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Zum eigenen Schutz: Viele Katzen sind im Heim besser aufgehoben.

© dpa

Potsdam-Mittelmark: Veterinäramt zieht Notbremse

2010 musste Kreis den Haltern 110 Tiere wegen Verwahrlosung wegnehmen

Potsdam-Mittelmark - Glenn ist erst seit kurzem auf dem Wege der Genesung. Tagelang wollte der getigerte Hauskater nicht fressen, weil ihm Bläschen an Maul und Zunge zu große Schmerzen bereitet hatten. In vielen Fällen führt das Calici-Virus, unter dem er leidet, zum Tode. Doch Glenn wird derzeit liebevoll von einer Auszubildenden des Glindower Katzenheims aufgepäppelt. Der dreijährige Kater wurde Mitte September von Mitarbeitern des Veterinäramtes völlig verwahrlost auf einem Grundstück im Landkreis gefunden – zusammen mit 22 weiteren Artgenossen. Die Besitzerin hat die Tiere gesammelt und irgendwann den Überblick verloren. Tierschützer hatten den Fall gemeldet.

Glenn ist nur ein Beispiel von vielen Tieren, die im vergangenen Jahr ihren Besitzern weggenommen werden mussten. 110 Fälle habe es 2010 gegeben, heißt es in einer Mitteilung des Landratsamtes. Die Zahl liege im Durchschnitt. Was jedoch Anlass zur Sorge gebe, sei die Intensität der Fälle, sagte Fachdienstleiterin Sonja Hahlweg gestern auf PNN-Anfrage. In der Mitteilung ist die Rede vom „Fehlen von Sozialkontakten, unzureichenden Auslaufmöglichkeiten, Mangel an Futter und Wasser bis hin zur völligen Verwahrlosung der Tiere“. Meistens werden die Fälle von Tierschützern oder Nachbarn entdeckt und angezeigt, der Landkreis entsendet dann Mitarbeiter zur Kontrolle. Tiere, die gefährdet sind, werden dann in Pflegestellen oder in eines der Tierheime in der Region gebracht. Dort werden sie dann an neue Herrchen und Frauchen vermittelt.

Glenns früheres Frauchen war ein Extremfall: Sie leidet unter einer psychischen Erkrankung, deren Folge das sogenannte Animal-Hoarding ist. Sie hat die Tiere gehortet. Die Mittelmärkerin kam vorübergehend in Behandlung, möchte aber jetzt ihre Katzen wiederhaben. Ständig würde sie im Katzenheim anrufen und die Herausgabe fordern, berichtet der Leiter der Einrichtung, Harry Kindt. Sie habe angegeben, die Katzen weiter züchten zu wollen. Daraus werde jedoch schon deshalb nichts, weil Neuzugänge im Katzenheim prinzipiell sterilisiert werden. „Man kann schon verstehen, dass die Frau eine Bindung zu den Katzen hat – aber man muss auch an die Tiere denken“, sagt Kindt. Neun der 23 Katzen hat das Heim in Glindow aufgenommen, die anderen kamen ins Pfötchenhotel nach Beelitz. Die meisten konnten schon vermittelt werden.

Auch Harry Kindt beobachtet, dass sich die Situation für Haustiere verschlimmert hat. „Die Menschen haben immer weniger Geld, darunter leiden die Tiere besonders“, erläutert er. Für die Versorgung mit Nahrung würde es oft noch reichen, für Impfungen und tierärztliche Untersuchungen hätten viele jedoch nichts mehr übrig. Die meisten hätten dann ein Einsehen und würden von sich aus die Tiere ins Heim bringen. Anderen jedoch würde der Anstand fehlen. Die Hemmschwelle, Schützlinge auszusetzen, sei generell gesunken. Die Vierbeiner finden sich dann plötzlich ausgesetzt im Wald wieder.

Auch diese Tiere landen im Heim – wenn sie Glück haben. „Es sind extrem viele, die bei uns vorbeigebracht werden“, so Katja Stephan, Leiterin des Tierheims im Pfötchenhotel. Ein Großteil ihrer Schützlinge sei absichtlich freigelassen oder ausgesetzt worden. Sogar von einem Hund, den sein Herrchen an einem Straßebaum angebunden hatte, weiß sie zu berichten. Die meisten Vierbeiner haben Glück und können vermittelt werden – an Halter, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Thomas Lähns

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