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Sport: Deutsche Eishockey-Liga: Kurze Flüge, dickes Gehalt: Warum nordamerikanische Profis in die DEL wechseln

Kulturschock? Richard Shulmistra schüttelt den Kopf.

Kulturschock? Richard Shulmistra schüttelt den Kopf. "An den Zigarettenrauch im Stadion und das Getrommel der Fans muss ich mich erst noch gewöhnen", sagt der neue Torhüter des EHC Eisbären, "aber ansonsten ist Eishockey hier nicht anders als zu Hause."

Zu Hause, das sind für viele der kanadischen Spieler in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) die USA. Das gilt auch für Shulmistra. Sein Zuhause: Sudbury, Bundesstaat Ontario, Kanada. 31 ist er jetzt, und als Profi hat er die halbe USA abgeklappert, zwölf Stationen insgesamt. Eishockey ist Sportart Nummer eins in Kanada, aber ans große Geld kommen die Profis nur im Ausland. In einem US-Klub der NHL zum Beispiel. 30 Mannschaften sind in der NHL vertreten, ein ganzes Heer von Kanadiern spielt in dieser Top-Liga, aber nur sechs Teams der NHL sind in Kanada beheimatet.

Und wenn es für einen Einsatz in der NHL nicht reicht, dann spielen diese Kanadier wenigstens in der DEL. Dort sind inzwischen alle bayerischen Traditionsklubs verschwunden. Und längst gilt in der Deutschen Eishockey-Liga: Man spricht Englisch. 140 Spieler in der DEL kommen aus Nordamerika, mehr als 100 von ihnen sind Kanadier.

Erstaunlich, wirklich erstaunlich. Denn die Struktur der DEL ist selbst verglichen mit der IHL, der Liga unterhalb der NHL, so schlecht, dass Profis aus Übersee die Hände über dem Kopf zusammenschlagen müssten. Wie, bitteschön, soll man einem Profi wie Shulmistra die Halle des Sportforums in Hohenschönhausen nahe bringen, ohne dass der Kanadier denkt, man mache mit ihm eine Stadtführung durch die Abbruchviertel von Berlin? In Nordamerika wird Profi-Eishockey nur in modernsten Hallen gespielt, vor dem Sportforum fragte Shulmistra entsetzt: "Ist die Halle 50 oder 100 Jahre alt?"

Na, wenigstens ist er nicht gleich umgedreht. Mit Tom Pederson hätte man das nämlich nicht machen können. Der Kanadier, Ex-NHL-Spieler, buchte 1998 sofort den Rückflug nach Hause. Die Verantwortlichen der Hannover Scorpions hatten ihm mit verwegenem Mut vor Vertragsunterschrift die Mellendorfer Eishalle gezeigt. Pederson hatte erst gedacht, die Deutschen hätten ja doch Sinn für guten Humor. Leider aber war die Auskunft, hier spiele Hannover Eishockey, ernst gemeint.

Doch die meisten nordamerikanischen Profis haben mehr Leidensfähigkeit als Pederson. Geld ist ein gutes Mittel, um auf mehr Komfort zu verzichten. In der DEL verdienen Profis mehr als in der IHL, außerdem müssen sie in Deutschland zu Auswärtsspielen nicht nach stundenlangen Flügen einschweben. Und es gibt erheblich weniger Saisonspiele in der DEL als in Nordamerika. "Als ich jünger war, habe ich mir gesagt, mit 30 gehst du nach Europa", sagt Shulmistra. "Hier ist der Lebensstandard gut, und du kannst Dinge erfahren, die du nur aus Büchern kennst."

Fehlte nur noch der Hinweis, er hätte sich nach dem Schiller-Museum in Weimar gesehnt. Um Geld geht es, um nichts anderes, aber das ist ja auch in Ordnung. Sicher, diese Ausländer nehmen deutschen Spielern die Plätze weg, das haben früher viele Kritiker bemängelt. Sie sahen für die Nationalmannschaft fürchterliche Perspektiven. Das war ja nicht völlig falsch, aber andererseits sparen diese Legionäre aus Übersee inzwischen den Klubs viel Geld. Noch Anfang der 90er-Jahre und zu Bundesliga-Zeiten trieb sich die Düsseldorfer EG bei der Jagd nach den wenigen guten deutschen Spielern mit horrenden Gehältern in den Ruin. Nationalspieler Gerd Truntschka kassierte damals pro Saison rund 700 000 Mark. Und der tschechische Superstar Robert Reichel steckte in der Saison 95/96 bei den Frankfurt Lions zwei Millionen Mark brutto ein. Heute ist so etwas undenkbar. Die Eisbären zum Beispiel, die heute die Mannheimer Adler empfangen (Spielbeginn 18 Uhr 30, Sportforum Hohenschönhausen), könnten sich angesichts ihres aktuellen Spieler-Etats nicht einmal drei Akteure mit dem damaligen Gehalt eines Robert Reichel leisten.

Und? Ist das schlimm? Ist es natürlich nicht.

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