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36. Berlin-Marathon

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Berlin-Marathon: Ronny Ziesmer: Botschafter im Handbike

Der querschnittsgelähmte frühere Turner Ronny Ziesmer hält beim Berlin-Marathon mit seinem Handbike durch - und träumt jetzt von den Paralympics.

Berlin - Das Gute an Ronny Ziesmers neuem Sport ist das Ziel. Wenn er es erreicht, dann weiß er, dass er es wirklich geschafft hat und muss nicht noch auf die Übungen seiner Konkurrenten warten. Außerdem ist er am Sonntag im Ziel schon erwartet worden von seiner Freundin, die ihn gleich mit einem Kuss empfing. Als Belohnung, den ersten sportlichen Wettbewerb seit fünf Jahren gemeistert zu haben.

Der ehemalige Turner Ronny Ziesmer ist bei den Handbikern angekommen, nach 2:09:22 Stunden. Ein routinierter Begleiter fuhr mit ihm über die Strecke, der 63 Jahre alte Paralympics-Sieger Heinrich Köberle. Mit ihm wechselte sich Ziesmer beim Windschattenfahren ab, ganz am Ende aber ließ Köberle Ziesmer vorfahren. „Physisch war die Belastung kein Problem, aber vom Kopf her ist die Strecke eine Herausforderung. Die schlimmste Minute meines Lebens war die letzte Minute vor dem Start“, sagte Ziesmer.

Der Sinngehalt eines Marathons, dass jeder im Ziel ein Sieger ist, betrifft Ziesmer ganz besonders. Seit einem Trainingsunfall in der Olympiavorbereitung 2004 ist er von der Halswirbelsäule an abwärts gelähmt und kann nur noch ganz wenige Bewegungen ausführen, etwa den Arm anwinkeln. So kann er auch die Kurbel des Handbikes bedienen. Seine Geschichte hat auch die Zuschauer an der Strecke interessiert, sie jubelten ihm zu, und der 30 Jahre alte Ziesmer sagte: „Es jagt einem der Schauer über den Rücken, wenn man an den vielen Zuschauern vorbeifährt.“

Es ging ums Meistern des Marathons, 42,195 Kilometer durchzuhalten, aber Reiner Pilz, der die Rollstuhl- und Handbikewettbewerbe organisiert, wollte dennoch Ziesmers Leistung bewerten: „Er ist eine Zeit gefahren, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte. Ich hatte eher mit drei Stunden gerechnet.“ Der schnellste Handbiker Torsten Purschke war am Sonntag nach 1:05:47 im Ziel.

Pilz sieht Ziesmer jetzt als neuen Botschafter dieser Sportart. „Das ist gut für uns, wenn ein so prominenter Athlet hier mitfährt.“ Das Handbike ist nun jedenfalls Ziesmers wichtiges Sportgerät. Erst in den vergangenen Jahren kam das Handbike groß heraus. „Es ist das ideale Sportgerät für die Masse“, sagt Heinz Frei, Paralympics-Sieger und Weltmeister im Handbike, der aber den Berlin-Marathon wieder im Rollstuhl gewonnen hat, in 1:28:36. „Du kannst dich reinsetzen, die Kurbel in die Hand nehmen und einfach losfahren. Da musst du nicht lange ausprobieren wie im Rennrollstuhl, bis du die ideale Sitzposition gefunden hast und die richtigen Handschuhe“, sagt Frei. Wegen dem Kurbelantrieb gehört Handbikerrennen daher zum Radsport, Rennrollstuhlfahren dagegen zur Leichtathletik.

Die Zahlen der Rennrollstuhlfahrer gehen immer weiter zurück, die der Handbiker nehmen zu, auch Ziesmers Begleiter Köberle fuhr früher im Rennrollstuhl. Mit Ziesmer gibt es nun einen bekannten Handbiker mehr. „Diesen Marathon habe ich gemacht, um mich mit dem Virus zu infizieren“, sagte Ziesmer und es klang, als sei er tatsächlich angesteckt. Ziele bieten sich ihm viele. „Jeder Sportler strebt nach dem Höchsten. Das sind die Paralympics“, sagte er, „ob es schon London 2012 wird, weiß ich aber noch nicht.“ Vorher findet jedenfalls noch zwei Mal der Berlin-Marathon statt. Friedhard Teuffel

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