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Beurlaubt: HSV-Trainer Thorsten Fink.

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Update

Das Chaos beim Hamburger SV: Heute so, morgen so

Nach der Entlassung von Trainer Thorsten Fink sucht der Hamburger SV nach einem Weg aus dem Chaos. Interimstrainer Rodolfo Esteban Cardoso wird den HSV am Samstag gegen Werder Bremen betreuen.

Es wirkte am Ende so, als bettele Thorsten Fink um seine Entlassung. Dass er am Tag nach der 2:6-Niederlage bei Borussia Dortmund zur Familie nach München flog, sorgte beim Hamburger SV für ein Höchstmaß an Verwunderung. Auf der Rückreise in den Norden konnte sich Fink dann schon überlegen, was er seinen Spielern zum Abschied sagen würde. Am Montagabend rief ihn Sportchef Oliver Kreuzer an und informierte Fink darüber, dass er von seinen Aufgaben als Cheftrainer des HSV entbunden sei. Am Dienstag um 10 Uhr verabschiedete Fink sich von seinen Profis und beendete die Zusammenarbeit mit dem Klub, bei dem in den vergangenen beiden Jahren endgültig das Chaos Einzug gehalten hat.

Dienstagmittag begründete der erst im Sommer hinzugekommene Kreuzer die Entlassung Finks: „Wir haben einen Fehlstart hingelegt, in den Spielen nicht überzeugt, keine Konstanz gezeigt. Wir haben keine klare Linie erkennen können. Es war ein Wirrwarr zu sehen. Thorsten hatte nicht mehr die Power, den Umschwung zu schaffen.“ Vorerst werden die Ex-Profis Rodolfo Cardoso und Otto Addo das Training leiten.

Das Fass zum Überlaufen brachte Finks wunderliche Taktik im Dortmund-Spiel: Er versuchte es mit einer Dreierkette, bestehend aus drei Innenverteidigern. Die Zweifel an Finks taktischen Fähigkeiten wuchsen. Fink behauptete, er habe das Spielsystem lange proben lassen. Insider hatten diese taktische Ausrichtung erst in den letzten Einheiten vor dem Spiel erstmalig gesehen. Das 2:6 war die siebte Niederlage mit vier oder mehr Toren Unterschied in den 64 Ligaspielen unter Fink. Da der HSV nach dem Zwischenhoch mit dem 4:0 gegen Eintracht Braunschweig durch die Niederlage beim BVB schon wieder bis auf Platz 15 gefallen war, reagierten Kreuzer und Klubchef Carl Edgar Jarchow nun wenige Tage vor dem Nordderby gegen Werder Bremen am Samstag.

Eine Handschrift des Trainers Fink war nie zu erkennen

Der 45 Jahre alte Fink war im Oktober 2011 auf Michael Oenning gefolgt und hatte den HSV auf Rang 18 übernommen. Unter dem neuen Trainer erreichten die Hamburger relativ rasch das rettende Ufer. Nach einem Fehlstart vor einem Jahr halfen die teuren Transfers um Rafael van der Vaart dem HSV aus dem Keller und auf Rang sieben der Abschlusstabelle. Nun sollte mit Fink die Europa League angesteuert werden.

Der HSV ist einer der kompliziertesten Vereine der Liga; das Leben als Cheftrainer hier ist gewiss nicht einfach, von überall her wird Einfluss genommen. „Ich hatte noch keinen einzigen Monat, in dem ich in Ruhe arbeiten konnte“, sagte Fink einmal. Das stimmt. Doch unterm Strich bleibt er der Coach mit dem schlechtesten Punkteschnitt pro Spieltag der vergangenen Jahre (1,28 Punkte). Seine Handschrift war nie zu erkennen, oft wurde man das Gefühl nicht los, dass sich sein Coaching auf rudernde Armbewegungen beschränkte, wo ein taktisch kluger Wechsel angezeigt gewesen wäre. Während der Vorbereitung hatte Thorsten Fink ein 4-2-3-1 zum HSV-System der Zukunft erklärt. Doch so ließ er nur einmal spielen in fünf Bundesliga-Partien. Allein in Dortmund ordnete er seine Elf in drei verschiedenen Grundformationen an. Der HSV hat die meisten Gegentreffer der Liga hinnehmen müssen – trotz René Adler im Tor. Die Mannschaft suchte nach Orientierung. Fink aber probierte und probierte.

Anfangs wirkte er noch wie ein Macher mit klaren Linien. Er schien das millionenschwere Team um das Auslaufmodell van der Vaart, den Einzelgänger Adler und den überschätzten Heiko Westermann im Griff zu haben. Doch sein Konfliktmanagement im Fall des wegen einer Trainingsprügelei suspendierten Slobodan Rajkovic oder zuletzt bei der Wiedereingliederung aussortierter Spieler war verheerend: heute so, morgen so.

So kam es, dass ausgerechnet derjenige, den doch Fink unbedingt wollte – Sportchef Kreuzer – von der Wankelmütigkeit Finks profitierte und sich auf seine Kosten als Hardliner profilieren konnte. Der Mann, der seine Jobgarantie werden sollte, wurde Thorsten Fink letztlich zum Verhängnis. Es spricht für Oliver Kreuzer, dass er sein Arbeitsverhältnis mit dem HSV vor seine freundschaftliche Beziehung zu Fink gestellt hat.

Jetzt kommt Kreuzers nächste Prüfung. „Mit Nachdruck“ soll der nächste Coach her. Seinen ehemaligen Mitspieler bei den Bayern, Markus Babbel, soll er ebenso kontaktiert haben wie Franco Foda, einst Kollege bei Sturm Graz.

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