne mit dem Fortschritt nicht mithalten und verliere über die Jahre an Wert. „Wir sind nicht klüger als Bismarck und Lasalle“, unterstrich er die in seinen Augen hohe Aktualität des Generationen-Vertrages. Im Anschluss an das Gespräch gab die Leiterin Marianne Göttlicher eine Führung durch das Haus. Der Anspruch an Lebensqualität wird ersichtlich in großzügig bemessenen Zimmern mit Dusche und Balkon, mehreren Gemeinschafts- und Therapieräumen sowie dem Bewegungsbad. Dies, unterstrich Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU), würde auch von vielen Ferchern genutzt. Es gibt ein Kaminzimmer für Lesungen und draußen einen Streichelzoo sowie zwei Teiche. Mit einem bunten Veranstaltungsprogramm würden die Bewohner unterhalten und beschäftigt, erklärte die Leiterin. So konnten sich Reiche und Hoppe an der Kaffeetafel mit einigen Senioren austauschen und sich davon überzeugen, das diese hier in guten Händen sind. Thomas Lähns

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