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Bayrisches Urgestein. Nach Bastian Schweinsteigers Abgang ist Thomas Müller die Identifikationsfigur im Klub. Nur bei Trainer Pep Guardiola steht er offenbar nicht allzu hoch im Kurs.

© Reuters/Rehle

FC Bayern München: Kontrollfreak Guardiola hat Probleme mit dem Anarchist Thomas Müller

Kein Spieler wurde beim FC Bayern München öfter ausgewechselt als Thomas Müller. Ist er Trainer Pep Guardiola zu unberechenbar?

Locker lässig stand Thomas Müller an der großen Glastür, die zum Aufzug hinauf in die Logen der Münchner Arena führt. Ebenso locker lässig beantwortete er ein paar Fragen. Nebenbei beschäftigte er sich mit einem Eis in einem kleinen Pappbecher, das zu schmelzen drohte. Eine Süßspeise kurz vor Mitternacht – das wäre sicher nicht ganz im Sinne der Ernährungsberaterin, hätte sie es mitbekommen. Aber man darf es auch als eine Art Belohnung sehen. Der FC Bayern München hatte soeben zum dritten Mal das von seinem Autosponsor ausgelobte Vorbereitungsturnier gewonnen, mit einem 1:0 gegen Real Madrid dank des späten Treffers von Robert Lewandowski. Und auch für Thomas Müller war es ein schöner Abend, denn er durfte durchspielen.

Es ist vielleicht nicht unbedingt ein Tag, den sich der Nationalstürmer im Kalender rot anstreichen wird, denn dazu war das Turnier ein paar Tage vor dem Erstrundenspiel im DFB-Pokal gegen den Oberligisten FC Nöttingen doch zu unwichtig. Aber vielleicht hat ihn genau deshalb Trainer Pep Guardiola nicht ausgewechselt. Denn der 25-Jährige ist nicht nur der Profi im aktuellen Bayern-Kader, der am häufigsten vorzeitig durch den Trainer vom Platz genommen wurde – in seinen 96 Pflichtspielen in der Guardiola-Ära passierte dies 51 Mal. Müller erwischte es oft auch in den entscheidenden Spielen. Im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund im April, gleich darauf in den beiden Champions-League-Partien gegen den FC Barcelona. „Grundsätzlich muss sich jeder Spieler immer neu beweisen“, sagte Müller zuletzt in der „Sportbild“. Aber bei ihm wiederhole sich das.

Supercup: Neue Nahrung für Müllers Wut

Dem Oberbayern kann nach eigener Aussage nichts so leicht die Laune verderben: „Ich lache auch, wenn es regnet, denn wenn ich nicht lache, hört es ja auch nicht auf zu regnen.“ Aber bei den Rochaden seines Trainers kommt es schon mal vor, dass ihm das Lachen vergeht, zumindest kurzzeitig. In Barcelona soll er sogar, so will es eine Lippenleserin erkannt haben, laut geflucht haben, und auch im Supercup gegen Wolfsburg am vergangenen Wochenende war er sichtlich erzürnt, dass ihn Guardiola in der 87. Minute aus dem Spiel genommen hatte. Dabei ist dies als taktische Auswechslung zu verstehen, denn die Bayern führten zu diesem Zeitpunkt noch 1:0. Als kurz darauf Nicklas Bendtner der Ausgleich gelang und das Duell im Elfmeterschießen entschieden wurde, bekam Müllers Wut neue Nahrung. Wie im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Dortmund konnte der sicherste Elfmeterschütze der Bayern nicht mitmachen. Er saß in Wolfsburg deshalb noch immer enttäuscht am Spielfeldrand, als sich der erste Schütze schon bereit- machte.

Pep Guardiola fällt der Umgang mit Thomas Müller schwer

Natürlich hat sich Müller Gedanken gemacht, warum es so oft ihn trifft. „Ich weiß nicht, ob es an meinem flexiblen Spiel liegt, ich keine fixe Position habe oder es andere Dinge sind.“ Vermutlich sind es keine persönlichen Ressentiments, sondern es hat tatsächlich mit Müllers Spielweise zu tun. Denn die ist voller Überraschungen. Der Nationalstürmer überlegt sich seinen Laufweg nicht, sondern reagiert aus dem Bauch heraus, er lässt sich im Spiel treiben. Für den Perfektionisten und Kontrollfreak Guardiola ist es schwierig, damit umzugehen, wenn durch intuitives Handeln sein Plan durchkreuzt wird. Müller hat es nicht dank einer überragenden Technik zu einem der begehrtesten Offensivspieler gebracht, sondern wegen seiner anarchischen Spielweise. Manchester United wollte angeblich 100 Millionen Euro für ihn bezahlen, aber der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge erklärte die nach dem Abschied von Bastian Schweinsteiger neben Kapitän Philipp Lahm letzte bayrische Identifikationsfigur für unverkäuflich.

Nun könnte man meinen, dass Müller gar nicht so traurig wäre, wenn Guardiola nach dieser Saison den FC Bayern verlassen würde. Aber da wiederum stellt er die Eigeninteressen zurück. Weil ein paar Vorfälle in den vergangenen Wochen den Eindruck erhärteten, dass es mit der Harmonie nicht mehr weit her ist, sah sich Müller veranlasst dazwischen zu grätschen. Man dürfe „einfach nicht mit aller Macht versuchen, hier Gift reinzubringen“. Es reicht schon, wenn Müller giftig reagiert.

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