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Einsamer Entscheider: Louis van Gaal.

© dapd

Bayern München: Louis van Gaal: Allein vorm Tor

Nach dem Torwartwechsel könnte es die letzte Rückrunde für Bayerns Trainer Louis van Gaal werden. Es ist nun allein sein personelles Konzept, zu dem es keine Alternative mehr gibt.

Seinen Spitznamen kann man sich in der Regel nicht aussuchen, das weiß zuallererst Thomas Kraft. „Protz“ wird er genannt, was zusammen mit seinem Nachnamen ein eher mäßig gelungenes Wortspiel darstellt. Überhaupt hat die Person Kraft recht wenig von einem Protz: Der junge Torwart ist eher athletisch als aufdringlich muskulös, von Ausmaßen wie beim Bremer Tim Wiese, den man ruhigeren Gewissens als Protz bezeichnen könnte, ist Kraft weit entfernt. Dazu kommt sein kritisches, vor allem aber bescheidenes Auftreten. Er liebt Hunde, spielt gern Billard, ist mit 22 Jahren jung verheiratet. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Sache offen ist“, hatte Kraft in Doha gesagt, als sein Trainer Louis van Gaal durchblicken ließ, dass er zur Rückrunde einen Torwartwechsel vollziehen will. Ein Protz hätte anders reagiert.

Zum Start der Rückrunde am Samstagnachmittag wird Kraft beim VfL Wolfsburg tatsächlich im Tor des FC Bayern stehen. Nach einer Winterpause, die den Münchnern im Wüstenemirat viele positive Nachrichten brachte, ist dies sicher die überraschendste. „Kraft hat sich in den vergangenen Monaten in vielen Bereichen im Torwartspiel weiterentwickelt. Ich denke, dass wir mit ihm im Tor weiterkommen“, bekräftigte van Gaal in dieser Woche seinen Entschluss. Zudem habe er „sehr großes Vertrauen, dass er mit dem Druck im Tor umgehen kann“.

Für van Gaal beginnt in Wolfsburg auch die persönliche Jagd nach der Bestätigung. Der Trainer hat viel riskiert, junge Leute integriert, immer wieder betont, wie gut er mit diesen Spielern arbeiten könne. Kraft ist nur der Gipfel dieser Entwicklung – zuvor gab es Holger Badstuber, Breno und Diego Contento, von Thomas Müller und Toni Kroos ganz zu schweigen. Um dies durchzusetzen, hat er sich mit der Vereinsführung angelegt: Erst argumentativ, als er Sportdirektor Christian Nerlinger und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge im Sommer davon überzeugte, dass kein millionenschwerer Linksverteidiger auf dem Markt besser sei als der junge Contento (um nun doch Luiz Gustavo zu verpflichten). Dann vor allem provokativ, als er den Torwartwechsel im Alleingang beschloss und gegen große Widerstände im Verein durchdrückte.

Die Gemengelage verdeutlicht, dass die Rückrunde 2011 eine sehr entscheidende für van Gaal wird. Es ist nun allein sein personelles Konzept, zu dem es keine Alternative mehr gibt. Schafft er es, den Rückstand auf Dortmund signifikant zu verringern, Inter Mailand in der Champions League zu besiegen, doch noch einen Titel zu holen – er könnte den Wendepunkt dieser schwierigen Post-WM-Spielzeit offensiv für sich reklamieren. Scheitert das Jugendprogramm des Niederländers jedoch, dürfte er in München am Ende sein.

Dafür spricht auch, dass er durch den Alleingang von Doha offensichtlich einen wichtigen Fürsprecher verloren hat. In den schwierigen Momenten der Hinrunde stellte sich Sportdirektor Nerlinger stets vor van Gaal, erbat der Mannschaft Zeit; beschrieben wurde oft, wie eng das Vertrauen zwischen Nerlinger und van Gaal einerseits sowie van Gaal und den Spielern andererseits sei. In Doha zeigte sich Nerlinger geradezu entsetzt, dass er von van Gaals Entscheidung nicht vorab in Kenntnis gesetzt wurde. Was er in erster Reaktion andeutete, hatte es so bislang nicht gegeben: Sportdirektor Nerlinger wollte den Entschluss seines Trainers zunächst nicht mittragen.

Nun kommt jedoch Wolfsburg – und zumindest die Münchner Rhetorik-Maschine läuft, als wäre nichts gewesen. „Wenn man uns in Katar gesehen hat: Wir haben die beste Mannschaft Deutschlands“, sagte Nerlinger und schob mit Blick auf Tabellenführer Dortmund hinterher: „Wenn sie Schwäche zeigen, werden wir da sein.“ Auch Mario Gomez wiederholte am Freitag noch mal: „Wenn wir eine Serie schaffen, ist die Hoffnung natürlich da.“ Ein Auftaktsieg beim VfL Wolfsburg käme da zupass. Wenn nötig, auch ein wenig dreckig wie im Hinspiel. Da traf Bastian Schweinsteiger erst in der Nachspielzeit, doch die Bayern siegten 2:1.

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