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Ein Großer Abendsegler in einer Baumhöhle.

© imago stock&people

Winterquartier zwischen Gräbern: Südwestkirchhof schafft Plätze für Fledermäuse

Auf dem Friedhof in Stahnsdorf wurden Kästen zum Überwintern aufgehängt. Die Flugtiere sind darauf angewiesen. Denn natürlicher Lebensraum wird knapp.

Der Kasten aus Holz und Beton wiegt ein paar Kilogramm. „Um ihn aufzuhängen, braucht man schon einige Manneskraft“, sagt Tobias Schramm. Und eine Leiter. Denn die Fledermäuse, die sich später einmal in die engen Schlitze quetschen sollen, um dort zu überwintern, müssen sicher sein vor Feinden: Vor anderen Tieren und dem Menschen.

Schramm ist Revierförster bei der Kirchlichen Waldgemeinschaft Mittelbrandenburg. Auf Anraten des Naturschutzbundes (Nabu) Potsdam hat er gemeinsam mit einem Kollegen fünf Überwinterungshöhlen in dem Waldgebiet an der Stadtgrenze zu Güterfelde, nahe des Südwestkirchhofs Stahnsdorf angebracht. Auch auf dem Friedhof hängen bereits einige solcher Höhlen.

Schlafstätte: Ein Kasten für Fledermäuse wird von einem Mitarbeiter der Kirchlichen Waldgemeinschaft Mittelbrandenburg an einem Baum angebracht.

© Kirchliche Waldgemeinschaft Mittelbrandenburg

Streng geschützte Art

Die Kästen sind für die fliegenden Tiere wichtig. Denn nach Angaben von Naturschutzverbänden wie dem Nabu werden Schlafplätze wegen der Dämmung und Sanierung von Häusern knapp. „Die Quartiersituation ist schwierig“, sagt Nabu-Mitarbeiterin Julia Teubner. Teubner leitet beim Nabu Brandenburg das Projekt „Fledermausfreunde“ und weiß, worauf es bei den Winter- und Sommerquartieren ankommt.

Viele Fledermausarten sind streng geschützt, einige sogar vom Aussterben bedroht. Sie brauchen deshalb einen ungestörten Ort, an dem sie ihren Winterschlaf halten können. Werden sie gestört, kann das für die Tiere, die ihre Körpertemperatur während des Schlafens stark herunterfahren, tödlich sein.

Doch obwohl Fledermäuse gefährdet sind, erfasst das Land Brandenburg nicht, wie viele Tiere es in der Mark gibt. Die letzte Zählung fand 2008 statt.

Weniger Tiere als früher

Claudia Kuthes Beobachtungen nach waren zuletzt deutlich weniger Fledermäuse anzutreffen. Zumindest auf dem Südwestkirchhof, wo die Kleinmachnowerin ehrenamtlich Fledermäuse mit Ringen versieht, um ihnen ein Erkennungszeichen zu geben und im Frühjahr die Bestände kontrollieren zu können. „Es ist ein Rückgang im Vergleich zu den letzten Jahren zu sehen“, sagt sie. Und auch wenn sie in erster Linie in einer Potsdamer Apotheke arbeitet – mit den kleinen Flugtieren und den hier vorkommenden Arten kennt sie sich gut aus. Die Sorge um die Fledertiere liegt überdies in der Familie: Schon Kuthes Vater hat sich um Fledermäuse gekümmert, hat in den 70er Jahren gemeinsam mit anderen Tierschützern die ersten Kästen im Friedhofswald angebracht.

Warum die Population schrumpft, können Tierschützer nur mutmaßen. Kuthe sagt, die Fledermäuse leiden unter Nahrungsknappheit und dem Verschwinden natürlicher Lebensräume. „Wegen der Trockenheit gibt es nicht mehr so viele Insekten.“ Und die sind die Hauptnahrungsquelle der Fledermäuse.

Es ist ein Rückgang zu den letzten Jahren.

Claudia Kuthe, Naturschützerin und Fledermaus-Beringerin

Zuflucht in Gruften

Für ihren Winterschlaf suchen sich Fledermäuse gern Kartoffel- oder Eiskeller oder alte Bunkeranlagen. So überwintern im Kalksteinbruch im brandenburgischen Rüdersdorf östlich von Berlin viele Tiere. Aber auch auf dem Südwestkirchhof im Landkreis Potsdam-Mittelmark beziehen die fliegenden Säugetiere bereits andere Orte wie etwa Mausoleumsgruften, sagt Friedhofsleiter Olaf Ihlefeldt. Man begehe derzeit keine Mausoleumsgruften mit Besucher:innen, da dort die Wahrscheinlichkeit einiger Wintergäste groß sei.

Julia Teubner vom Nabu-Projekt „Fledermaushilfe - aber richtig!“

© NABU BRANDENBURG / NABU BRANDENBURG

Wichtig ist, dass die Quartiere frostfrei sind und eine hohe Luftfeuchtigkeit haben, wie Teubner vom Nabu sagt. Denn während ihres monatelangen Winterschlafs suchen sich die Tiere nichts zu trinken. „Da Fledermäuse im Winter keine Nahrung finden und bei jedem Aufwachen einen hohen Energieaufwand haben, ist es von großer Bedeutung, dass es in den Winterquartieren keine Störungen gibt.“ Ist die Höhle feucht genug, leckten sie sich nach dem Aufwachen schon mal ein paar Tropfen vom Fell.

Friedhofsgast: Großer Abendsegler

Auf dem Friedhofsgelände ist nach Angaben von Kuthe vor allem der Große Abendsegler unterwegs. Die vorrangig in Wäldern lebende Fledermausart misst eine Länge von sechs bis acht Zentimetern und kann bis zu 40 Gramm schwer werden. Wie alle Fledermausarten ist auch das unter dem wissenschaftlichen Namen „Nyctalus noctula“ bekannte Tier geschützt.

Häufig zu sehen in Brandenburg: Der Große Abendsegler.

© dpa / Klaus-Dietmar Gabbert

Der Große Abendsegler wohnt am liebsten in Spechthöhlen. Aber auch in Gebäuden und Nistkästen findet er sein Quartier. Kuthe weiß, dass die Art auch in den aufgehängten Winterquartieren sowie – vom Frühjahr bis zum Winteranfang – in den etwas kleineren Sommerkästen zu finden ist. „In diesen kleineren Kästen haben wir auch vereinzelt Braune Langohren und Mückenfledermäuse gefunden.“ Nach Angaben des Landesamtes für Umwelt Brandenburg überwintern viele der Großen Abendsegler überdies auch in der Landeshauptstadt: im „Haus der Athleten“ hinter der Sportschule „Friedrich Ludwig Jahn“.

Brandenburg beherbergt den aktuellsten Erkenntnissen nach 19 von deutschlandweit 25 verschiedenen Fledermausarten. Vor zwanzig Jahren wurde zudem mit der Nymphenfledermaus ein ganz neues Säugetier entdeckt.

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