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Ein Gefühlsmensch im Tor. Silvio Heinevetter muss sich mit vielen Emotionen hochpushen, damit er in Bestform kommt. Foto: dadp

© dapd

Handball-WM: Der Schrille und der Solide

Die Handball-Torhüter Silvio Heinevetter und Johannes Bitter sind grundverschieden und genau deshalb bei der WM so wertvoll

Das Hotel „Quality Grand“ in Kristianstad, in dem die deutsche Handball-Nationalmannschaft derzeit logiert, bietet ausgefallene Orte. Etwa einen Raum namens „Nachtklub“ mit glitzernden Discokugeln und Scheinwerfern. Feiern werden die Handballer hier nicht, schließlich steht die Expedition bei der WM in Schweden nach dem 30:25 gegen Ägypten noch am Anfang. Im „Nachtklub“ hielt das Team von Bundestrainer Heiner Brand eine Pressekonferenz über die nächsten Gegner Bahrain (heute 16.15 Uhr, live in der ARD) und Spanien (Montag) ab.

Zu den meistdiskutierten Themen zählt weiter die Torhüterfrage. Brand hatte am Freitag zunächst den Berliner Silvio Heinevetter ins Tor gestellt und damit die Hierarchie auf dieser Schlüsselposition geändert; seit der WM 2009 war Johannes Bitter (HSV Hamburg) stets die Nummer eins. Ungewöhnlich ist diese Entscheidung, weil Brand bis 2008 dem damaligen Keeper Henning Fritz auch in Formkrisen vertraute, sogar vor der WM 2007 im eigenen Land, als Fritz bei seinem Klub nur auf der Tribüne saß. „Heinevetter hat in der Bundesliga eine überragende Hinserie gespielt“, sagte Brand.

Beide Torleute kämpfen mit viel Hingabe um den Status der Nummer eins. „Ich bin kleiner, stärker, schneller“, hat Heinevetter vor dem Turnier gesagt. Ein Torwartkrieg wie einst im Fußball zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann wird aber nicht geführt. „Ich bin da völlig relaxt“, sagte Bitter gestern. „Der Teamgeist steht im Vordergrund.“

Die beiden Torhüter könnten kaum unterschiedlicher sein. Heinevetter ist ein Mann des Boulevards: Er bedient mit seiner Lebensgefährtin Simone Thomalla die Klatschpresse. Im Tor braucht er Emotionen, um in Topform zu kommen. Außerdem hat er eine ungewöhnliche Technik. Bei seinen Paraden zieht er ein Bein sehr weit hoch, während ein Arm den Raum am Fußboden abdeckt.

Auch Bitter hält am besten, wenn er sich durch Paraden puscht. Grundsätzlich aber verkörpert er einen eher sachlichen Torwartstil: Er steht so lange wie möglich, um den Schützen zu verunsichern. Und mit seiner Größe (2,04 Meter) hat er gegenüber Heinevetter (1,94 Meter) Vorteile bei Würfen von den Außenpositionen.

Obwohl mit 28 Jahren nur zwei Jahre älter als sein Konkurrent, wirkt Bitter abseits des Handballfeldes deutlich reifer. Mit der größten deutschen Boulevardzeitung spricht er seit einem bösartigen Artikel nicht mehr. Dafür engagiert er sich seit einiger Zeit in einer von ihm mitgegründeten Spielerorganisation, weil er die Notwendigkeit sieht, die Interessen der Profis angemessen zu vertreten.

Es klingt paradox, dass gerade die Gegensätzlichkeiten dieses Torwartduo für Brand so wertvoll machen. Weil er so für jeden Gegner den passenden Mann zwischen den Pfosten hat. Wer dieses Duell am Ende gewinnt, ist noch nicht entschieden. Gegen Ägypten hatte Bitter leichte Vorteile, als er in nur sieben Minuten fünf Bälle entschärfte. Heinevetter stört das nicht: „Das Turnier beginnt für uns erst am Montag gegen Spanien.“

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