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Jetzt wird’s ernst. Kay Bernstein ist seit 100 Tagen Präsident von Hertha BSC.

© Foto: IMAGO/Kirchner-Media

Die erste Bilanz von Herthas Präsident Bernstein: 100 Tage und ein Problem

Eigentlich wollte Kay Bernstein nach 100 Tagen als Präsident von Hertha BSC eine erste Bilanz ziehen. Stattdessen muss der Klub die Spionageaffäre rund um Investor Windhorst aufarbeiten.

Der Ort der Veranstaltung wäre durchaus ungewöhnlich gewesen. Ungewöhnlich und doch passend. Zur Medienrunde „100 Tage Präsidentschaft Kay Bernstein“ hatte Hertha BSC nicht etwa in die eigene Geschäftsstelle geladen, sondern ins Haus der Fußballkulturen, den Standort des Fanprojekts der Sportjugend Berlin.

Mit Fußballkultur kennt Kay Bernstein, 42, sich aus. Er kommt aus der Fanszene, war bei Hertha Ultra der ersten Stunde, später auch Vorsänger in der Ostkurve. Und Kay Bernstein hat nicht vergessen, wo er herkommt.

Exakt 100 Tage waren am Dienstag vergangen, seitdem er sich im City Cube gegen seinen Widersacher Frank Steffel durchgesetzt hatte und mit überwältigender Mehrheit zum neuen Präsidenten des Berliner Fußball-Bundesligisten gewählt worden war. Anschließend verkündete er, dass er sich nun an die Arbeit machen werde, ehe er nach 100 Tagen erstmals öffentlich Rechenschaft ablegen werde.

Es kam anders.

Die für Dienstag anberaumte Medienrunde mit Bernstein wurde von Hertha am Freitag abgesagt. Das hatte vor allem mit dem Investor Lars Windhorst zu tun, der mit ihm auf dem Podium hätte sitzen sollen.

Statt sich zur Gegenwart und zur Zukunft zu äußern, waren Hertha BSC und Kay Bernstein vorige Woche erst einmal wieder von der Vergangenheit eingeholt worden.

Schwieriges Verhältnis. Lars Windhorst (rechts, hier mit Sportgeschäftsführer Fredi Bobic) muss noch erklären, was es mit der Spionageaffäre rund um Ex-Präsident Gegenbauer auf sich hat.
Schwieriges Verhältnis. Lars Windhorst (rechts, hier mit Sportgeschäftsführer Fredi Bobic) muss noch erklären, was es mit der Spionageaffäre rund um Ex-Präsident Gegenbauer auf sich hat.

© Foto: IMAGO/Nordphoto

Am vergangenen Donnerstag hatte die „Financial Times“ berichtet, dass Windhorst Bernsteins Vorgänger Werner Gegenbauer von einer Wirtschaftsdetektei aus Israel hat ausspionieren lassen – mit dem Ziel, ihn aus dem Amt zu drängen.

Windhorst, mit seinem Unternehmen Tennor Mehrheitseigner der Hertha BSC KGaA, bestreitet diese Vorwürfe nach wie vor, bezeichnet sie als Unsinn. Allerdings sind die Beweise gegen ihn auf den ersten Blick erdrückend – es sei denn, die 226 Seiten starke Akte, die bei einem Bezirksgericht in Tel Aviv hinterlegt war und auch dem Tagesspiegel vorliegt, erweist sich als Fälschung.

Die Akte enthält unter anderem den Vertrag mit der Tennor Services Suisse AG aus Zürich (nicht allerdings das von Windhorst unterschriebene Exemplar), einen Bericht über die Aktionen der Detektei Shibumi Strategy und den Mailverkehr zwischen deren Geschäftsführer und Windhorst, in denen es unter anderem um nicht gezahlte Honorare geht.

Insgesamt sollte Shibumi 1,5 Millionen Euro (zwölf Monatsraten à 125.000 Euro) für seine Dienste erhalten. Den Unterlagen nach bestand bei Einreichung der Klage Anfang September noch eine Forderung über eine Million Euro; demnach müsste Windhorst eine halbe Million Euro bezahlt haben.

Selbst ohne das angeblich mündlich ausgehandelte Erfolgshonorar von weiteren vier Millionen Euro ist das eine Menge Geld – vor allem gemessen an den von Shibumi erdachten und umgesetzten Maßnahmen, die mit dilettantisch noch wohlwollend charakterisiert sind.

Windhorst bestreitet weiterhin alles

Ein solches Unternehmen zu engagieren wäre wohl tatsächlich Nonsens, wie Windhorst behauptet. Die Frage ist nur, ob er beweisen kann, dass er es nicht doch getan hat. Vor allem gegenüber Hertha BSC. Für die weitere Beziehung zwischen Klub und Investor wäre dies existenziell.

Schon jetzt überschattet die Angelegenheit das erste kleine Jubiläum des neuen Präsidenten – zumal es für Bernstein ein zentrales Anliegen war, das angespannte Verhältnis zu Windhorst zu befrieden. Nach den jüngsten Entwicklungen scheint dies so gut wie ausgeschlossen.

Ab aufs Rad. Kay Bernstein ist den Fans gegenüber auch als Präsident nahbar und verbindlich.
Ab aufs Rad. Kay Bernstein ist den Fans gegenüber auch als Präsident nahbar und verbindlich.

© Foto: IMAGO/Matthias Koch

Noch im Sommer klang Bernstein recht zuversichtlich. „Wir haben das Verhältnis kommunikativ auf eine andere Ebene gehoben“, sagte Bernstein in einem Interview mit dem Tagesspiegel. „Ich bin generell der Meinung, dass wenn man gut miteinander kommuniziert, 80 Prozent aller Konflikte vermeidbar sind. Wir reden miteinander, statt nach außen übereinander zu reden.“

Miteinander reden: Das ist ohnehin die Stärke des neuen Präsidenten. Bernstein könne mit Worten viel bewirken, sagt Jörg Hans, der Vizepräsident des ältesten Hertha-Fanklubs HFC. „Man hat den Eindruck, dass die Gremien und Mitarbeiter alle wieder miteinander reden und die Dinge nach vorn bringen wollen. Insgesamt ist es sehr beruhigend zu sehen, was gerade bei Hertha passiert. Jedenfalls war es das bis vergangenen Donnerstag.“

Bernstein musste gegen Vorbehalte kämpfen

Angesichts seiner Ultra-Vergangenheit hatte Bernstein nach seiner Wahl durchaus mit Vorbehalten zu kämpfen. Kann der das? Ist das nicht eine Nummer zu groß für ihn? Wird er überhaupt ernst genommen? „Die Skepsis, die bei einigen zu Anfang vorherrschte, ist deutlich kleiner geworden“, sagt Hans. „Seine Nähe zu den Fans kommt gut an, das waren wir von Werner Gegenbauer so nicht gewohnt.“

Gegenbauer hat die letzten Jahre seiner Präsidentschaft vor allem grummelnd zugebracht und witterte überall Feinde. Bernstein ist präsent und nahbar. Er sitzt in seiner Hertha-Jacke bei den Spielen auf der Tribüne – und leidet wie früher in der Kurve.

An seinem Geburtstag hat er alle Angestellten zum Döner eingeladen. Er hat an der Geschäftsstelle einen Apfelbaum gepflanzt und ist mit den Fans von Gesundbrunnen, der alten Heimat Herthas, zum Spiel im Olympiastadion geradelt, um für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. „Das fand ich phänomenal“, sagt Hans. „Ich glaube nicht, dass Werner Gegenbauer das gemacht hätte.“

Von der Aufbruchstimmung rund um den Klub profitiert auch die Abteilung Sport, deren Bilanz im ersten Viertel der Saison allenfalls durchwachsen ist. Selbst nach dem Pokalaus in Braunschweig, beim damaligen Vorletzten der Zweiten Liga, und nach dem verlorenen Derby gegen Union blieben die Fans in der Kurve überraschend ruhig – auch weil sie Bernstein als neuem Präsidenten und Sandro Schwarz als neuem Trainer eine echte Chance geben wollten.

„Das, was Kay darstellt, seine Nähe zum Klub, zu den Angestellten, zu uns, wie er den Verein lebt, wie er es auch kommunikativ macht, das ist herausragend“, sagt Schwarz. „Ehrlich. Es macht Spaß, inhaltlich mit ihm zu kommunizieren.“

In den vergangenen Tagen aber ist all das weit in den Hintergrund gerückt. 100<TH>Tage galten in der Politik mal als Schonfrist. Die hat auch Kay Bernstein bekommen. Zumindest fast. Dafür ist die Herausforderung, vor der er jetzt mit Hertha BSC steht, umso größer.

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