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Sport: Der entfernte Kontinent

Südkorea raus, Iran raus, Japan raus – die hoch gelobten Asiaten sind an mangelnder Qualität gescheitert

Plötzlich war es still geworden in der Fankurve der Südkoreaner. Stundenlang hatten sie ohne Pause ihre Lieder gesungen, und als die letzten Minuten im Spiel gegen die Schweiz liefen, wurde der asiatische Chor noch einmal hysterisch laut. Dann war es vorbei, 0:2 gegen die Schweiz, und die Erkenntnis, dass Südkorea nun ausgeschieden war, traf alle wie ein Keulenschlag. Der beste Südkoreaner, Chun-Soo Lee, vergrub seine blond gefärbten Haare zwischen den Knien und saß minutenlang regungslos auf dem Platz.

Am Freitagabend in Hannover scheiterte die letzte Hoffnung aus Asien. Der Halbfinaleinzug der Südkoreaner bei der letzten WM im eigenen Land hatte im Land und auch in anderen Teilen des Kontinents eine bislang ungekannte Fußball-Euphorie ausgelöst. Doch der Absturz der Südkoreaner steht exemplarisch für ein Problem: Die Erwartungen in Asien sind viel größer als die Fähigkeiten der Teams. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit konnten auch die Nakatas (Japan), Karimis (Iran) oder Lees (Südkorea) nicht überbrücken.

Südkoreas Trainer Dick Advocaat war ein schlechter Verlierer und sprach davon, dass der Schiedsrichter vor allem Entscheidungen gegen Südkorea getroffen habe, aber seine Analyse über die Zukunft des Fußballs in Südkorea steht stellvertretend für alle asiatischen Teams. „Solange die heimische Liga nicht internationales Top-Niveau erreicht, wird man Schwierigkeiten haben, bei Weltmeisterschaften mitzuhalten – trotz der großen Talente mit ihrem großen Potenzial.“

Ähnlich hatte sich auch Japans Trainer Zico geäußert: „Auf Dauer wird es international nicht aufwärts gehen, wenn das asiatische Niveau weiterhin limitiert bleibt.“ Auch Zico meinte keineswegs die mangelnde individuelle Klasse der Spieler, sondern die Schwäche der Liga. Als nach dem 1:4 gegen Brasilien Nakata untröstlich auf dem Rasen gelegen hatte, sagte Zico über den in Japan so Verehrten, Nakata habe womöglich gespürt, wie groß der Unterschied tatsächlich noch sei. Gleichzeitig riet Zico jedem Spieler in Japan, sich wie Nakata ständig mit den Besten zu messen und an sich zu arbeiten.

Talent und scheinbar grenzenloser Wille sind vorhanden, trotzdem war im Jahr 2006 spieltaktisch kein großer Fortschritt bei Japan und Südkorea im Vergleich zur letzten WM zu sehen. Das mag einerseits an den ständig wechselnden Trainern liegen, die jeweils mit eigenen Vorstellungen an die Arbeit gehen. Andererseits liegt es auch an der mangelnden spieltechnischen Variabilität und fehlender individueller Klasse. Die Spieler Japans etwa halten sich bewundernswert diszipliniert an die taktischen Vorgaben ihres Trainers Zico, und das ist auch ihr großes Problem: Sie spielen immer das gleiche Tempo, zeigen keine Flexibilität im Spielaufbau, und vor dem Tor agieren sie hektisch und unkonzentriert.

Irans Trainer Branko Ivankovic hatte vor dem Turnier gesagt, der Respekt vor dem asiatischen Fußball sei in der Welt immer noch nicht sehr hoch, er wolle dazu beitragen, dass das anders wird. Wenn man sehr kritisch sein will, dann muss man sagen: Selbst das haben die Teams nicht geschafft, spieltaktisch gesehen, eben weil sie noch zu leicht auszurechnen sind. Die Franzosen spielten zwar nur 1:1 gegen Südkorea, aber das Ergebnis entsprach wirklich nicht dem Spielverlauf.

Am unglücklichsten aber verlief das Turnier ganz sicher für Iran, und das Nachtreten des Sportministeriums lässt nichts Gutes ahnen für die Zukunft. Ivankovic hatte es als „Pflicht angesehen, angesichts der politischen Situation und dem schlechten Image Irans in der Welt, mit dem Fußball einen Beitrag zu leisten, damit das iranische Volk stolz sein kann“.

Nach dem Ausscheiden entließ das Ministerium Verbandspräsident Dadkan, ohne ihn zu informieren. Ivankovic hatte schon selbst angekündigt, seinen auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Präsident Mahmud Ahmadinedschad soll auf Druck der Parlamentarier einen offenen Brief veranlasst haben, in dem stand: „Wir entschuldigen uns bei der iranischen Nation dafür, dass ihr Stolz verletzt wurde.“ Die Sportmedien gingen noch weiter und schrieben: „Dank des Verbandspräsidenten und des Trainers wurde aus der besten iranischen Mannschaft aller Zeiten die schlechteste der Gruppe.“

In Hannover, wo die disziplinierten südkoreanischen Fans artig Rot an Rot mit den Schweizern feierten, wollte derweil der Holländer Dick Advocaat noch nichts über seine Zukunft sagen. Wahrscheinlich aber ist, dass nach Ivankovic und Zico auch er Abschied nehmen wird. Dann werden neue Trainer kommen und versuchen, in vier Jahren ein Team aufzubauen, das Asien den Respekt der Fußballwelt einbringt. Konstanz ist etwas anderes, aber wie sagte Südkoreas Torwart Woon- Jae Lee philosophisch: „Das Spiel ist aus, und wir müssen uns auf die nächste WM vorbereiten. So einfach ist das.“

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