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In ihrem Monoski rast Anna-Lena Forster die Piste runter.

© imago images/Mika Volkmann

Deutschlands Medaillenhoffnung: Anna-Lena Forster fährt fünfmal um Paralympics-Gold

Die Pandemie stürzte Mono-Skifahrerin Anna-Lena Forster in eine Sinnkrise. In Peking ruhen auf ihr die deutschen Medaillenhoffnungen.

An dieser Stelle berichtete das Team der Paralympics Zeitung, ein Projekt von Tagesspiegel und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Alle Texte zu den Spielen rund um Peking finden Sie hier. Aktuelles finden Sie auf den Social Media Kanälen der Paralympics Zeitung auf Twitter, Instagram und Facebook.

„Herzlichen Glückwunsch zu Gold!“ – in dem Moment, als Anna-Lena Forster zum ersten Mal ihren WM-Triumph realisiert, liest sie diese Zeilen. Festgehalten auf einem großen Plakat vor ihrem Elternhaus in Singen, mit dem sie nach ihren vier Titeln von Lillehammer Ende Januar von Familie und Freunden empfangen wird. „Da wurde mir bewusst: Krass, das waren die Weltmeisterschaften“, beschreibt die 26-Jährige diesen Moment. Mittlerweile liegt das Plakat eingerollt im Haus – aber es wartet nur darauf, zu ihrer Rückkehr aus Peking wieder aufgehängt zu werden.

An einem Morgen Mitte Februar blitzt auf ihrem Oberteil ein goldenes Wappenschild, das einen schwarzen Adler umrahmt. Es sei zwar nur „irgendein altes Einkleidungsteil“, erzählt sie lachend im Videocall und ihre Augen formen sich dabei zu Schlitzen. Doch lässt es erahnen, wie erfolgreich sie als Leistungssportlerin bisher bereits war.

Dabei hätten ihr wohl die wenigsten eine Profikarriere zugetraut. Forster, die von Geburt an kein rechtes und ein verkürztes linkes Bein hat, wächst in einer skiverrückten Familie auf. Mit sechs Jahren nehmen Vater Jürgen und Mutter Sybille sie zum ersten Mal mit auf die Skipiste ins Kaunertal. „Wir haben immer gesagt: Geht nicht, gibt’s nicht“, beschreibt Mutter Forster den Umgang mit der Behinderung ihrer Tochter. Deshalb wird die kleine Anna-Lena in einem von der ehemaligen Paralympics-Siegerin Gerda Pamler organisierten Schnupperkurs in einen Monoskibob gesetzt. Als Liebe auf den ersten Blick kann man ihre erste Begegnung mit dem Sportgerät allerdings nicht beschreiben. „Ich war am Anfang ein bisschen quengelig, weil es sehr kalt war und auch der Monoski noch nicht richtig gepasst hat“, erzählt Forster heute schmunzelnd. Bald jedoch entdeckt sie den Spaß am alpinen Sport. Pamler erkennt ihr Talent und bringt sie in den Kader der Para-Ski-Nationalmannschaft – zehn Jahre nach ihrem ersten Weltcuprennen darf sie sich nun fünfmalige Weltmeisterin und zweimalige Paralympicssiegerin nennen.

Corona hat Forster stark beeinflusst

In Peking soll sie mehr als nur die beiden Titel aus Pyeongchang verteidigen. „Wir reisen mit dem Anspruch rüber, dass sie in jeder Disziplin Gold holen kann“, sagt Bundestrainer Justus Wolf. Doch Mitte Februar steht aufgrund einer Erkältung erstmal eine Trainingspause an. „Jetzt heißt es erst mal auskurieren“, sagt sie verschnupft – und ein Glück sei es keine Corona-Erkrankung. Die wäre so kurz vor dem Abflug nach China das Worst-Case-Szenario.

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© imago images/Ralf Kuckuck

Bisher kommt Forster Corona-frei durch die Pandemie. Trotzdem hat sie das Virus in den vergangenen zwei Jahren stark beeinflusst – auch wenn der Trainingsbetrieb eigentlich gar nicht darunter litt. „Man hat sich schon gefragt, was sein Sport gerade eigentlich überhaupt wert ist, während die ganze Welt mit einer Pandemie zu kämpfen hat.“ Es sind ehrliche Worte. Forster spricht von mentalen Problemen und einer Traurigkeit, die sie über Monate hinweg begleitete. „Es ist so ein bisschen der Weltschmerz, der einen hemmt, beeinflusst und traurig macht.“ Durch Gespräche mit Teamkolleginnen und -kollegen, die mit ähnlichen Gedanken kämpfen, schafft sie den Weg aus dem negativen Loch.

Für Peking hofft Forster, dass der Sport im Vordergrund steht

Ihre Gedanken zur Corona-Pandemie zeigen ein anderes Bild der sonst so fröhlichen Sportlerin Anna-Lena Forster. Es zeigt das Bild einer jungen Frau, deren Interessen weit über den Sport hinausreichen. Und die etwas bewegen will: Seit kurzem ist sie Mitglied bei „Athleten Deutschland“, einem Verein, der für die Bedürfnisse deutscher Kaderathletinnen und -athleten eintritt. Ihre Stimme erheben, das möchte Forster in Zukunft öfter machen. Dass die Winterspiele in einem Land stattfinden, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten und die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde, „das belastet einen auch ein Stück weit“, gibt sie zu. Über einen persönlichen Boykott habe sie aber nie ernsthaft nachgedacht: „Dafür trainiere ich einfach zu hart und stecke da zu viel Zeit rein.“

Die Fahnenträger Anna-Lena Forster und Martin Fleig führten das deutsche Team bei der Eröffnungsfeier ins Stadion.
Die Fahnenträger Anna-Lena Forster und Martin Fleig führten das deutsche Team bei der Eröffnungsfeier ins Stadion.

© dpa

In Peking möchte sie sich mit scharfer Kritik allerdings zurückhalten. „Man hat schon ein bisschen Schiss, dass man etwas falsch macht – und man auch nicht weiß, ob das Konsequenzen hat“, sagt sie. Auch Mutter Forster wünscht sich, dass ihre Tochter „keine dicke Lippe riskiert“.

Beide hoffen, dass der Sport im Vordergrund steht. Mit „mindestens einer weiteren Goldmedaille“ will Anna-Lena Forster heimkehren. Die größte Chance hat sie im Slalom. Aber egal ob in ihrer Paradedisziplin oder in der Abfahrt, Super-Kombination, im Riesenslalom oder Super-G – eines ist sicher: Gewinnt sie in Peking ein Rennen, hängt das „Herzlichen Glückwunsch zu Gold“-Plakat wieder vor dem Haus und wird ihr dabei helfen, den nächsten großen Erfolg zu realisieren.

Magdalena Austermann

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