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Potsdam-Mittelmark: Wo der Holzhahn einen Schlag bekommt

Im Pferdedorf der Mittelmark: Pfingstreiten in Salzbrunn belebt alte Traditionen

Im Pferdedorf der Mittelmark: Pfingstreiten in Salzbrunn belebt alte Traditionen Von Thomas Lähns Beelitz · Salzbrunn – Das Pferdedorf der Mittelmark heißt Salzbrunn: Fast jeder der 190 Einwohner ist sattelfest, besitzt selbst ein Pferd oder ist zumindest schon einmal geritten. Die Tiere gehören zum Ort, so lange man sich erinnern kann. Eine Tradition – ebenso wie das Pfingstreiten. Das ist in dem kleinen Flämingdorf am Rande des Naturparks Nuthe-Nieplitz einer der Höhepunkte des Jahres. Am Wochenende war es wieder so weit: Salzbrunn saß hoch zu Ross und zeigte dem staunenden Publikum sein Können. Bereits der Zug durch den Ort, hin zum Reitplatz an der Schäper Straße wird zum Spektakel: Hinter einem Blasorchester reiten die Mitglieder des örtlichen „Reit-, Fahr- und Zuchtvereins Salzbrunn“ auf ihren Pferden. Die kleinsten trotten auf Ponys hinterher, gefolgt von Schaulustigen. Das ganze Dorf ist heute auf den Beinen. Geordnet halten die Reiter Einzug, nehmen Aufstellung zum ersten Programmpunkt: Wochenlang wurde eine Quadrille eingeübt, eine Abfolge verschiedener Figuren. Die zwanzig Reiter ziehen nun ihre Kreise, mal zu zweit, mal zu dritt und dann sogar zu viert nebeneinander. Die Reihen öffnen und schließen sich wieder, und das im Trab zu zackiger Militärmusik. Am Rande kommentiert Andreas Litwiakow das Geschehen in ein Mikrophon. Der Chef des Reitvereins tritt als Cowboy auf: Den breitkrempigen Hut hat er ein Stück nach hinten geschoben, ein langer Mantel schlägt ihm um den Körper. „Soviel ist hier sonst nur zur Fuchsjagd im Herbst los“, erzählt er. Die Beute sei dabei natürlich kein echter Meister Reineke, sagt der Vorsitzende. Auch das traditionelle Hahneschlagen – dazu wird gerade Aufstellung genommen – läuft tierschutzgerecht ab. Das örtliche Geflügel bleibt im Stall, statt dessen wird ein Holzgockel auf ein Gewinde an einem „Galgen“ geschraubt. Nacheinander reiten die Salzbrunner vorbei, verpassen ihm einen Schlag, so dass er sich herunter dreht. Schon kommt Dieter Bellin auf seinem Pferd „Madonna“ angeprescht und versetzt dem Holzvogel einen kräftigen Hieb. Das Mecklemburger Vollblut lässt sich kaum von seinem Herren zügeln und wirbelt dicht an den sprachlosen Zuschauern vorbei. Der letzte Schlag glückt aber erst seiner Nachfolgerin, der jungen Carolin aus Salzbrunn. Bräuche wie diesen gebe es hier schon seit Langem, berichtet Ortsbürgermeisterin Jutta Bellin. Zu DDR-Zeiten tabu, konnten Hahneschlagen und Fuchsjagd schnell wiederbelebt werden. Dabei habe man sich an alten Fotos, Erzählungen der Eltern und Großeltern und nicht zuletzt der Ortschronik orientiert. Der Reitverein sei mit dem Dorf eng verbunden, genauso wie die Feuerwehr. Ereignisse wie das heutige werden dadurch zum Volksfest. Man trifft sich hier mit Bekannten und Nachbarn. „Hallo, guten Tag. Frohes Pfingsfest allerseits“, ertönt es aus allen Ecken. „Viele junge Familien ziehen hier her, die meisten mit Kindern“, berichtet Bellin stolz. Und was liegt da näher, als auch diese an das Reiten heran zu führen? Die meisten Salzbrunner halten sich die Tiere als Hobby, es gibt hier lediglich einen ausgewiesenen Reiterhof: den der Familie Korth. Hier kann sich der Nachwuchs von einer Reitlehrerin professionell ausbilden lassen. Auf dem Platz ist mittlerweile das Hindernisreiten in vollem Gange: Paarweise und zu Fuß müssen die Teilnehmer eine kurze Strecke mit Maßkrügen zurücklegen, ohne den Inhalt zu verschütten, um sich an der nächsten Station Schürze und Zipfelmütze überzustreifen und mit einem Mehlsack weiter zu rennen. Anschließend müssen sie mit auf dem Rücken verschränkten Armen Nudeln mit Tomatensauce von einem Teller essen, was beim Publikum für schallendes Gelächter sorgt. Auf Stelzen und danach hinter Schubkarren geht es weiter. Schließlich schwingen sich die Teilnehmer auf die Pferde, galoppieren im Slalom um Strohballen, müssen eine Glocke schlagen und zurückreiten. Mit dabei ist auch die junge Saskia Steinke. Für das Pfingstreiten sei sie mit ihrem Pferd Besie, einem weißen Sachsen-Anhaltiner, aus Beelitz angereist, erzählt sie später. Auf das Publikum warten noch zahlreiche Attraktionen, unter anderem ein Stuhltanz – natürlich auf Pferden, von denen die Akteure erst einmal herunter springen müssen, um eine Sitzgelegenheit zu ergattern. Höhepunkt des Nachmittags wird eine Kutschquadrille mit vier Gefährten. Mit dabei sind sowohl ein Ein- und ein Zweispänner sowie eine Troika mit drei Zugtieren nebeneinander. Die größte Aufmerksamkeit erntet aber Eckhard Künnemann, der als römischer Feldherr mit einer Quadriga auf den Platz donnert. Ein Streitwagen hinter vier Pferden – inwieweit die Salzbrunner da wohl an eine örtliche Tradition angeknüpft haben?

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