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© dpa

102 Sekunden in Barcelona: Die Mutter aller Niederlagen

Bayern München trifft im Viertelfinale der Champions League auf Manchester United. 1999 standen sich beide Mannschaften im Finale von Barcelona gegenüber. Bayern hatte schon eine Hand an der Trophäe, doch dann wechselte Alex Ferguson mit Teddy Sheringham das Münchner Trauma ein. Das 11FREUNDE-Magazin hat diese Nacht noch einmal rekonstruiert.

Im schummerigen Licht der Stadionkatakomben gehen schweigend zwei Männer. Alles ist gesagt in dieser Nacht in Barcelona. Ottmar Hitzfeld hat die lästige Pflicht der Pressekonferenz mit der ihm eigenen unverbindlichen Professionalität erledigt. Ein Golfwägelchen mit Chauffeur, das den General und seinen Pressesprecher, Markus Hörwick, zurück zur Bayern-Umkleide fahren sollte, hat er stehen lassen. »Lass uns ein paar Schritte gehen«, hat Hitzfeld gesagt.

Das monumentale Camp Nou ist fast wieder menschenleer, als sie den Weg zurück antreten. Während sie über den gelben Betonfußboden in Richtung Umkleidekabinen schlendern, sehen sie plötzlich zwei Gestalten, die im Halbdunkel in einigem Abstand vor ihnen laufen. Allmählich kommen sie den vorausgehenden Männern immer näher. Nur noch ein paar Meter. Da erkennt Hörwick, wer außer ihnen noch durch die verlassenen Gänge wandert: Alex Ferguson und sein PR-Assistent haben wie ihre Münchner Kollegen ebenfalls den Lift der UEFA-Hilfskräfte ausgeschlagen.

Als die Briten mitbekommen, wer ihnen auf den Fersen ist, halten sie kurz inne. Hitzfeld und Hörwick schließen auf, bis die Trainer sich gegenüberstehen. In devoter Zurückhaltung treten die beiden Pressesprecher wie zwei Adjutanten hinter ihre Feldherren zurück. »Ein Moment wie aus ›High Noon‹«, erinnert sich Markus Hörwick. Alex Ferguson blickt seinem Rivalen lange in die Augen, dann schließt er die Arme um ihn und sagt leise: »Sorry.« Ohne ein weiteres Wort setzen sie ihren Weg fort. In dieser lauen katalanischen Nacht. Nach diesem größten  anzunehmenden Drama in der Geschichte des Fußballs. »Sorry, Ottmar, sorry!«

»I want all the world to see a miracle sensation.«

20:24:01 Uhr Das Vorprogramm ist im vollen Gange. Camp Nou platzt mit 90 000 Zuschauern aus allen Nähten, als Operndiva Montserrat Caballé »Barcelona« schmettert, die Hymne der Olympischen Spiele 1992. Auf der Anzeigetafel erscheint Freddie Mercury, ihr verstorbener Duettpartner. Er singt: »I want all the world to see a miracle sensation.« Sein Wille ist heute zum Teil schon in Erfüllung gegangen, denn der FC Bayern hat vor dem Anpfiff einen Überraschungssieg gefeiert: Für ein 20-minütiges Warm-up durften beide Finalisten ihr eigenes Unterhaltungsprogramm mitbringen.

Für die 30 000 mitgereisten Bayern-Fans hat der Klub die Spider Murphy Gang einfliegen lassen. Und als Günther Sigl und Barney Murphy am Ende ihres Sets »Skandal im Sperrbezirk« anstimmen, steppt nicht nur im Bayern-Block der Bär. Auch die britischen Fans macht der »Skandal um Rosie« ganz wuschig, selbst das Gros der angesäuerten Katalanen, die den Münchnern bis zum Spieltag noch die Vorrunden-Heimniederlage ihres FC Barcelona verübelt haben, gehen bei dem bajuwarischen Dirnenepos euphorisch mit.

»Große Geheimnisse gab es keine mehr«

47 Stunden warten die Bayern-Spieler in der spanischen Hafenstadt nun schon auf ihren großen Auftritt. Zweimal hat die Mannschaft in der Vorrunde der Champions League gegen Manchester United gespielt, zweimal ging das Spiel unentschieden aus – diese beiden Teams sind sich ebenbürtig. Ottmar Hitzfeld sagt: »Große Geheimnisse gab es keine mehr, beide Teams hatten ihren Gegner eingehend studiert, wir kannten uns sehr gut und wussten, dass in Barcelona die Tagesform eine wichtige Rolle spielt.«

Am Morgen um 11 Uhr findet die obligatorische Mannschaftsbesprechung statt. Das Flipchart im Besprechungsraum hat genauso wie die Worte, die gesprochen werden, an diesem Tag eher Alibicharakter. Alles ist gesagt. Und doch weisen Hitzfeld und Co-Trainer Michael Henke nochmals auf ein besonderes Merkmal im Spiel der Briten hin: »Sie verstehen Eckbälle als Torchance. Die englischen Fans haben das verinnerlicht, die gehen bei Ecken hoch, als gäbe es einen Freistoß direkt vor der Strafraumgrenze«, erinnert sich Henke. 

20:49:21 Uhr »Es kommt mir vor, als würde mir der David Beckham im Mittelfeld immer wieder nachrennen«, sagt Stefan Effenberg. Das Spiel läuft. Coach Alex Ferguson hat Beckham von Rechts auf Halblinks ins Mittelfeld gezogen, er soll überraschende Akzente nach vorne setzen und sich zugleich um den Spielmacher der Bayern kümmern. Bei Michael Tarnat, der beim Frühstück nicht essen mochte und mit Herzklopfen ins Stadion fuhr, hat sich die Nervosität gelegt. »Man denkt die ganze Zeit: Hoffentlich mach’ ich alles richtig«, erinnert sich Tarnat. Nun läuft das Spiel – und er verrichtet zuverlässig seine Arbeit. »Da löst sich die Anspannung, und Routine setzt ein«, sagt Tarnat.

20:51:16 Uhr Sechs Minuten sind gespielt, da pfeift Schiedsrichter Pierluigi Collina Freistoß für den FC Bayern. 18 Meter bis zum Tor – das ist Mario Baslers Distanz. Eine Siebenmannmauer bildet sich, Basler legt sich liebevoll den Ball zurecht. Stefan Effenberg joggt zu ihm. »Mario! Die stehen zu weit links!« Basler hat das längst gesehen. »Den mach’ ich rein! Den mach’ ich rein«, denkt er. Er läuft an, trifft den Ball mit dem rechten Innenspann, Markus Babbel stemmt Nicky Butt aus der Schussbahn, sieht den Ball an sich vorbeirauschen, Keeper Peter Schmeichel kann nur staunen, unten rechts schlägt das Ding ein. 1 : 0! Das frühe Tor! Alles läuft nach Plan! Basler wirft sich auf die Knie, rutscht über den Rasen und ballt die Fäuste. Sammy Kuffour ist als Erster bei ihm, dann kommt Effenberg und legt seinen Kopf auf Baslers Schulter. PR-Chef Markus Hörwick sagt: »Wir hatten das Vorspiel gewonnen – und nach sechs Minuten sah es fast so aus, als würden wir auch das Hauptspiel gewinnen.«

»Wir hätten längst 3 : 0 führen müssen«

22:07:34 Uhr Ferguson bringt Routinier Teddy Sheringham für Jesper Blomqvist. Nach der gemeinsamen Zeit bei den Tottenham Hotspurs nannte Jürgen Klinsmann Sheringham den »besten Stürmer, mit dem ich je zusammen gespielt habe«.

22:11:42 Uhr Seit mehr als einer Stunde hat der FC Bayern das Spiel im Griff. »Wir hätten längst 3 : 0 führen müssen«, denkt Alexander Zickler bei seiner Auswechslung. Sein Ersatzmann Mehmet Scholl trifft mit einem Flachschuss den Pfosten, Carsten Jancker setzt einen Fallrückzieher an die Latte, Effenberg kann beinahe Schmeichel überlupfen. Günther Jauch, der die Übertragung für RTL moderiert, beobachtet das Geschehen von der Pressetribüne aus. »Die Körpersprache der Bayern signalisiert: Sie fühlen sich wohl und sicher in diesem Spiel«, stellt er fest. Was soll noch schiefgehen? Auf der Ersatzbank sitzt Masseur Fredi Binder, der schon 1982 im Europacupfinale gegen Aston Villa dabei war und den Klub 1987 gegen den FC Porto untergehen sah. Als Jancker um Haaresbreite das Tor verpasst, beschleicht ihn eine düstere Vorahnung: »Es kam mir vor, als würde da heute noch jemand anderes mitspielen.«

22:16:11 Uhr Lothar Matthäus ist 38 Jahre alt. Es ist nicht sein erstes, aber wohl sein letztes großes Finale. Noch einmal hat er alles gegeben, die Rolle des Liberos vor der Abwehr interpretiert, ist viel gelaufen. Doch die Kräfte lassen nach, eine Verletzung im Rücken strahlt in die Oberschenkel. Für Fredi Binder nichts Ungewöhnliches, das Matthäus-Zipperlein, das bei allzu großer Belastung zum Problem werden kann, kennen sie in der medizinischen Abteilung des FC Bayern. »Ich war müde, ich war platt, ich war nicht mehr der Jüngste«, wird Matthäus später sagen. Er signalisiert mehrmals, dass er ausgetauscht werden möchte. Der Trainerstab reagiert routiniert. Schon oft in den beiden zurückliegenden Spielzeiten wurde dieser Tausch vorgenommen: Wenn der Altmeister ausgepumpt ist, ersetzt ihn Thorsten Fink. Leitwolf Effenberg ist nicht gerade begeistert. »Natürlich fragte ich mich, warum er nicht noch zehn Minuten durchhält. Denn seine Auswechslung brachte Unruhe ins Team. Aber was hätte man ihm angelastet, wenn er trotz Verletzung drin geblieben wäre und einen Fehler gemacht hätte?«

»Immer wenn es ernst wird, verpisst der sich!«

22:20:02 Uhr Hitzfeld lässt nun wechseln: Fink kommt für Matthäus. »Immer wenn es ernst wird, verpisst der sich!«, schimpft Mehmet Scholl. Eine gallige Anspielung darauf, dass Matthäus im WM-Finale 1990 Andreas Brehme den Strafstoß schießen ließ. Effenberg bellt die Anweisung, nun noch massiver zu stehen. In den letzten zehn Minuten soll nichts mehr anbrennen. »Kontern«, gibt das Alphatier als Schlachtplan aus. Alex Ferguson holt Andy Cole vom Feld und bringt Ole Gunnar Solskj¿r. Er beordert David Beckham zurück auf die rechte Seite, der Schachzug, ihn auf Halblinks spielen zu lassen, ist gründlich in die Hose gegangen. Vielleicht schwant ihm schon die Kritik der Medien, die seine Taktik für die Niederlage verantwortlich machen werden.

In England eilt dem Norweger Solskj¿r der Ruf des »Super-Jokers« voraus. Der Begriff geistert während der Vorbereitung auf das Finale auch immer wieder durch die Teambesprechungen der Bayern. In einem Spiel gegen Nottingham Forest kam Solskj¿r einmal zwölf Minuten vor dem Ende und schoss noch vier Tore. In Manchester haben sie ihm einen Kampfnamen gegeben: »The baby-faced Assassin«. Stefan Effenberg macht der Wechsel trotzdem keine Sorgen: »Wieso auch? Wir hatten bis jetzt hinten sicher gestanden, und die Jungs hatten vorher auch Cole und Yorke sehr gut im Griff gehabt.«

22:24:54 Uhr Die Bayern-Bank bereitet den Abpfiff vor. Bei Markus Hörwick fragen die TV-Stationen ihre Flash-Interviews an. Die Fieldreporter wollen Gespräche mit Kapitän Lothar Matthäus, Matchwinner Mario Basler und Torwart Oliver Kahn. Betreuer schaffen Kisten mit frischen Trikots heran, die die Bayern-Profis bei der Siegerehrung nicht so verschwitzt, adretter – kurz: triumphaler – aussehen lassen sollen. Alexander Zickler lupft die Pappe eines Kartons und sieht zahllose Baseballkappen mit der Aufschrift »Champions League-Sieger 1999 – FC Bayern München«.

22:27:01 Uhr Markus Hörwick hat die SMS für den Info-Service eines Mobilfunk-Sponsors vorbereitet. 160 Zeichen totaler Triumph stehen kurz davor, als Breaking
News an zahllose Kunden gesimst zu werden: Barcelona, 26. Mai 1999. Bayern am Ziel. Der FC Bayern München ist Champions-League-Sieger 1999. 1:0-Sieg durch Freistoßtor Mario Basler (6.) Hörwick erwartet den Schlusspfiff: »Ich hatte die SMS auch nach dem Spiel noch fast ein halbes Jahr im Speicher. Dann habe ich sie gelöscht.«

22:29:55 Uhr Hitzfeld erkennt: »Die Auswechslung von Lothar hat uns nicht unbedingt sicherer gemacht.« Denken seine Spieler nach der Herausnahme des Liberos, das Spiel sei schon gelaufen? Schlendrian stellt sich ein, alarmiert ruft der Coach Hasan Salihamidþiã zu sich, will den jungen Kämpfer für den zur Pomadigkeit neigenden Basler bringen. Der »Brazzo«, weiß Hitzfeld, wirft sich zur Not in jeden Schuss.

Drei Minuten Nachspielzeit

22:30:01 Uhr Der vierte Offizielle zeigt an: drei Minuten Nachspielzeit. Nur ein Wunder kann United noch retten. Ottmar Hitzfeld starrt auf die elektronische Tafel, die Zahl leuchtet rot, der Coach denkt: »Verdammt. Das ist lang.« Manchester-Ikone George Best sitzt auf der Ehrentribüne und kriegt das Kotzen. Die Pinguine von der UEFA gehen ihm auf die Nerven, es gibt nichts zu trinken – und nun soll er auch noch den Sieg der fucking Krauts bezeugen? Er, der Europapokalsieger von 1968? Er, George Best? No way. Best erhebt sich von seinem Platz und drängelt sich vorbei an den Honoratioren. Dürft’ ich kurz? Entschuldigung, ich müsste da mal ... Noch vor dem Abpfiff hat er den Ausgang erreicht und die sich anbahnende Schmach hinter sich gelassen. Ah, Luft! Wo gibt’s hier Bier?

22:30:16 Uhr Auch UEFA-Präsident Lennart Johansson kann den Abpfiff nicht von seinem Ehrensitz aus erleben. Er muss zur Siegerehrung, Medaillen und Pokal überreichen. Der schwere Mann ächzt durch die Katakomben. War das nicht George Best da eben? Unterwegs murmelt er Glückwünsche auf Deutsch: »Ich gratuliere Ihnen, Herr Effenberg!« – das sitzt.

22:30:31 Uhr Tarnat erkundigt sich bei Pierluigi Collina, wie lange er noch spielen lassen wolle. Der Schiri grinst. »Eine Aktion noch«, signalisiert er. Tarnat denkt: »Wir müssen den Ball um jeden Preis aus unserem Sechzehner raushalten.«

»Der Pokal gehört jetzt uns!«

22:30:33 Uhr Bayern-Physiotherapeut »Atze« Gebhardt schleppt eine Palette mit Wasserflaschen aus der Kabine ans Spielfeld. Als er sich seinen Weg aus den Katakomben zurück ins Stadion bahnt, laufen UEFA-Bedienstete mit dem Pokal an ihm vorbei. »Der gehört jetzt uns!«, denkt sich der Bayern-Veteran. Als er ins Stadion kommt, sieht er, wie Stefan Effenberg eine Flanke von Gary Neville zur Ecke klärt.

22:30:35 Uhr Beckham legt sich den Ball zur Ecke, der englische TV-Kommentator orakelt: »Can Manchester United score? They ALWAYS score!« Da taucht Keeper Peter Schmeichel im Strafraum auf. Thomas Linke denkt: »Plötzlich waren sie mit fünf Stürmern vorne. Und dann bringt auch  Schmeichel noch die Ordnung durcheinander.« Wer bewacht ihn? Wer bewacht überhaupt die anderen drei, vier…… zehn Stürmer? Oliver Kahn brüllt Anweisungen, niemand hört ihn, denn hinter ihm schreit eine Wand aus ManU-Fans. Wie war das noch, Michael Henke? Ecke gleich ein halbes Tor! Und da kommt sie, segelt in den Sechzehner, Keeper Schmeichel ist direkt in ein Kopfballduell verwickelt, der Ball tropft Thorsten Fink vor die Füße, der versucht zu klären, der Ball rutscht ihm über den Spann und geht in die Mitte zu Ryan Giggs. Der schießt aus 18 Metern, verzieht leicht, am Fünfer dreht sich Sheringham in den Ball, Mehmet Scholl steht hinter ihm, Kahn kann nicht mehr reagieren – Tor!

Tor? Scholl und Kahn heben den Arm, reklamieren Abseits, doch Collina zeigt zum Mittelkreis. Sheringham rennt zur Eckfahne. »Name on the trophy: Teddy Sheringham!«, skandiert der englische TV-Kommentator. Thomas Linke: »In diesem Moment wurden sehr viele Fehler gemacht.« Ferguson hüpft auf und ab, steif vor Verzückung. Ottmar Hitzfeld denkt: »Das darf doch nicht wahr sein. Der Treffer fiel zwar aus einer unübersichtlichen Situation, doch nur Zufall war dieses Tor nicht.« Lothar Matthäus sitzt auf der Bank und weint, ohne es zu wissen.
 
Neville spielt Katz und Maus mit Kuffour

22:30:52 Uhr Pierluigi Collina pfeift nochmal an. Und er macht keine Anstalten, das Spiel gleich wieder zu beenden. Bayern ist in Trance. Ottmar Hitzfeld denkt an die Verlängerung. Hörwick steckt sein Handy zurück in die Tasche. Bernd Dreher zieht das frische Trikot wieder aus, das er für die Siegerehrung übergestreift hat. Er hat gehört, dass er nach dem Spiel zur Dopingprobe muss, und trinkt eine Flasche Wasser, damit die Pflichtübung später schnell erledigt ist. Thomas Linke wankt am Strafraum auf und ab: »In dem Moment hatten wir nicht mehr die Energie, Manchester etwas entgegenzusetzen. Der Ausgleich traf uns ins Herz. Plötzlich fehlten uns hinten kopfballstarke Spieler – Leute wie Alexander Zickler.«

22:31:16 Uhr Bayerns Angriffsversuch verreckt. Gary Neville passt den Ball auf Solskj¿r, der spielt auf Rechtsaußen Katz und Maus mit Sammy Kuffour, will flanken, doch der Ball springt vom Knie des Verteidigers ins Tor-Aus. Wieder Ecke! Wieder legt Beckham sich den Ball hin. Wieder brüllt Kahn Anweisungen, die niemand hört. Wieder schreit die Wand aus United-Fans hinter ihm. Hitzfeld steht vor der Bank und sieht das Unheil kommen. Als Trainer spürt er, wie die plötzliche Ohnmacht der eigenen Mannschaft der wiedererlangten Hegemonie des Gegners in die Hände spielt. Später wird er sagen: »Es sind natürlich mehrere Faktoren, die mitspielen. Der Wichtigste aber ist, dass die Spieler von Manchester auch in der 90. Minute und danach alle noch an die Wende glaubten.«

22:32:16 Uhr Unbarmherzig schlägt David Beckham die Ecke auf den Fünfer, Sheringham steigt hoch, gewinnt den Luftkampf gegen Thomas Linke, versucht einen Kopfballaufsetzer in Richtung rechter Torecke, doch Solskj¿r hält den Fuß in die Flugbahn und lenkt den Ball unter die Latte. Michael Tarnat steht wie angenäht am Pfosten, zuckt, zu spät! Bernd Dreher neckt bis heute seinen Kumpel: »Tanne, du musst in so einem Moment den Pfosten doch nicht festhalten. Der steht von selbst.«

22:32:17 Uhr Tor! 2 : 1! »Manchester United have reached the Promised Land«, dröhnt der englische TV-Kommentator. Sein deutscher Kollege Marcel Reif resigniert: »Wissen Sie was? Ich habe gar keine Lust, das hier zu analysieren.« Peter Schmeichel schlägt im eigenen Strafraum Flickflack, Sammy Kuffour bricht weinend zusammen.

»Mr. President, Manchester, not Bayern.«

22:33:02 Uhr Pierluigi Collina pfeift das Spiel noch einmal an. Anstoß für den FC Bayern. Stefan Effenberg bolzt den Ball verzweifelt nach vorne. Abgewehrt, Schlusspfiff. Im selben Moment fallen alle Bayern-Spieler zu Boden wie Marionetten, deren Fäden jemand durchgeschnitten hat. War es vielleicht Freddie Mercury? Michael Tarnat denkt: »Warum bloß hat mir der Solskj¿r nicht ins Gesicht geschossen?«

22:33:03 Uhr Lennart Johansson ist inzwischen auf dem Rasen angekommen. Der UEFA-Präsident wird beim Anblick des Pokals ungehalten. Was soll denn das? Er pfeift seine Leute zusammen, sie sollen gefälligst die zierlichen Fahnen in den Farben von United von der Schüssel abmachen. Der Sieger heiße schließlich FC Bayern München! Auf seinem Weg durch die Katakomben hat der Funktionär nichts von den bahnbrechenden Veränderungen mitbekommen. Ein Mitarbeiter fasst sich ein Herz: »Mr. President, … Mr. President, Manchester, not Bayern.« Multilinguist Johansson macht den Schnelltest. »Congratulations, Mister Schmeichel!«, murmelt er – und spricht sich selbst sein Beileid aus.

22:33:58 Uhr In Oliver Kahn ist etwas zerbrochen. Noch Jahre später wird er an dieser Niederlage zu knapsen haben: »Es war für mich die Endstation eines Systems, das nur auf Erfolg und Disziplin beruhte.« Überall auf dem Feld liegen trauernde Bayern-Spieler. RTL-Moderator Günther Jauch wirft an seinem Übertragungscounter das Manuskript für die Spielnachlese weg. »Es geht jetzt nicht mehr um die chronologische Aufarbeitung eines Spiels«, sagt er, »sondern um die Sichtbarmachung eines Schockzustandes.«

Wie ein Mädchen, das gleich in Tränen ausbricht

22:36:34 Uhr RTL bittet Ottmar Hitzfeld zum Interview. Mit steinerner Miene sagt der Coach: »Leider ist es so gekommen. Aber ich bin stolz auf meine Spieler. Der FC Bayern hat heute ein großes Finale gespielt.« Hinter jedem Wort scheint ein Punkt zu stehen. Dann geht der General über den Platz und gratuliert seiner enttäuschten Mannschaft. An ihnen vorbei laufen ekstatische United-Spieler. Oliver Kahn blickt paralysiert ins Nichts, Lothar Matthäus nestelt verlegen an seinen Schuhen, die er inzwischen ausgezogen hat. Seine Bewegungen erinnern an die eines Mädchens, das sich mit den Händen Luft zufächert, um nicht in Tränen auszubrechen.

Markus Hörwick sagt: »Für Lothar war die Niederlage ein persönlicher Schock. Und wenn wir damals schon Oliver Kahn, den späteren, im Tor gehabt hätten, wäre in diesen Momenten sicher einiges zu Bruch gegangen.« Der Keeper steht am Scheidepunkt seines Lebens. Später wird er den »Sekundentod« (»Bild«) in Barcelona mit dem Schock nach einem Trauerfall in der Familie vergleichen. Seine Tränen bleiben unsichtbar: »Ich wünschte, ich hätte heulen können. Es war viel schlimmer. Durch Weinen wäre es ja möglich gewesen, die Enttäuschung über die Niederlage zu verarbeiten. Stattdessen war ich wie gelähmt. Ein geistiger und körperlicher Zusammenbruch.« Sein Lähmungszustand dauerte fast anderthalb Jahre. Eine schleichende Depression. »Ich kannte bis dato keine Situation, die ähnlich hart war.« Abwehrspieler Thomas Linke kompensiert den Moment – ganz Profi – schneller: »Ich wusste gleich: Das war Schicksal, es sollte so kommen.«

22:44:48 Uhr Die Siegerehrung ist im vollen Gange. Doch die Bayern-Spieler haben keine Lust, an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Hitzfeld befiehlt es ihnen: »Aus Respekt vor dem Gegner« soll das Team ein Spalier für die Sieger bilden. Wie in Trance holen sich die Bayern-Profis ihre Silbermedaillen ab, niemand hat sie länger als fünf Sekunden um den Hals. Sammy Kuffour muss von Thomas Helmer über das Podest geleitet werden. Danach stehen alle Spalier, nur Mario Basler fehlt. Er hat sich verärgert in die Kabine verdrückt. Nicht die Niederlage an sich plagt ihn: Peter Schmeichel ist nach dem Spiel aufreizend triumphierend vor ihm herumgetanzt. »Da kann ich doch nicht hingehen und für den noch Spalier stehen!«

»Hauptsache, die Familie ist gesund.«

22:46:17 Uhr  Günther Jauch erwartet seinen Experten Franz Beckenbauer. »Erst kurz nach dem Abpfiff kam er zurück ins Studio«, so der RTL-Moderator. »Und da war es gefährlich: Er war ganz ruhig, an der Grenze zur Abwesenheit. Sonst hat er sich schon über verunglückte Dribblings aufgeregt. Diesmal war es anders. Man hat gesehen, wie diese Niederlage in ihm gearbeitet hat. Er wusste zwar, dass im Fußball alles möglich ist. Aber das 1 : 2 ging gegen seine Überzeugung, wie souverän ein FC Bayern die letzten Minuten eines Finales zu bestreiten habe. Er war geschockt.« Auch Jauch bleibt angesichts der Ereignisse die Spucke weg. »Oh, Gott«, denkt er. »Jetzt sollst du noch 90 Minuten analysieren, diskutieren, Ausschnitte anschauen.« Die gewohnte Dramaturgie ist hinfällig. »Wir können doch nicht«, so Jauch, »mit dem armen Beckenbauer einen Einwurf aus der 52. Minute besprechen.«
 
22:51:22 Uhr Mario Basler sitzt in der Kabine und denkt: »Hauptsache, die Familie ist gesund.« Um ihn herum der komplette Bayern-Kader, die medizinische Abteilung, der Trainerstab. Die Umkleiden im Camp Nou sind die wohl opulentesten im internationalen Fußball. In diesem Moment könnte man hier eine Stecknadel fallen hören. Zwei Dutzend Menschen auf 100 Quadratmetern – keiner spricht ein Wort oder traut sich, unter die Dusche zu gehen. Karl-Heinz Rummenigge steht vor einer Bank und hält sich mit einer Hand an einem Kleiderhaken fest. Ottmar Hitzfeld blickt auf den Boden und schüttelt seit einer Ewigkeit wie ein Wackeldackel den Kopf.

22:52:01 Uhr Stefan Effenberg und Bernd Dreher sitzen mit Physiotherapeut »Atze« Gebhardt und zwei UEFA-Offiziellen im Dopingraum. Nichts geht mehr, noch nicht mal die niedersten Bedürfnisse. Die Worte, die gewechselt werden, haben nur einen Tenor: »unfassbar«. Die englischen Dopingprobanden fehlen noch. Die nehmen wohl noch einen feierlichen Schluck in der Umkleide. Dreher und Effenberg bleiben bei Mineralwasser. Wie das so ist: Wenn man muss, dann darf man nicht, und wenn man soll, dann kann man nicht.
 
23:00:12 Uhr In der Kabine der Bayern herrscht nach wie vor Grabesstimmung. Nichts als totale Leere und wortlose Lähmung. Per Blickkontakt gibt Markus Hörwick Trainer Hitzfeld ein Zeichen. Die leidige Pflicht der Pressekonferenz wartet.

Die Matchwinner müssen zum Dopingtest

23:06:18 Uhr Geht da was? Stefan Effenberg hat inzwischen die dritte Flasche Wasser intus. Plötzlich geht scheppernd die Tür. Die United-Abordnung trudelt bester Laune zur Dopingprobe ein. Von der UEFA zum Urintest bestellt wurden…Teddy Sheringham und Ole Gunnar Solskj¿r, die Matchwinner. Beide sichtbar euphorisiert – nicht nur vom glücklichen Verlauf des Spiels, sondern offenkundig auch vom Alkohol, der in der Kabine von United, dem Geruch nach zu urteilen, schon reichlich geflossen sein muss. Bernd Dreher erkennt, dass sich sein Kollege Stefan Effenberg für eine Hundertstelsekunde feindselig versteift. Dann murmelt er unbeholfen: »Congratulations …« Sheringham und Solskj¿r verrichten die Notdurft mit jener Präzision wie zuvor ihren Joker-Job nach der Einwechslung – und sind weg.

23:17:22 Uhr Die Spieler des FC Bayern steigen in den Bus. Der Busfahrer schiebt die Kartons mit den unbenutzten Siegerkappen in eine Luke im Bauch des Fahrzeugs. Jens Jeremies ist einer der ersten, der die Sprache wiederfindet. Er sagt: »Lasst uns heute einen draufmachen. Man darf eine Feier nicht nur von Sieg oder Niederlage abhängig machen.« Oliver Kahn sitzt im Bus, den Blick noch immer ins Leere gerichtet. »Es war die Mutter aller Niederlagen. Erst durch sie konnte ich jede Enttäuschung, die danach in mein Leben trat, fast mit einem Lächeln ertragen.«

23:18:09 Uhr Effenberg und Dreher warten immer noch, dass sich Harndrang einstellt. Der blonde Mittelfeldmotor ext eine weitere Wasserflasche. Plötzlich springt er auf und läuft hastig auf die Toilette. Dreher blickt dem Kollegen neidisch hinterher. Als er wiederkommt, bedeutet ihm Effe, dass es mit dem Wasserlassen noch immer nichts geworden ist. Falsche Richtung! Effenberg: »Nach dem Spiel war ich so leer und ausgepowert. Dann konnte ich nicht, habe in einer Tour Wasser in mich reingeschüttet, dazu die Verarbeitung des Spiels. Klar, dass die Flüssigkeit irgendwann oben rauskam, weil es unten nicht klappte.« Die beiden Profis entscheiden, noch einen Entspannungsspaziergang durch das Stadion zu unternehmen. Auf dem Rasen treffen die beiden Moderator Günther Jauch, der mit seinem Team die letzten Vorbereitungen zur Abreise trifft. Gemeinsam schlendern sie noch eine halbe Stunde durch das leere Camp Nou.

Beckenbauer wirkt beinah durchsichtig

00:49:11 Uhr In Barcelona ist es still. Der Spielverlauf hat den Mob betäubt. Versprengt sitzen die Fans in den Kneipen und starren in ihr Bier. Die Briten feiern – pietätvoll moderat. Im Festsaal des Hotels »Barceló Sants« klimpert das Geschirr. Bayern-Koch Alfons Schuhbeck hat noch Weißwürste aufgefahren. Die Schampuskorken knallen nicht, sie ploppen nur. Die Band hat alle Hits auf Lager, die eine Siegsfeier braucht. Doch was soll sie nun spielen, vor all diesen deprimierten Kämpfern? Wo sind die Noten von »I will survive«? Der Keyboarder blättert, er kommt sich blöd vor mit seiner Phantasiefliege um den Hals, weiß nicht so recht, wohin mit sich. Da ergreift Bayern-Präsident Franz Beckenbauer das Mikrofon. Er wirkt blass, beinah durchsichtig, eine Hand steckt in der Hosentasche, nervös läuft er vor der Band auf und ab. Er muss etwas sagen. Aber was? Dann hebt er an: »Heute hat uns die ganze Grausamkeit getroffen.« Er stockt, will sich die Brille abnehmen. »Aber es ist und bleibt ein Spiel«, fährt er fort. »Wir haben keinen Krieg verloren, wir haben nicht das Leben verloren.« Freundlicher Applaus brandet auf. Der Keyboarder nickt zustimmend.

01:11:55 Uhr Die Nacht versprengt allmählich ihre Protagonisten. Die drei Bayern-Torhüter sind längst verschwunden: Sven Scheurer, etatmäßige Nummer 2, die im Abschlusstraining von Bernd Dreher aus dem Kader verdrängt wurde, hat sich sauer aufs Zimmer verdrückt, weil er das Endspiel von der Tribüne aus sehen musste. Oliver Kahn lässt sich von seiner mitgereisten Frau trösten, Dreher sitzt allein in einer Ecke der Hotelbar und trinkt traurig Weißbier. Auch Michael Tarnat geht, noch lange bevor die Stimmung ihren Höhepunkt erreicht, auf sein Zimmer, legt sich ins Bett, zieht sich die Decke über den Kopf und fragt: »Warum?«

01:31:45 Uhr Das Bankett mündet in eine Party. Ottmar Hitzfeld und Michael Henke sitzen bei einem Glas Wein in der Lobby und diskutieren mit BVB-Manager Michael Meier, der extra zum Finale angereist ist, die Ereignisse. Thomas Linke schlürft mit Bayerns Edelfan Boris Becker und dessen Frau Barbara ein Pils. Jens Jeremies, Alexander Zickler, Markus Babbel und Mario Basler starten derweil durch. Markus Hörwick, dessen Familie mit nach Barcelona gereist ist, hat noch kein Wort mit seiner Frau gewechselt. Es geht um Schadensbegrenzung in der Außendarstellung. »Wir hatten Angst, dass einige Spieler ausflippen könnten.« Aber es bleibt ruhig.

Der Frust wird im Alkohol ertränkt und schlägt um in eine seltsame Euphorie – eine Feier, die Alexander Zickler bis heute als »meine beste Party beim FC Bayern« bezeichnet. Auf den Trümmern von Barcelona entsteht in diesem Moment ein noch stärkerer Zusammenhalt im Team. Stefan Effenberg wird sagen: »Die Niederlage im Finale in Barcelona hat die Truppe zusammengeschweißt – und auch das Selbstbewusstsein vieler Spieler gestärkt. Ich weiß nicht, ob Leute wie Zickler oder Linke im Elfmeterschießen im Finale 2001 angetreten wären – und getroffen hätten –, wenn sie die Erfahrung von 1999 nicht gemacht hätten.« 
 
Matthäus und Basler tanzen auf den Tischen

03:46:22 Uhr »Baby One More Time«, der aktuelle Hit von Britney Spears, geht über in Lou Begas »Mambo No. 5«. Lothar Matthäus und Mario Basler stehen auf den Tischen und grölen mit. Vor ihnen am Boden steht ein Chor aus den euphorisierten Profis Markus Babbel, Jens Jeremies und Alexander Zickler. Die sind friedlich, denkt sich Markus Hörwick, und erst jetzt spürt er, wie groß sein Hunger ist. Seit dem Nachmittagskaffee hat er nichts mehr zu sich genommen. Vielleicht gibt es irgendwo noch einen Imbiss. Hörwick geht auf die Straße vor dem Hotel. Er saugt die kühle Luft ein. Zwei Ecken entfernt erkennt der PR-Mann einen Würstchenstand, um den sich die Reste der Nacht scharen. Dort bestellt er ein Dosenbier mit Wurst. Er lauscht zwei Clochards, die sich auf Spanisch über irgendeine Belanglosigkeit streiten. Gegenüber lädt ein Bote einen Stapel Zeitungen vor einem Tabakladen ab. Ist das schon der neue Morgen da zwischen den Häuserfassaden?

03:59:12 Uhr Stefan Effenberg verabschiedet sich an seiner Zimmertür von Carsten Jancker und dem Chef der Adidas-Fußballabteilung, Alfred Eyrich. Zu dritt haben sie seit Stunden auf dem Zimmer des Spielmachers nach Erklärungen gesucht. Dass unten die Kollegen auf den Tischen tanzen und so ihren Frust kompensieren, will ihm nicht in den Kopf. Aber eine nüchterne Erklärung für eine solche Niederlage kann es auch nicht geben. In diesem Moment treibt Effenberg nur ein Gedanke um: »Ich will Revanche! Diese Niederlage gab mir den Kick zu sagen: Ich will noch einmal dahin, wo ich heute war – und gewinnen!«

12:10:59 Uhr Zwei Bayern-Fahnen klemmen am Cockpit der Lufthansa-Maschine, die die Gesandtschaft zurück nach München bringt. Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge meint wohl nicht den Flug, als er in den Mikrofonwald spricht: »Wir sind vom Himmel in die Hölle gestürzt.« Ottmar Hitzfeld versucht abzuwiegeln, durch die Schärfe seiner Worte erreicht er jedoch bei vielen das Gegenteil: »Kosovo! Hungersnot in Afrika! Es gibt so viel Leid auf der Welt. Es war doch nur ein Spiel.« Wenigstens hat der Kaiser sein Lächeln  am Flughafen »Franz-Josef Strauß« wiedergefunden: »Vergessen kann man des net«, jovialisiert er. »Es sei denn, man hat Alzheimer. Des wär‘ vielleicht net schlecht.« Die Journalisten lachen dienstfertig. In ihrem Rücken stehen zwei Kinder mit einem selbst bemalten Pappschild. »Kopf hoch, FC Bayern!«, steht darauf.

2001 gelingt die Revanche

3. April 2001, Manchester, 20:31:08 Uhr Sir Alex Ferguson, nach dem Triumph von Barcelona von der Queen zum Ritter geschlagen, dreht einen Korkenzieher in eine Flasche französischen Rotwein. In der Sitzecke seines Büros in »Old Trafford« hat Ottmar Hitzfeld Platz genommen. Es geht zu wie bei alten Freunden, die sich anlässlich ihres Wiedersehens endlich mal wieder einen edlen Tropfen genehmigen können. In gut 15 Minuten wird der spanische Schiedsrichter Antonio Jesus Lopez Nieto das Viertelfinal-Hinspiel der Champions League zwischen United und dem FC Bayern anpfeifen. Mal wieder. Doch es hat sich etwas verändert.

102 Sekunden in Barcelona haben aus Hitzfeld und Ferguson Freunde gemacht. Zwei herausragende Strategen, die eine Laune der Geschichte auf immer miteinander verbunden hat. Beim FC Bayern werden heute zehn Spieler auflaufen, die schon 1999 zum Kader gehörten – und Manchester United mit 1 : 0 besiegen. Der Auftakt zu einem triumphalen Saisonfinale: Gut sechs Wochen später wird der FC Bayern in Mailand den FC Valencia im Elfmeterschießen mit 5 : 4 niederringen – und Champions-League-Sieger sein. Das späte Happy End für das Drama in Katalonien. 25 Jahre nach dem letzten Gewinn des Landesmeisterpokals in Glasgow gegen AS St. Étienne. Ein Segen, wie Alexander Zickler weiß: »Denn hätten wir in Mailand nicht gewonnen, hätte der Olli noch bis 50 spielen müssen, um Barcelona zu vergessen.«

Mit freundlciher genehmigung von 11FREUNDE - das Magazin für Fußballkultur.

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