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Und raus bist du. Bilder von Nils Petersen müssen vor der WM wieder abgehängt werden.

© Federico Gambarini/AFP

DFB-Kader für Russland: Nils Petersens Ausbootung hat ein Geschmäckle

Warum Joachim Löw den Torwart Bernd Leno, Jonathan Tah, Nils Petersen und Leroy Sane, den zweitbesten Vorbereiter der englischen Liga, aus dem Kader streicht.

Vielleicht war es ein Versehen, oder doch ein ganz bewusst eingesetztes Mittel – Joachim Löw trug am Tag, „der im Leben eines Bundestrainers sicherlich nicht zu den schönen zählt“, von Kopf bis Fuß Schwarz. Nachdem er am Montagmorgen mit jedem der vier aussortierten Spieler persönlich gesprochen hatte, verließen die beiden Leverkusener Jonathan Tah und Torhüter Bernd Leno sowie der Freiburger Nils Petersen und Leroy Sané von Manchester City das Mannschaftshotel in Südtirol. Löw nippte am Espresso.

Als Bundestrainer hat Löw eine gewisse Übung darin, Spielern mitzuteilen, dass sie den finalen Cut nicht überstanden haben und die Mannschaft nicht zu einem großen Turnier begleiten dürfen. Und wie eigentlich immer traf es auch jetzt wieder „Spieler, die es verdient gehabt hätten, bei der WM dabei zu sein“. Nur leider ließ der 58-Jährige dieses Mal keine Fragen der Journalisten zu, was eben so gar nicht zum Bild des angeblich so tiefenentspannten und coolen Mister Löw passt.

Vielmehr gab der Bundestrainer vor versammelter Medienschar ein bisschen den Pastor, der von „großer Enttäuschung bei den Betroffenen“ zu berichten wusste, der diesen in seiner kleinen andachtähnlichen Erklärung vom Podium des Pressezeltes Mut und Trost zusprach und sich schließlich bei allen bedankte. Bei den Spielern, die in jedem Training sich reingehangen, die gekämpft hätten um einen Platz im WM-Kader. Ferner dankte Löw auch „den Angehörigen“, den Familien und Freundinnen der Betroffenen, „weil sie es jetzt sind, die sie auffangen müssen“.

Löw erzählte noch dies und das und sprach von einer Zielfoto-Entscheidung, vergleichbar mit der eines olympischen 100-Meter-Finals, um feststellen zu können, „wer die Nase vorn hat“, so „wahnsinnig knapp“ seien auch hier in Eppan die Entscheidungen ausgefallen.

Leroy Sané sei ein großes Talent, findet Löw

Die Auswahl der Aussortierten selbst hatte letztlich nichts wirklich Überraschendes. Die Namen der vier Herren waren in den vergangenen Tagen immer wieder gehandelt worden. Manch einer hatte den Pariser Torhüter Kevin Trapp statt Leno auf dem Zettel, ein anderer vielleicht Sebastian Rudy anstelle Sanés.

Dass es letztlich doch den talentierten Offensivspieler vom englischen Meister traf, ist noch am ehesten diskutabel. Mit dem Aus des 22-jährigen Tempodribblers, der in der abgelaufenen Premier-League-Saison zehn Tore erzielte und 15 weitere Treffer vorbereitete (zweitbester Wert der englischen Liga), hat der Bundestrainer sich eventuell einer Waffe beraubt. Andererseits hat Sané in den Testländerspielen gegen Brasilien und Österreich alles andere als Werbung in eigener Sache betreiben können. Sané sei ein großes Talent, „absolut“, wie Löw hinterher noch vor dem Pressezelt verriet, aber „bei der Nationalmannschaft war er in den Spielen vielleicht noch nicht so ganz angekommen“.

Löw habe sich letztlich zwischen Sané und Julian Brandt entscheiden müssen. Der Turnierkader müsse „ausgewogen“ sein, „wir konnten nicht auf der Verteidigerposition noch jemand wegnehmen, um offensiv einen Spieler mehr zu haben“.

Bei aller Begabung wirkte Sané dem Bundestrainer in seinem fußballerischen Tun offenbar zu diffus. Löws französischer Kollege Didier Dechamps ist da wohl etwas toleranter, seine Sanés heißen Ousmane Dembélé und Kylian Mbappé, die in ihrem jungen Alter gerade die Fußballwelt durcheinander wirbeln.

Vermutlich hat sich der zu großer Loyalität neigende Bundestrainer im konkreten Fall auch an den vorigen Sommer erinnert, als der zum Confed-Cup eingeladene Sané diesem Sommerturnier eine Nasenoperation vorgezogen hatte. Wackelkandidaten wie der Leverkusener Brandt oder Leon Goretzka waren beim Turniersieg vor einem Jahr dabei und werden nun wieder nach Russland reisen.

Petersen unterliegt Mario Gomez

Vielleicht hat auch die Ausbootung von Nils Petersen ein Geschmäckle. Den Freiburger Stürmer, der es für viele am 15. Mai als Überraschungskandidat in den vorläufigen Kader geschafft hatte, redete Löw ja faktisch schon zur WM. Er sei ein Spielertyp, den er so in einem Kader nicht habe, von dem er, Löw, ganz viel erwarte und, das Beste, den „der Gegner noch nicht kennt“. Im Nachhinein wirkt das WM-Aus des 29-Jährigen ein bisschen so, als wenn Löw ihn nur gebraucht habe, um den unbequemen Sandro Wagner loszuwerden.

Das wird Löw so aber nie sagen. Offiziell soll Petersen im Kampf um den einen freien Platz neben Stürmer Timo Werner das Duell mit Mario Gomez verloren haben. Dem ältesten deutschen Feldspieler bescheinigte Löw, „in sehr guter Form“ zu sein, der „körperlich sehr präsent wirkt“. Petersen, der gegen Österreich sein Debüt in der Nationalelf gegeben hatte, dürfe ab September wieder zur Auswahl kommen, ließ Löw noch wissen. Das Gleiche trifft auf den 22 Jahre alten Leverkusener Jonathan Tah zu, den Löw selbst als „Backup“ für den angeschlagenen Jerome Boateng gesehen hatte. Mit jedem Trainingslagertag, an dem der 29-jährige Weltmeister-Verteidiger vom FC Bayern spielfähiger wurde, sanken Tahs Chancen auf die WM.

„Es ist auch für uns bitter, die Vier abreisen zu sehen“, sagte Manuel Neuer. Der Kapitän erzählte, er habe mit jedem der Aussortierten noch einmal gesprochen, und diese hätten dann im Gruppenchat der Mannschaft für die WM alles Gute und viel Erfolg gewünscht. Alles andere war auch nicht zu erwarten gewesen, von den „tollen Spielern“, wie Löw sie am Tag der Entscheidung nannte.

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