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Berliner Luftsprünge. Herthas Torschützen Peter Niemeyer und Raffael feiern einen Sieg, der nicht eingeplant war. Foto: dpa

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Sport: Die verdiente Sensation

Aufsteiger Hertha kontert beim Meister Dortmund entschlossen und siegt nur scheinbar überraschend 2:1

Die neue Saison der Fußball-Bundesliga läuft schon etwas mehr als einen Monat; für Hertha BSC aber hat die Spielzeit eigentlich erst gestern begonnen. Die Rückkehr nach Dortmund, das Duell gegen die Borussia im größten Stadion der Republik, das galt im vergangenen Jahr immer als Synonym für das Ende der Zweitklassigkeit. Die Vorfreude war zumindest den Berliner Fans anzumerken, die in überaus stattlicher Zahl ins Westfälische gereist waren. Trainer Markus Babbel hingegen wirkte äußerlich ganz ruhig. Während sein Kollege Jürgen Klopp das Spiel schon früh in stehender Position verfolgte, verharrte er zumeist in bequemer Sitzhaltung. Dortmund ist nichts, was Babbel in Wallung bringt. Gegen den BVB hatte er noch nie verloren, weder als Spieler noch als Trainer. Und seine Serie hat auch nach dem 14. Aufeinandertreffen Bestand. Hertha BSC, der Aufsteiger in die Bundesliga, kam beim Meister zu einem sensationell anmutenden 2:1 (0:0)-Erfolg.

„Jetzt sind wir richtig in der Bundesliga angekommen“, sagte Kapitän Andre Mijatovic. „Jeder weiß, dass man mit uns rechnen muss.“ Bei genauerem Hinsehen aber war Herthas Erfolg alles andere als sensationell. „Das Spiel hat schon den verdienten Sieger“, gab Klopp zu. Die Berliner stellten sich gegen den Meister äußerst geschickt an. Sie verdichteten die Räume immer da, wo Gefahr hätte entstehen können, manchmal erst knapp vor dem eigenen Strafraum. Spätestens da aber verfingen sich die Dortmunder in einer Art Gitternetz.

Nach Balleroberungen war Hertha bemüht, schnell umzuschalten. Auch wenn das nicht immer funktionierte, so wirkten die Gäste doch zunächst gefährlicher. „Wir hatten nicht viele Torchancen, aber die, die wir hatten, waren hochkarätig“, sagte Babbel. Nach einer Viertelstunde versetzte Tunay Torun die 3500 Berliner Fans zum ersten Mal in Wallung. Mit einem Doppelpass entledigte er sich seines Gegenspielers, sein Schuss aus gut 18 Metern streichelte noch den Außenpfosten.

Die Dortmunder fanden bei schwülwarmem Wetter nur schwer in die Spur. Sie sammelten zwar eine Menge Ballbesitz, ihren Bemühungen aber fehlte es ohne den gesperrten Mario Götze an Dynamik und Esprit. Richtig unter Druck geriet Hertha nie, von Dauerdruck ganz zu schweigen. Nach einer knappen halben Stunde bekam Herthas Torhüter Thomas Kraft den ersten Schuss auf sein Tor. Bei Gündogans Freistoß reagierte er glänzend, genauso wie auch später noch einige Male.

Klopp ging schon mit dem Gefühl in die Pause, „es wird extrem schwer“. Seine Spieler hegten wohl ähnliche Gedanken. Und besser wurde es nicht. Fünf Minuten nach dem Wiederanpfiff startete Raffael tief aus dem Mittelfeld einen langen Lauf, Mats Hummels war der Erste, der ihn zu stellen versuchte, doch Dortmunds Innenverteidiger grätschte ins Leere. Raffael hatte nun freie Sicht aufs BVB-Tor, mit seinem Abschluss scheiterte er zwar zunächst an Torhüter Roman Weidenfeller, doch der Ball prallte dem Brasilianer vom Bein des Dortmunders Marcel Schmelzer noch einmal vor die Füße – Raffael musste ihn nur noch zum 1:0 ins leere Tor schieben.

„Alle haben davon geredet, dass wir hier verlieren“, sagte Stürmer Adrian Ramos. „Aber ich war mir von Beginn an sicher, dass wir gewinnen, schon vor Raffaels Tor.“ Der Treffer steigerte die Zuversicht noch, während bei den Dortmundern die Zweifel wuchsen. Im Stadion regte sich Unmut, weil der BVB sich im Spielaufbau weiter zu viele leichte Fehler leistete. Chancen erspielte sich Dortmund kaum, ein Lattentreffer von Sven Bender resultierte aus einem Fernschuss aus mehr als 25 Metern. „Ich glaube, die haben uns nicht richtig ernst genommen“, sagte Herthas Kapitän Mijatovic.

Die Berliner hatten auch nach dem 1:0 die besseren Möglichkeiten: Der überragende Raffael traf nach einer Flanke von Christian Lell das Lattenkreuz, eine gute Viertelstunde vor Schluss setzte er den Ball an den Pfosten. Erst Peter Niemeyer beruhigte mit seinem Abstauber zum 2:0 die Nerven. Nach einer Ecke konnte Weidenfeller den Kopfball von Mijatovic noch abwehren, der Ball aber flog Niemeyer ans rechte Knie und von dort ins Tor.

Auf der Anzeigetafel erschien in diesem Moment der Hinweis: „Noch zehn Minuten zu spielen.“ Doch die Dortmunder glaubten nicht mehr an eine Wende. In Massen ergriffen sie die Flucht – und verpassten dadurch die Schlussoffensive ihrer Mannschaft, die vornehmlich aus hohen Bällen bestand. Robert Lewandowski erzielte per Kopf noch den Anschlusstreffer, aber der Sieg der Berliner geriet auch in vier Minuten Nachspielzeit nicht mehr in Gefahr. Hertha feierte den zweiten Auswärtssieg in Dortmund überhaupt. Und drei Bonuspunkte, die wohl auch in der optimistischsten Saisonplanung nicht eingerechnet gewesen sein dürften.

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