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Potsdam-Mittelmark: Ensers Wahlkampf hatte ein Geschmäckle

Gericht weist aber Klage der SPD ab: Kommunalwahl 2003 bleibt trotz Bedenken der Richter gültig

Gericht weist aber Klage der SPD ab: Kommunalwahl 2003 bleibt trotz Bedenken der Richter gültig Stahnsdorf/Potsdam - Einen Freispruch hat die Gemeindevertretung Stahnsdorf gestern vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht zwar bekommen. Doch CDU-Bürgermeister Gerhard Enser, gegen den die Klage sich eigentlich richtete, musste sich von den Richtern auch Kritik anhören für seinen Kommunalwahlkampf im Oktober 2003. In der Urteilsbegründung stellte der Vorsitzenden Richter Claus Peter Ladner fest: „Die Sache hat schon ein Geschmäckle, das sage ich klar.“ Beklagt war die Gemeindevertretung. Eigentlich stand aber Ensers Rolle während des Kommunalwahlkampfes auf dem Prüfstand. Genauer gesagt die Frage: Hat Enser als Bürgermeister im Kampf um gemeindliche Abgeordnetenmandate die Pflicht zur Mäßigung verletzt? Oder anders: Lässt sich das – überparteiliche – Bürgermeisteramt von der Kandidatur als Gemeindevertreter für die CDU trennen? Da die Gemeindevertretung von Stahnsdorf die Wahl trotz eines Einspruchs der SPD abgesegnet hatte, war sie nun selber Beklagte. Als Kläger traten drei Mitglieder des SPD-Ortsvereins auf. Zur Erinnerung: Enser hatte damals für die Wahl zur Gemeindevertretung kandidiert und allein 4000 von 5500 CDU-Stimmen geholt. Das Mandat schlug Enser aber aus, denn sonst hätte er seinen Bürgermeisterstuhl räumen müssen. Im Wahlkampf hatte Enser seinen Rücktritt als Bürgermeister für den Fall angekündigt, dass es für seine CDU keine stabile Mehrheit geben würde. Enser hatte auch Namen von SPD-Kandidaten genannt, mit denen er sich eine Zusammenarbeit nicht vorstellen konnte. Für die Wähler entstand damit eine paradoxe Situation, wie einer der beisitzenden Richter feststellte: „Enser wählen hieß, dass er nicht Gemeindevertreter wird.“ Die Kläger störte aber mehr, dass Enser mit seinem Verhalten das Gebot zur Mäßigung missachtet habe, dem er als Bürgermeister unterliegt. In einem waren sich jedoch alle einig: Kandidieren durfte Gerhard Enser sehr wohl, die brandenburgischen Gesetze erlauben es ihm. Richter Ladner, zugleich Präsident des Hauses, bezeichnete es zwar als nicht ganz unbedenklich: Ein Vorgehen, das „leider üblich geworden ist“. Dem einen Riegel vorzuschieben, sei aber die Sache des Gesetzgebers. „Man kann überlegen, ob es so glücklich ist, das Amtsträger kandidieren dürfen“, gab auch Ronald Radtke, Anwalt der Beklagten, zu bedenken. Sein Pendant Hasso Lieber wies auf das Beispiel Bayern hin, wo ein Bürgermeister zwar für eine Gemeindevertretung kandidieren darf – aber nur, wenn er vorher zurücktritt. Doch gestern ging es nicht um das Ob, sondern das Wie. Und weil es in einem Verfahren wie diesem immer schwer ist, gebotene Mäßigung gegen Meinungsfreiheit abzuwägen, konzentrierten sich die Richter sehr auf einen Leserbrief von Enser, der vor der Wahl in einer Tageszeitung veröffentlich wurde und die Rücktrittsdrohung wie die Angriffe gegen SPD-Vertreter enthielt. Unterschrieben war er mit „Gerhard Enser, Bürgermeister“. Die Amtsbezeichnung, so Enser, habe die Redaktion hinzugefügt. E-Mail-Ausdrucke wurden vorgelegt, um zu beweisen, dass der Leserbrief nicht aus dem Rathaus geschickt wurde, sprich: vom Privatmann Enser. Zweifelsfrei klären ließ sich das aber nicht mehr. Und so sahen die Richter keinen Beweis dafür, dass Enser im Wahlkampf seine Kandidatur und sein Amt als Bürgermeister auf unerlaubte Weise vermengt hat. Sie zitierten auch das Urteil eines Bundesgerichts, das Politikern im Wahlkampf auch Täuschungen erlaubt. SPD-Klagevertreter Heinrich Plückelmann zeigte sich nach dem Urteilsspruch enttäuscht, nicht nur, weil er ein Drittel der Kosten tragen muss. Er hatte nicht unbedingt erwartet, dass die Klage Erfolg hat, aber doch eine deutliche Rüge erhofft und somit eine Handlungsanweisung für die Zukunft. Bevor über eine Revision entschieden werde, müsse man das schriftliche Urteil abwarten. Bürgermeister Enser gab sich einsilbig: „Das Gericht hat entschieden.“ Zum „Geschmäckle“ sagte er: „Die Kritik muss für beide Seiten gelten.“ Volker Eckert

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