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Eine Hand an der Urne. Australiens Kapitän Michael Clarke (rechts) und Englands Alastair Cook kämpfen ab heute mit ihren Teams um die wohl kleinste Trophäe der Welt.

© REUTERS

Cricket: Ein Kampf um Asche

Es gibt im englischen Sport kein Ereignis, das mit so vielen Mythen, Geschichte und Romantik verbunden wird wie "The Ashes": Das historische Cricket-Duell zwischen England und Australien geht jetzt in eine neue Runde.

Wenn man vom britischen Premierminister in Downing Street Nummer 10 begrüßt wird, sollte man nicht besoffen sein.

Freddie Flintoff war das aber egal. Dem Premierminister und der ganzen Nation ebenso. Am 13. September 2005 war Flintoff alles erlaubt. Er war der Held eines glorreichen Sommers, in dem England nach fast zwei Jahrzehnten endlich wieder Australien im Cricket besiegt hatte. Englands größter sportlicher Rivale war geschlagen, und „The Ashes“, die Trophäe für dieses Duell kam zurück nach Hause.

Es gibt schließlich für einen englischen oder australischen Cricketspieler keinen wertvolleren Pokal als die nur elf Zentimeter kleine Urne, die der Sieger dieser regelmäßig ausgetragenen Serie zwischen England und Australien erhält. Von heute an geht es im australischen Sommer wieder los. England freut sich darauf nicht nur, weil es die Serie so dominiert wie lange nicht. Es gibt vor allem im englischen Sport kein Ereignis, das mit so vielen Mythen, Geschichte und Romantik verbunden wird wie „The Ashes“.

Es begann alles im Sommer 1882, als Australien zum allerersten Mal in England die Serie gewann. Die australische Presse schrieb damals, das englische Cricket sei tot: „Die Leiche wird verbrannt, die Asche nach Australien gebracht.“ Als der damalige englische Kapitän Ivo Bligh Graf von Darnley im folgenden Winter seine Mannschaft nach Australien führte, versprach er „diese Asche wieder zu erobern“ – und so spielt man seither um „The Ashes“: Um Asche, die sich seit 1883 in einer kleinen Terrakotta-Urne befindet. Es ist ein sportlicher Wettstreit mit kolonialen Wurzeln und unendlicher Spannung.

Im schlechtesten Fall ist Cricket vielleicht der langweiligste Sport der Welt. Ein Spiel dauert fünf Tage, und weil diesmal in Australien gespielt wird, müssen Europäer zwischen 1 Uhr nachts und 8 Uhr morgens wach sein, um einen Spieltag zu sehen. Im besten Fall gibt es nichts Schöneres als Cricket. Das Duell zwischen Werfer und Schläger, der sich langsam entwickelnde mentale Kampf und die feine Balance zwischen der individuellen Leistung und der der Mannschaft sind sowohl einzigartig wie süchtigmachend. „The Ashes“ ist wie eine Droge.

Wer denkt, dass Cricket oder The Ashes ein ruhiges Ereignis sei, hätte einmal den früheren englischen Werfer Steve Harmison sehen sollen, als er den Ball mit einer Geschwindigkeit von 141 Stundenkilometern ins Gesicht des Australiers Ricky Ponting warf. Da warf kein Gentleman, da ging es einfach um eine der erbittertsten Rivalitäten des Weltsports.

Diese Rivalität spiegelt dennoch perfekt den viel zitierten Geist des Crickets. Natürlich wird hart gekämpft. Natürlich gibt es Beschimpfungen zwischen „Aussies“ und „Poms“. Der Engländer Stuart Broad wurde vor dem heutigen Serienauftakt in einer Zeitung in Australien als „der Teufel selbst“ beschrieben, während die englischen Fans sich immer darüber freuen, ihren Gegner mit Liedern wie „God Save Your Queen“ oder „We Fucked Matilda“ zu verspotten.

Man muss aber bei „The Ashes“ wie bei jedem Cricketspiel nicht nur gewinnen, sondern auch fair gewinnen – sonst feiert niemand mit. Deswegen wurden die englischen Werfer so verdammt, als sie in der „Bodyline“-Serie der 30er Jahre erstmals aus taktischen Gründen versuchten, absichtlich den Körper des Schlägers zu treffen. Und der ehemalige australische Kapitän Ponting war in England so verhasst, weil er oft zu tricksen versuchte.

Die Rivalität wird jedoch nicht vom Hass gestärkt, sondern vom Sport. Wie der englische Satiriker P.G Wodehouse einst betonte: Cricket ist manchmal besser für den Zuschauer. Und als Zuschauer gibt es nichts Besseres als The Ashes.

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