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© dpa

Eishockey: Acht Minuten Hoffnung

Der krebskranke Robert Müller kommt bei den Kölner Haien überraschend zum Einsatz - und wird gefeiert.

Es ist kurz vor halb fünf am Sonntagnachmittag in Köln, auf dem Eis der Kölnarena ist alles klar, das Spiel ist gelaufen. Die Kölner Haie haben einen ihrer besseren Tage erwischt, es steht 4:1 für den Vizemeister gegen die Nürnberg Ice Tigers. 13 134 Zuschauer sind gekommen, das ist viel für diese schlechte Saison in Köln. Sie sind zufrieden. Vor dem Spiel gab es einen herzlichen Empfang für Torwart Robert Müller, die Wunderkerzen erleuchteten die Schilder mit der Rückennummer 80. Die Leute riefen den Namen des krebskranken Torhüters, der am Freitag beim Spiel in Duisburg erstmals wieder auf der Spielerbank saß.

So war das auch für Sonntag geplant. Doch in der 52. Minute zieht sich Müller die Handschuhe an, greift den Stock, stülpt die Maske mit dem Kölner Stadtwappen über den Kopf. Im selben Moment schießen die Haie das fünfte Tor. Aber der Hallensprecher ruft erstmal: „Torwartwechsel bei den Kölner Haien. Im Tor mit der Nummer 80“ – und jetzt wird es so laut in der Arena Kölner wie im April, als die Haie gegen die Eisbären Berlin um die Meisterschaft kämpften.

Drei Monate nach der zweiten Operation wegen seines Hirntumors kehrt der 28 Jahre alte Müller in den Wettkampf zurück. Am vergangenen Montag hatte der „Spiegel“ erschütternde Details zum Krankheitsbild veröffentlicht. Robert Müller gilt als unheilbar krank. Jetzt steht Kölns Nummer 80 wieder da unten im Tor. Für die Zuschauer ist dies ein Augenblick, in dem die Hoffung über die düsteren medizinischen Fakten siegt. Müller schöpft daraus Kraft. Seine Liebe gehöre dem Lebensstil Eishockey, sagt er. Und: „Ich bin froh, dass ich das erlebe. Dass ich wieder spielen kann, das ist das Größte für mich.“ Niemand hat mit seinem Einsatz gerechnet, auch er selbst nicht. „Ich war perplex, als der Trainer kam und sagte, ich soll spielen.“

Clayton Beddoes, der junge Coach der Haie, hatte noch am Freitag Kurzeinsätze in nächster Zeit ausgeschlossen. Müller fehlt es noch an Fitness. Er habe mit seiner Frau darüber gesprochen, erzählt Beddoes am Sonntag, und es sei ja so: „Er braucht so viel Eiszeit wie möglich, um wieder unser Stammtorhüter zu werden“. Eigentlich sollte der 28-Jährige erst wieder im Kader auftauchen, wenn er voll einsatzfähig ist. Aber dann verletzte sich Ersatzmann Stefan Horneber.

Die Eiszeit dauert acht Minuten. Viel mehr schafft Müller wegen seines Fitness-Rückstands noch nicht. Ein einziger Puck verirrt sich in in dieser Zeit in seine Richtung, ein harmloser Befreiungsschlag der Nürnberger. Die Gäste greifen gar nicht an, es sieht aus, als habe jeder bei den Franken Angst, aus Versehen ein nutzloses 2:5 zu erzielen. Am Ende führt Müller die Ehrenrunde der Haie allein an.

Das Comeback sei ein „schöner Moment“, sagt Haie-Geschäftsführer Thomas Eichin, „den genießen wir. Aber morgen ist wieder Tagesordnung angesagt.“ Der Klub hat sich einwandfrei verhalten, seitdem bekannt wurde, dass Müller noch einmal operiert werden muss. Die Kölner haben einen Ersatzmann verpflichtet, der jederzeit für Müller den Platz räumt. Doch der Wirbel auf der Geschäftsstelle ist seit der „Spiegel“-Veröffentlichung gewaltig. Müller wünscht sich, behandelt zu werden wie jeder andere Spieler, und der Klub möchte das auch. Aber so leicht wird das nicht. Denn wie soll der Klub umgehen mit den Bergen von Medienanfragen? Mit den Hilfsangeboten von Ärzten, Heilern, vielleicht auch Scharlatanen? Wer will entscheiden, was gut ist, wer will filtern und die Verantwortung übernehmen? „Normalität?“, fragt Robert Müller am Sonntag nach der Begegnung gegen Nürnberg zurück in die Presserunde, „was ist Normalität für mich?“

Peter Vogel

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