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DFB-Pokal: Triumph über die eigenen Vorurteile

Gegen den Zweitligisten Mainz 05 droht Bayer Leverkusen mal wieder im entscheidenden Moment zu versagen, zieht aber schließlich doch noch ins DFB-Pokalfinale ein.

Rudi Völler tat, was zu tun war. Um ihn herum tanzte das Volk, durch die Stadionlautsprecher wurde die passende Stimmungsmusik gejagt, und nach ein paar Momenten der Einkehr machte sich auch Völler auf den Weg zur Gratulationscour. Der Sportdirektor von Bayer Leverkusen steuerte schnurstracks auf den Mittelkreis zu, in dem sich die komplette Mannschaft versammelt hatte. Erst reichte er dem Torhüter die Hand, ein kurzer Plausch, dann schritt er Spieler für Spieler ab. Es waren die unterlegenen Mainzer, denen Völler nach Leverkusens 4:1-Erfolg im Halbfinale des DFB-Pokals als Erstes seine Aufwartung machte. Als Sportdirektor von Bayer 04 hat Rudi Völler wahrscheinlich schon qua Amt ein Herz für Verlierer.

Dass die Verlierer auf der anderen Seite stehen, ist für die Leverkusener zuletzt ein eher ungewohntes Erlebnis gewesen. Die Mannschaft, begabt wie kaum eine zweite in der Fußball-Bundesliga, hat in den vergangenen Monaten einen bösen Absturz hingelegt. Im Herbst war Bayer noch Tabellenführer. Von den 15 Spielen seitdem hat die Mannschaft sieben verloren, und mit jeder Niederlage wurden die alten Vorurteile genährt: dass Leverkusen in den entscheidenden Momenten sowieso wieder versagt.

Das Pokal-Halbfinale gegen den Zweitligisten Mainz war wieder so ein entscheidender Moment, die wohl letzte realistische Möglichkeit, sich noch für den Europapokal zu qualifizieren: Bayer spielt zu Hause, führt 1:0, und hat im gesamten Spiel nicht eine Chance der Mainzer zugelassen. Dann kommt die vorletzte Minute – und die Mainzer schießen das 1:1. In fast jedem Vorurteil steckt ein bisschen Wahrheit.

Bruno Labbadia, Bayers Trainer, wurde später gefragt, ob er denn nach dem Ausgleich der Mainzer am Erfolg gezweifelt habe. „Wir sind in den letzten Wochen nicht unbedingt vom Glück geküsst worden“, antwortete er. Also ja. „Das hat einige Nerven gekostet“, sagte Leverkusens Torhüter René Adler über das Tor der Mainzer, das Bayer in die Verlängerung zwang. „Aber wir haben dem großen Druck standgehalten. Wir haben Charakter gezeigt und sind aufgestanden.“

Hundert Sekunden waren nach der Wiederaufnahme der Partie gespielt, als Arturo Vidal mit seinem Abstaubertor zum 2:1 die Dinge für Bayer endgültig auf die richtige Bahn brachte. Am Ende wurde es ein Pflicht- und Arbeitssieg. Für die Leverkusener aber war der Erfolg über den Zweitligisten mehr: Er war Trost, Bestätigung und Verheißung: Trost für manche Misserfolge, Bestätigung der eigenen Stärke und Verheißung auf eine erfolgreiche Zukunft. „Für eine junge Mannschaft ist es wichtig, so ein K.-o.-Spiel zu gewinnen“, sagte Kapitän Simon Rolfes. Labbadia pflichtete ihm bei: „Die mentale Stärke bekommt die Mannschaft durch solche Erfolge. Das wird ihr helfen, den nächsten Schritt zu machen.“

Die Leverkusener halten sich nicht nur einiges zugute auf ihre Jugend; ihnen dient die mangelnde Erfahrung auch immer wieder als Erklärung für die mangelnde Konstanz in ihren Darbietungen – und das seit mehreren Jahren schon. „Wir stecken in der Entwicklung“, sagte Labbadia. „Schade, dass das immer vergessen wird.“ Nach seinem erfolgreichen Start bei Bayer ist die Arbeit des Trainers in den vergangenen Wochen zunehmend kritisch bewertet worden. „Dieser Erfolg war wichtig für uns“, sagte Labbadia. Wichtig für die Mannschaft. Vielleicht noch wichtiger für den Trainer. Mit dem Einzug ins Pokalfinale und der Chance auf den ersten Titel für Bayer seit 16 Jahren hat sich Bruno Labbadia jedenfalls fürs Erste unangreifbar gemacht.

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