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Turbine Potsdam trainiert mit der Nationalmannschaft Palästinas.

© dpa

Frauenfußball: Gegen Bethlehems Beton

Die Nationalelf Palästinas trainiert eine Woche lang bei den Fußballerinnen von Turbine Potsdam – für Respekt und Frieden.

Irgendwas ist anders an diesem Morgen auf den Kunstrasenplätzen am Luftschiffhafen. Aus einem Rucksack am Spielfeldrand schallt leise Musik, sie klingt orientalisch. Zwischen den blauen Trikots von Turbine Potsdam leuchtet ein einzelnes weißes Kopftuch in der Sonne. Doch das ist auch schon der einzige Unterschied zwischen den Potsdamer Fußballerinnen und ihren Gästen, die in dieser Woche mit dem Deutschen Meister trainieren. Zwölf Spielerinnen der palästinensischen Nationalmannschaft sind nach Brandenburg gekommen, um sich einen Eindruck von den Trainingsbedingungen in Deutschland zu machen. Doch die Frauen befinden sich auch auf einer Art Friedensmission.

„Wir wollen zeigen, dass es in Palästina nicht nur Krieg gibt, sondern auch Lebensfreude“, sagt Jaklin Jazrawi. „Für uns bedeutet das hier sehr viel.“ Jaklin Jazrawi ist Kapitänin der Nationalelf und Mitbegründerin der Frauenfußballbewegung Palästinas. „Die Sportart ist in unserer Gesellschaft noch ganz am Anfang. Die internationale Unterstützung hilft uns, weil sie zeigt, dass wir einen ganz normalen Sport betreiben.“ Die Unterstützung verdanken die Frauen Matthias Platzeck. Der brandenburgische Ministerpräsident lernte die Fußballerinnen im vergangenen Jahr bei einer Reise in die palästinensischen Gebiete bei Bethlehem kennen und lud sie ein. „Ich war beeindruckt vom Enthusiasmus dieser jungen Frauen“, sagte Platzeck, der für den Besuch 13 500 Euro aus Lottomitteln zur Verfügung stellte. „Die Frauen arbeiten unter schwierigen Bedingungen, um ihren sportlichen Traum zu leben.“

Während sich Turbines Frauen an diesem sonnigen Vormittag erst an die ungewohnt warmen Temperaturen gewöhnen müssen, freuen sich die Palästinenserinnen über das kühle Wetter. Selbst Nivine Al Kolayb kommt nicht ins Schwitzen, obwohl es für sie unter dem Kopftuch noch heißer ist. „Bei uns sind 43 Grad“, sagt die 28-jährige Stürmerin, nachdem sie einen Schuss aus vollem Lauf im Tor versenkt hat. „Da hat man nach dem Training schon mal einen Sonnenstich.“ Doch das ist nicht der einzige Vorteil in Deutschland. Für Frauen in Palästina gibt es kaum Trainingszeiten, schon gar nicht auf Rasenplätzen. Im Alltag spielen sie meist auf Beton – und mussten anfangs froh sein, dass sie überhaupt spielen durften. In der arabischen Welt fiel es den Männern noch schwerer als hier, die kickenden Frauen zu akzeptieren. „Die Männer wollten uns klein halten“, sagt Jaklin Jazrawi, „sie dachten natürlich, dass wir nicht Fußball spielen können.“ Umso mehr freut sich die Mittelfeldspielerin, dass ihre männlichen Kollegen inzwischen Facebook-Links zu den Frauen setzen, um deren Fangemeinde zu vergrößern. Als sie 2009 ihr erstes Heimspiel in einem Vorort Jerusalems austrugen, bejubelten 10 000 Zuschauer das 2:2 gegen Jordanien.

Mit ihrem Kopftuch ist Nivine Al Kolayb die einzige, die an diesem Vormittag heraussticht. Die anderen Spielerinnen tragen keins, obwohl die Hälfte Musliminnen sind. „Es steht jeder frei, das zu entscheiden“, sagt Al Kolayb. Ihre Schwester Nadine beispielsweise, die Torhüterin, entschied sich dagegen. Während die Religion im Team keine Rolle zu spielen scheint, tut es die Herkunft allerdings: Spielerinnen aus dem Gazastreifen können zwangsläufig nicht in der Nationalelf spielen, ein logistisches Problem. „Für uns ist es sehr mühsam, von Ort zu Ort zu kommen“, sagt Jaklin Jazrawi. „Wie soll man zum Training kommen, wenn man unzählige Grenzposten passieren muss?“ So spielen alle Frauen, die in dieser Woche in Potsdam trainieren, für den Verein Diyar Consortium Bethlehem in einer Liga mit sechs Teams, die erst vor zwei Jahren gegründet wurde.

Trotz der Schwierigkeiten geht es sportlich voran. Während es kurz nach Teamgründung vor knapp zehn Jahren gegen Japan noch eine 0:17 Niederlage setzte, schafften die Palästinenserinnen kürzlich ein 0:4 gegen den Weltmeister. Jaklin Jazrawi arbeitet daran, das es in Zukunft vielleicht sogar zu einem Sieg reicht. Die 26-Jährige leitet eine Nachwuchsakademie, an der sie 40 Mädchen unter 16 Jahren trainiert. „Das ist die neue Generation“, sagt sie. „Die Zukunft, die bessere Bedingungen haben soll als wir.“ Ähnlich professionell wie hier in Potsdam. Nur etwas heißer könnte es schon sein.

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