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Stand verloren. Russische Leichtathleten wird es bei den Olympischen Spielen in Rio nicht auf dem Siegerpodest geben.

© dpa

Olympia und Doping: DLV-Chef Prokop will Russland komplett ausschließen

Russische Leichtathleten sind für Olympia in Rio gesperrt. Damit soll es nicht genug sein, meint der deutsche Leichtathletikverbandschef Clemens Prokop.

Am Tag nach der historischen Entscheidung wollte Clemens Prokop gar nicht mehr lange nach hinten schauen. Bei den deutschen Meisterschaften in Kassel würdigte der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) die Entscheidung des Weltverbands IAAF, alle russischen Leichtathleten weiterhin zu sperren, zwar knapp als „guten Tag im Kampf für die Glaubwürdigkeit des Sports und die Chancengleichheit“. Dann allerdings blickte der 59-Jährige lieber nach vorn. „Wenn die Entscheidung der IAAF der Endpunkt wäre, wäre das fatal“, sagte Prokop. „Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um sich auszuruhen und sich im internationalen Sport wieder zurückzulehnen.“

Die IAAF hatte am Freitagabend in Wien verkündet, die Doping-Kultur in der russischen Leichtathletik habe sich nicht geändert. Das Council des Weltverbandes, das höchste IAAF-Gremium, verlängerte einstimmig die seit November 2015 wirksame Sperre des russischen Verbandes WFLA, russische Leichtathleten sind damit effektiv von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro ausgeschlossen. Für Prokop kann die Suspendierung „nur der Auftakt“ und „ein Arbeitsauftrag“ sein für weitere internationale Anstrengungen im Anti-Doping-Kampf. Der DLV-Präsident wünscht sich wachsenden Mut im internationalen Sport, „neue Fronten zu eröffnen“.

Es ist klar, wo diese Fronten verlaufen könnten: einerseits an Landesgrenzen, andererseits an Disziplingrenzen. Russland ist bei Weitem nicht die einzige Nation, die in Sachen Doping in der jüngeren Vergangenheit gerne weggeschaut oder sogar unterstützend oder orchestrierend mitgewirkt hat. Prokop nannte als Ziele möglicher Ermittlungen die Leichtathletik-Weltmächte Kenia und Äthiopien. Kenia verfügt über keine funktionierende nationale Anti-Doping-Agentur, die eigentlich Voraussetzung für die Teilnahme an internationalen Meisterschaften ist. In Äthiopien soll es im ganzen Jahr 2015 keine einzige Trainingskontrolle gegeben haben.

"Nicht nachzuvollziehen, wieso nur Leichtathleten betroffen"

Bislang beschränkt sich die Sperre auf Russland und seine Leichtathleten – obwohl die Erkenntnisse der Welt-Anti-Doping-Agentur nahelegen, dass die russische Doping-Kultur weitaus umfassender war und auch vor anderen Sportarten nicht Halt machte. Zuletzt gab es Berichte über einen vertuschten Dopingfall im Profifußball, etliche positive Befunde von russischen Wintersportlern bei Olympia 2014 in Sotschi – und das von der „FAZ“ recherchierte Angebot, Schwimmer gegen Bezahlung von Dopingtests auszunehmen.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada teilte zudem mit, zwischen Februar und Mai hätten 736 geplante Dopingkontrollen in Russland nicht durchgeführt werden können, Kontrolleure seien sogar vom russischen Inlands-Geheimdienst eingeschüchtert worden. Für Prokop ergibt sich aus diesen Nachrichten eine klare Schlussfolgerung: „Das IOC ist gut beraten, über einen Gesamtausschluss Russlands nachzudenken. Ich vermag nicht nachzuvollziehen, wieso nur Leichtathleten betroffen sein sollen.“

Das Exekutivkomitee des Internationalen Olympischen Komitees unterstützt auf jeden Fall die Haltung des Weltverbands. Diese sei im Einklang mit der seit Langem verfolgten Null-Toleranz-Politik des IOC, teilte das Gremium am Samstag mit. Die IOC-Exekutive respektiere die Position der IAAF. Das ist schon ein Vorgriff auf Dienstag, wenn das IOC in Lausanne seine generelle Strategie im Fall Russland diskutieren wird. Kaum vorstellbar, dass sich das IOC gegen die IAAF stellt.

Russlands Leichtathletik-Verband erwägt nun, die Entscheidung der IAAF beim Internationalen Sportgerichtshof (Cas) anzufechten. Nach Ansicht des promovierten Juristen Clemens Prokop ist die Suspendierung allerdings rechtlich wasserdicht, der DLV-Präsident rechnet nicht mit langwierigen Prozessen. Immerhin könnten einzelne Athleten auch unter olympischer Flagge in Rio starten – wenn sie nachgewiesen haben, dass sie nicht in Russlands Dopingsystem verstrickt sind.

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