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Chef und Chefin. Toni Söderholm (vorn) und Jessica Campbell, eine der Co-Trainer:innen im deutschen Team.

© Imfoto/Imago

Heimspiel für Bundestrainer Söderholm bei der Eishockey-WM: „In der Halle habe ich mein erstes Eishockeyspiel gesehen - mit zwei Jahren“

Toni Söderholm kennt sich in Helsinki gut aus, es kann von Vorteil sein. Vieles ist anders im deutschen Team, mit Jessica Campbell ist eine Co-Trainerin dabei.

Wären wir beim Rasensport, würde es vermutlich heißen, dass Toni Söderholm in der Helsingin Jäähalli jeden Grashalm kennt. Abgesehen davon, dass so etwas auch bei einem Rasenplatz nach einigen Jahren Abstinenz des Protagonisten kaum möglich erscheint – Grashalme leben schließlich nicht ewig – bietet sich so eine Metapher bei der Spielfläche aus Eis nicht an.

Da kann man nicht jeden Quadratzentimeter kennen und schließlich wird ja schon mal abgetaut zwischendrin in einer Eishalle. Also einigen wir uns darauf, dass der Bundestrainer in der Helsingin Jäähalli jeden Winkel kennt. In der Arena des HIFK hat er seine Sozialisation als Spieler gehabt, dort hat er einst als Knirps seine Helden bewundert. „In der Halle habe ich mein erstes Eishockeyspiel gesehen, mit zwei Jahren auf der Pressetribüne zusammen mit meinem Dad“, erzählt Söderholm.

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In der zweitgrößten Arena von Helsinki hat Söderholm einst als Nachwuchsspieler begonnen und – mit Unterbrechung – bis 2005 als Profi Eishockey gespielt. „Darauf bin ich sehr stolz“, sagt er. In dieser Woche wird Söderholm in die Arena zurückkehren, bereits am Freitag steht dort für das deutsche Team mit dem Spiel gegen Kanada der Auftakt bei der Weltmeisterschaft bevor. Nach einer insgesamt eher holprigen Vorbereitungsphase, die am Sonntag mit dem 3:1 gegen Österreich in Schwenningen ihr Ende fand, wird das Turnier eine spannende Angelegenheit für Söderholms Team. Zumal nach dem völlig verkorksten Auftritt bei den Olympischen Winterspielen von Peking ja auch der unbedingte Wille bei Söderholm da ist, es wieder besser zu machen. Trotz oder wegen der unschönen Erfahrungen von Peking hat der Finne seinen Vertrag als Bundestrainer um vier Jahre verlängert.

Was ihm Mut machen sollte, ist sein Kader, der allein durch die vier Übersee-Profis Philipp Grubauer, Moritz Seider, Marc Michaelis und Tim Stützle stärker ist als der von Olympia – aber auch die anderen Nationen werden besser besetzt sein als im Februar, denn nun sind Spieler aus der National Hockey-League (NHL) dabei. Zumindest die, die können – was aus deutscher Sicht heißt, dass Leon Draisaitl nicht kann. Denn der Kölner spielt mit Edmonton in den Play-offs in der NHL. Schlecht ist zudem für die Deutschen, dass Dominik Kahun verletzt ausfällt und eingeplante Größen wie Frederik Tiffels und Patrick Hager (beide München) nicht spielen. „Wegen der Gründe für die Absagen müssen sie die Spieler fragen“, sagt Söderholm verkniffen.

Dafür ist Tim Stützle im deutschen Sturm dabei und vielleicht kommt Draisaitl (drei Plätze im Kader sind noch offen) noch nach – falls Edmonton ausscheidet. Tim Stützle hat es mit den Ottawa Senators nicht in die Play-offs geschafft. Gut für Söderholm. Stützle, nach Draisaitl unstrittig zweitbester deutscher Angreifer in der NHL, war zuletzt im Aufwärtstrend. Am Sonntag hat der 20 Jahre alte Stützle sein erstes Länderspiel im Seniorenbereich überhaupt bestritten, für die WM ist der gebürtige Viersener optimistisch: „Wir können jede Mannschaft schlagen, wenn wir den Teamgeist aufs Eis bringen.“ Mutige Ansagen waren auch vor Olympia nicht das Problem des deutschen Teams, nur mit der Umsetzung auf dem Eis war das so eine Sache bei dem Team, das 2021 WM-Vierter wurde.

Die 29-jährige Kanadierin Jessica Campbell ist eine von drei Co-Trainer:innen

Aber diesmal ist vieles anders, mit der Kanadierin Jessica Campbell steht erstmals eine Co-Trainerin mit zwei anderen Co-Trainern an der Bande, was Söderholm klug anmoderiert. „Man steigt ja auch nicht in einen Flieger und stellt fest, dass die Pilotin eine Frau ist und geht zurück ins Terminal. Es ist egal, ob ein Mann oder eine Frau an der Bande steht. Ich hoffe, dass wir Diskussionen dieser Art bald nicht mehr führen müssen. Ich habe mit Jessica sechs Mal über ihren Job gesprochen, sie wird uns helfen.“ Ursprünglich sollte die deutsche WM-Gruppe in der größeren Helsinki Halli (früher unter „Hartwall Arena“ firmierend) spielen , doch die Halle hat russische Besitzer. Insofern wurde wegen des Kriegs in der Ukraine in Helsinki umdisponiert, was gut möglich war, denn das finnische Nationalteam tritt in der Gruppenphase in der neuen riesigen Arena von Tampere an. Die Vorrundenspiele in Helsinki stehen nicht in Gefahr, durchweg ausverkauft zu sein. Und die Spiele in dieser Halle können von Vorteil für das deutsche Team sein, denn zumindest kennt sich der Trainer ja dort gut aus.

Allerdings wird bei der WM – wie schon bei Olympia – auf einer kleineren Eisfläche gespielt. Das kennt Söderholm nicht in der Helsingin Jäähalli. „Damit werden wir aber klarkommen“, sagt er. Von Vorteil ist diesmal, dass er einige Spieler im Aufgebot hat, die in Nordamerika spielen und mit schmalerer Fläche vertraut sind. Aber der Bundestrainer weiß nach den negativen Erfahrungen von Peking, was auf sein Team zukommt.

Wichtig ist für Toni Söderholm bei der Rückkehr in die Heimat aber vor allem das Geschäft, für Nostalgie sei bei ihm in Helsinki kein Platz, sagt er. „Ich fahre ja nicht dahin, um Tickets zu verkaufen, sondern ich habe einen Job zu erledigen.“

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