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Der Erneuerer kommt zurück. Löw hat sich für nächstes Jahr einiges vorgenommen.

© dpa

Deutsche Nationalmannschaft: Hinter Gibraltar geht’s weiter

Vor dem letzten EM-Qualifikationsspiel in diesem Jahr denkt Bundestrainer Joachim Löw an umfassende Neuerungen.

Am Donnerstagnachmittag um kurz nach zwei stand der Fußballverband von Gibraltar unmittelbar vor der größten Sensation seiner jungen Geschichte. Ein Sieg gegen den amtierenden Weltmeister schien plötzlich für einen Moment im Bereich des Möglichen. Es war der Moment, in dem Joachim Löw scheinbar leichtfertig ankündigte, er werde in der EM-Qualifikation gegen Gibraltar schon zur Pause einige Wechsel vornehmen. Einige? Es hörte sich an, als wäre Löw bei den Regularien nicht ganz auf der Höhe. Denn auch wenn es sich anders anfühlen mag – das Aufeinandertreffen in Nürnberg ist kein Freundschafts-, sondern ein Pflichtspiel. Aber noch bevor in Gibraltar der große Jubel ausbrechen konnte, ergänzte Löw, dass er ja „leider nur drei“ Spieler austauschen könne. Dass ihm heute Abend ein Wechselfehler unterläuft, wäre wohl tatsächlich die einzige realistische Möglichkeit für die deutsche Nationalmannschaft, gegen Gibraltar zu verlieren.

Gibraltar wird allenfalls Regionalligaformat bescheinigt

Joachim Löw mag diese Begegnungen gegen die sogenannten Fußballzwerge nicht besonders. Er bevorzugt Spiele, in denen seine Mannschaft so gefordert wird, dass sie einen Erkenntnisgewinn daraus zu ziehen vermag. Diesem Kriterium wird die heutige Partie definitiv nicht gerecht. Der gibraltarischen Mannschaft wird allenfalls Regionalligaformat bescheinigt. „Natürlich wollen wir ein hohes Ergebnis erzielen“, sagt Löw.

Bricht Deutschland heute den alten Torrekord von 16:0 ?

Der Bundestrainer hat von seinem Chefscout Urs Siegenthaler zwar ein paar Informationen über den heutigen Gegner erhalten, er hat allerdings davon abgesehen, dieses Herrschaftswissen auch an seine Spieler weiterzugeben. Warum auch? Dass die Deutschen gewinnen, ist klar. Die einzig spannende Frage scheint zu sein, ob es der Mannschaft auch gelingen wird, den historischen Torrekord aus dem Jahr 1912 (16:0 gegen Russland) zu brechen. Eine freiwillige Selbstbeschränkung aus moralischen Gründen gibt es für die Spieler beim Toreschießen nicht. Im Gegenteil. Tempo, Spielwitz, Zug zum Tor – all das erwartet Löw von seiner Mannschaft, in der er möglichst viele offensive Spieler unterbringen möchte. „Wir müssen sie so fordern, dass sie überfordert sind“, sagt Löw über den Gegner.

Für Gibraltar sollten die aktuellen Bordmittel noch reichen; bei künftigen Gegnern von anderem Format ist Löw offenbar nicht mehr ganz so sicher. Die Deutschen sind zwar gerade erst Weltmeister geworden, sie haben mit ihrer Spielweise den größtmöglichen Erfolg erzielt und einige wirklich gute Jahre hinter sich, „aber wir müssen einfach lernen, die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen, und im Hier und Jetzt sein“, sagte Löw.

"Wir müssen jetzt schauen, dass wir es nicht verpassen, rechtzeitig Veränderungen vorzunehmen,“ sagt Löw

In Wirklichkeit denkt er längst an die Zukunft. Für das kommende Jahr hat der Bundestrainer umfassende Restrukturierungsarbeiten angekündigt. Im Fußball gebe es stets neue Entwicklungen, sagte er. „Wir müssen jetzt schauen, dass wir es nicht verpassen, rechtzeitig Veränderungen vorzunehmen.“ Ideen gebe es bereits, viel konkreter aber wurde der Bundestrainer nicht, dazu sei es noch zu früh.

Löw hat sein Amt immer auch als Entwicklungshilfeministerium für den gesamten deutschen Fußball verstanden. Er hat schon in der Vergangenheit Themen angesprochen, die zu ihrer Zeit nicht immer opportun erschienen. Vielleicht ist dieser Anspruch ein wenig verloren gegangen, als alles scheinbar von selbst lief. Mit der Ankündigung, die eigene Arbeit stärker zu hinterfragen, greift Löw diesen Aspekt jetzt jedoch wieder auf. „Wir müssen in den nächsten Monaten Schritte nach vorne machen, um konkurrenzfähig zu bleiben“, sagt er. Gerade nach einem großen Erfolg müsse man sich verändern.

Löw will junge Talente künftig noch besser begleiten

Zu dieser Erkenntnis ist Löw schon unmittelbar nach der WM gelangt, die dürftigen Resultate vor einem Monat gegen Polen und Irland dürften ihn jedoch noch zusätzlich bestärkt haben. Künftig will der Bundestrainer junge Talente auf ihrem Weg in die Spitze besser begleiten, er kann sich auch Variationen am Spielsystem vorstellen, um die eigenen Möglichkeiten zu erweitern. „Ich glaube, dass neue Impulse gut sind“, sagt Joachim Löw. Vielleicht auch für ihn selbst.

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