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Sport: Chiffre für Torgefahr

Hertha BSC schätzt und fürchtet Jan Koller – deshalb will Dieter Hoeneß Dortmunds Stürmer verpflichten

Jan Koller, der Stürmer von Borussia Dortmund, hat ziemlich konkrete Vorstellungen von seiner Zukunft. Zumindest für die fernere Zukunft. Der Tscheche hat längst angekündigt, dass er nach Abschluss seiner Profikarriere wieder für seinen Heimatklub AFK Smetanova Lhota in der südböhmischen Provinz spielen werde. Wenn Koller auf Heimaturlaub ist, kickt der gelernte Werkzeugmacher wie früher mit seinen alten Kumpels. Ob es auf dem Weg von Dortmund nach Lhota noch einen Zwischenstopp geben wird, ist inzwischen fraglich. Bisher galt Koller immer als Rückversicherung der finanziell gebeutelten Dortmunder. Doch während Spielmacher Tomas Rosicky bei einem entsprechenden Angebot im Sommer zum Verkauf steht, ist Koller von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in den vergangenen Wochen mehrmals als „unverkäuflich“ bezeichnet worden.

Bei Dortmunds heutigem Gegner Hertha BSC hört man das gar nicht gern. Manager Dieter Hoeneß sagt: „Wir machen keinen Hehl daraus, dass er ein Spieler ist, der uns helfen würde. Er verkörpert das, was uns weiterbringen würde.“ Dass Hertha den Tschechen in Augenschein genommen hat, ist durchaus verständlich: Koller, der am Donnerstag 32 Jahre alt geworden ist, schießt anders als Herthas Angreifer nicht nur Tore, er ist auch charakterlich gefestigt. „Jan läuft sehr viel und bestreitet unglaublich viele Zweikämpfe“, sagt Trainer Bert van Marwijk. „Er ist einer meiner wertvollsten Spieler.“ Umso ärgerlicher ist es für den BVB, dass Koller heute im Westfalenstadion (17.30 Uhr) vermutlich nicht spielen kann. Vor zwei Wochen zog er sich einen Muskelfaserriss zu, gestern brach Koller das Abschlusstraining ab. Allerdings muss auch Hertha auf wichtige Spieler verzichten: Yildiray Bastürk und Andreas Neuendorf sind nicht mit nach Dortmund gefahren, der Einsatz von Josip Simunic ist sehr fraglich.

„Ich hätte nichts dagegen, wenn er gegen uns nicht dabei ist“, sagt Hoeneß über Koller. Hertha schätzt den Tschechen nicht nur, die Berliner fürchten ihn auch. In sieben Spielen gegen Hertha hat Koller vier Tore erzielt, zuletzt im Hinspiel, als er Hertha mit seinem Treffer kurz vor der Pause die einzige Heimniederlage dieser Saison bescherte. Jan Koller erfüllt genau das Anforderungsprofil, das Hoeneß für den neuen Angreifer erstellt hat. Herthas Manager fahndet nach einem Strafraumstürmer, der für zwölf bis fünfzehn Tore pro Saison gut ist. Seitdem Koller für Dortmund spielt, hat er immer mehr als zehn Saisontore erzielt (11, 13, 16), in dieser Spielzeit sind es auch schon wieder elf.

Doch Koller wartet nicht nur ausschließlich im Strafraum auf Eingaben; dank seiner fußballerischen Fähigkeiten ist er auch als Anspielstation wertvoll. Hinzu kommt seine – bei 2,02 Meter Körpergröße nicht ungewöhnliche – Kopfballstärke, die er bei Bedarf auch in den Dienst der Defensive stellt.Beim BVB hat es Koller mit seiner Art inzwischen zum Liebling der Fans gebracht. Liebe auf den ersten Blick war die Liaison zwischen dem Umfeld und dem Mann, der 2001 für 21 Millionen Mark aus Anderlecht gekommen ist, allerdings nicht. Weil er anfangs einige Chancen verstolperte, hat es eine Zeit gedauert, bis Koller akzeptiert wurde. Für ihn selbst ist das nicht neu. Auch in seiner Heimat galt der Stürmer lange als minderbegabt. Als Jürgen Sundermann bei Sparta Prag als Trainer arbeitete, setzte er Koller in der Reserve ein.

„Wir befinden uns derzeit nicht in konkreten Gesprächen“, sagt Dieter Hoeneß. Die Frage ist, ob Herthas Interesse an Koller wirklich ernst ist oder ob der Tscheche mit seinen Fertigkeiten nur als Chiffre herhalten muss. Immerhin müsste Hertha Koller aus seinem laufenden Vertrag herauskaufen. Möglicherweise dient der Name Koller auch nur der Ablenkung, damit Hoeneß in Ruhe den europäischen Markt sichten kann. Und möglicherweise wird aus Koller am Ende doch nur sein Landsmann Vratislav Lokvenc.

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