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Am Boden. Nach der Niederlage in Hamburg stürzten Hertha und Fabian Reese auf den letzten Tabellenplatz.

© IMAGO/Claus Bergmann

Gleiches Spiel, andere Bedingungen: Hertha BSC hat mit dem HSV noch eine Rechnung offen

Im Ligaduell im August war Hertha dem Hamburger SV deutlich unterlegen. „Ein Klassenunterschied“, klagte Trainer Dardai. Das soll sich im Pokal-Achtelfinale ändern.

Seit knapp anderthalb Jahren steht Jonjoe Kenny bei Hertha BSC unter Vertrag. Öffentlich ist er in dieser Zeit nicht allzu oft in Erscheinung getreten. Wie der Engländer redet und was er zu sagen hat, das war dem breiten Publikum lange unbekannt. Inzwischen aber weiß man zumindest, dass Kenny ganz gern den Ausdruck „fucking“ benutzt.

Im zweiten Teil einer Dokumentation über Herthas aktuelle Zweitligasaison ist Kenny laut fluchend in der Kabine des Volksparkstadions in Hamburg zu sehen. Der Speichel fliegt. „Have some fucking balls!“, ruft er seinen Kollegen entgegen. „We are fucking Bundesliga two for a reason!“

Sinngemäß also (und in einer jugendfreien Übersetzung): Habt doch mal ein bisschen Mumm, verdammt! Wir spielen ja nicht ohne Grund in der verdammten Zweiten Liga!

Dreieinhalb Monate ist das her. Es war der dritte Spieltag der laufenden Spielzeit an einem lauen Hamburger Sommerabend. Hertha gastierte beim HSV, lag zur Pause 0:2 zurück und wartete nach 225 gespielten Minuten immer noch auf das erste Tor der neuen Saison.

Pal Dardai, Herthas Trainer, ist auch in der Doku zu sehen. Auch er ist in der Pause über alle Maßen erregt. Auch er wird lauter als sonst üblich. Als Hosenscheißer bezeichnet er seine Mannschaft. „Wo ist die große Klappe?“, fragt er. „Ich schäme mich. Fußball hab‘ ich nicht gesehen.“

Fußball spielte an diesem Abend nur der HSV. 3:0 hieß es am Ende, die Hamburger feierten den Sprung an die Tabellenspitze. Hertha hingegen, der Absteiger aus der Fußball-Bundesliga, fiel vom vorletzten auf den letzten Platz zurück. Inzwischen aber – beim Wiedersehen im Achtelfinale des DFB-Pokals an diesem Mittwoch (20.45 Uhr, live bei Sky) – sieht die Welt nicht nur wegen der frostigen Temperaturen schon ganz anders aus. Für beide Mannschaften.

Hamburg war eine Klasse besser. Das will ich nicht haben am Mittwoch. Da wollen wir uns wehren und gewinnen und zeigen, dass wir uns weiterentwickelt haben.

Herthas Trainer Pal Dardai über das Pokalspiel gegen den HSV

Hertha sei damals nicht klargekommen mit dem Ballbesitz der Hamburger, erinnert sich Trainer Dardai, habe nicht vernünftig gepresst, sei immer zu spät gekommen und völlig verunsichert gewesen. Kurz: „Hamburg war eine Klasse besser. Das will ich nicht haben am Mittwoch. Da wollen wir uns wehren und gewinnen und zeigen, dass wir uns weiterentwickelt haben.“

Nach der Niederlage in Hamburg wähnten manche Hertha schon auf den Spuren der Bielefelder Arminia, die dem Abstieg aus der Bundesliga gleich noch den Abstieg in die Dritte Liga hatte folgen lassen. Für den HSV wiederum schien es diesmal – im fünften Anlauf – wirklich klappen zu können mit dem Aufstieg.

Beide Urteile haben sich längst als überzogen und überholt herausgestellt. Weder ist Hamburg die Übermannschaft der Liga noch Hertha ernsthaft vom Absturz in die Drittklassigkeit bedroht.

Von einem Qualitätsunterschied kann keine Rede mehr sein. Beide Klubs haben sich deutlich angenähert. Aus den zwölf Spielen seit ihrem letzten Aufeinandertreffen hat Hertha 21 Punkte geholt – exakt so viele wie der HSV.

Und während die Hamburger am Wochenende auf den Relegationsrang zurückgefallen sind, ist Hertha nach dem 5:1 gegen Elversberg als Achter so gut platziert wie noch nie zuvor in dieser Saison. Seit sechs Pflichtspielen sind die Berliner inzwischen ungeschlagen. „Das hatten wir schon lange nicht mehr bei Hertha BSC“, sagt Dardai.

Veränderung von innen, nicht von außen

Den Namen nach ist Hertha gegen den HSV eines der größtmöglichen Duelle in der Zweiten Liga. Das Spiel gleich zu Saisonbeginn aber kam für die Berliner zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Hertha war noch nicht satisfaktionsfähig. „Es hat uns die Grenzen aufgezeigt“, sagt Sportdirektor Benjamin Weber über das Spiel.

Nachdem Herthas Kader im Sommer einmal auf links gedreht worden war, befand sich das Team in den ersten Wochen der Saison noch in der Findungsphase. „Wir wussten, dass die Vorbereitung schwierig wird, aber wir wussten auch, dass es sich finden wird“, sagt Weber.

Wenn man sich Herthas damalige Aufstellung noch einmal anschaut, hat sich beim Personal paradoxerweise gar nicht so wahnsinnig viel verändert. Aus der Startelf gegen den HSV hat nur Marco Richter den Klub verlassen. Und die beiden Spieler, die Hertha kurz vor Transferschluss noch verpflichtet hat – Andreas Bouchalakis und Bilal Hussein –, haben zuletzt keine große Rolle gespielt. Einen Stammplatz haben beide derzeit nicht.

Die Veränderung zum Positiven kam nicht von außen; sie kam von innen. „Es ist ein Team zusammengewachsen. Es ist eine Hierarchie entstanden“, sagt Herthas Offensivspieler Fabian Reese. „Das Trainerteam hat uns Werkzeug an die Hand gegeben, wie wir spielen wollen. Wir haben klare Abläufe. Wir haben unsere DNA mehr und mehr gefunden.“

Anders als im August ist Hertha jetzt bereit für den HSV, „ein richtiger Leistungsvergleich“ sei das diesmal, glaubt Trainer Pal Dardai. Und Fabian Reese sagt: „Es ist nicht zu vergleichen mit der Mannschaft, mit dem Spielstil und mit der Phase, die wir damals hatten. Es wird ein komplett anderes Spiel.“

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