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Groß gegen klein. Ins Olympiastadion passt die Gemeinde Spiesen-Elversberg fast sechsmal.

© Matthias Koch/Sebastian Räppold/Matthias Koch

Hertha BSC empfängt die SV Elversberg: Das Duell der Gegensätze

Absteiger gegen Aufsteiger, Hauptstadtklub gegen Dorfverein: Größer als zwischen Hertha BSC und der SV Elversberg können die Unterschiede zwischen zwei Zweitligisten kaum sein.

Größer können die Unterschiede nicht sein. Wenn Hertha BSC an diesem Sonntag (13.30 Uhr, live bei Sky) die SV Elversberg empfängt, dann ist das auch ein Duell der Gegensätze.

Der Absteiger aus der Bundesliga trifft auf den Aufsteiger aus der Dritten Liga. Deutschlands Hauptstadt mit 3,8 Millionen Einwohnern duelliert sich mit dem kleinsten Ort (12.797 Einwohner), der derzeit in der Zweiten Liga vertreten ist. Der Klub mit dem größten Stadion spielt gegen den Klub mit dem kleinsten. Ein Vergleich.


Die sportliche Situation

Sportlich betrachtet ist das Spiel Hertha gegen Elversberg an diesem Sonntag das Duell einer Mannschaft aus der unteren Tabellenhälfte gegen ein Team mit Tuchfühlung zu den Aufstiegsplätzen. Nichts anderes hätte man wohl auch vor der Saison erwartet – wenn auch mit anders verteilten Rollen.

Denn es sind die Elversberger, die in der Tabelle nach 14 Spieltagen als Sechster besser platziert sind als die große Hertha (Zehnter). „Sie spielen guten Fußball, sie kombinieren, sie haben Tiefe, machen schöne Tore“, sagt Pal Dardai, der Trainer der Berliner.

Dass Hertha immer noch unter dem verpatzten Saisonstart (drei Niederlagen und kein Tor aus den ersten drei Spielen) leidet, ist oft erzählt worden. Den Elversbergern ist es allerdings nicht anders ergangen. Mit nur einem Punkt stellten die Saarländer nach drei Spieltagen die zweitschlechteste Mannschaft der Liga, nach vier Spieltagen waren sie sogar Tabellenletzter.

23
Punkte holte Elversberg aus den letzten zehn Spielen. Nur der FC St. Pauli war mit 24 Punkten noch besser.

Bezeichnend für die Schwierigkeiten des Aufsteigers in der neuen Liga war das erste Heimspiel gegen Hansa Rostock. Bis in die zehnte Minute der Nachspielzeit führte Elversberg 1:0 – am Ende hieß es 1:2.

Seit dem fünften Spieltag aber holte nur der FC St. Pauli einen Punkt mehr als die Elversberger (23). In der Tabelle standen sie nur noch einmal hinter Hertha, und das lediglich wegen der schlechteren Tordifferenz. Und ganz egal, wie es am Sonntag ausgehen wird: Elversberg wird auch nach dem 15. Spieltag in der Tabelle weiterhin vor Hertha platziert sein.


Erfahrung

Was die Zweitligaerfahrung der beiden Kader angeht, liegen sowohl Hertha als auch Elversberg ziemlich weit hinten. Aus unterschiedlichen Gründen allerdings. Beide Teams sind neu in der Liga, doch die Berliner kommen von oben, die Elversberger von unten.

Auf 506 Zweitligaspiele bringt es die Sportvereinigung (Platz 18), wovon allein 191 auf den 34 Jahre alten Marcel Correia (früher Kaiserslautern, Braunschweig und Paderborn) entfallen. Herthas Spieler verzeichnen knapp doppelt so viele Zweitligaeinsätze (960, Platz 16).

Viel deutlicher fällt der Unterschied beim Vergleich der Nationalspieler aus. Die Berliner haben aktuell acht im Kader, die zusammen 202 Länderspiele bestritten haben. In Elversberg gibt es keinen einzigen. Mit Wahid Faghir (U 21 Dänemark) und dem von den Bayern ausgeliehenen Paul Wanner (U 20 Deutschland) stehen bei den Saarländern lediglich zwei Junioren-Nationalspieler unter Vertrag.


Mitglieder

Beim letzten Heimspiel vor drei Wochen haben die Berliner ihr 50.000. Mitglied begrüßen können. Hertha boomt. Allein seit dem Abstieg im Frühjahr gab es mehr als 6000 neue Anmeldungen. Unter den deutschen Fußballklubs liegen die Berliner damit aktuell auf Rang elf. Elversberg rangiert mit gerade mal 1500 Mitgliedern unter ferner liefen.


Stadion

Die Ursapharm-Arena an der Kaiserlinde ist nicht nur das kleinste Stadion der Zweiten Liga; sie ist streng genommen nicht einmal zweitligatauglich. Vorgeschrieben sind mindestens 15.000 Plätze, aktuell aber finden nur 10.512 Menschen Platz an der Kaiserlinde.

Die Infrastruktur der Sportvereinigung hat zuletzt nicht mithalten können mit dem rasanten sportlichen Aufschwung der ersten Mannschaft, die innerhalb von zwei Jahren von der Vierten bis in die Zweite Liga durchmarschiert ist.

35.000 Zuschauer erwartet Hertha an diesem Sonntag im Olympiastadion (74.244 Plätze) – also ungefähr dreimal so viele Menschen, wie in der Ortschaft Spiesen-Elversberg leben. Trotzdem könnte es der schlechteste Besuch bei einem Heimspiel in dieser Saison werden.

Bei 46.615 Zuschauern liegt derzeit der Schnitt (Platz drei hinter Schalke und dem HSV), Elversberg kommt auf 8845 (Platz 18). Bei der Auslastung hingegen hat der Aufsteiger mit 84,1 Prozent gegenüber 62,8 bei Hertha die Nase vorne.

Der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Im Frühjahr konnte die SV Elversberg die Meisterschaft in der Dritten Liga und den zweiten Aufstieg in Folge feiern.

© IMAGO/Fussball-News Saarland


Erfolge

Erst 14 Spiele in der Zweiten Liga liegen hinter der Sportvereinigung, trotzdem hat sie in der Ewigen Tabelle der Spielklasse schon einen gehörigen Satz gemacht: von Platz 128 auf Platz 125. Den Spandauer SV, Babelsberg 03 und den BSV Schwenningen haben die Elversberger bereits hinter sich gelassen. Hertha liegt mit 897 Punkten aus 570 Spielen auf Platz 21.

Während die Berliner zweimal – wenn auch vor laaaaanger Zeit – Deutscher Meister geworden sind, haben die Elversberger den größten Erfolg ihrer Vereinsgeschichte erst in diesem Sommer gefeiert: als sie sich die Meisterschaft in der Dritten Liga sicherten. Immerhin achtmal gewann die Sportvereinigung den Saarlandpokal, zuletzt gar viermal nacheinander.


Trainer

Dass Kontinuität auf der Trainerposition nicht die schlechteste Voraussetzung für Erfolg ist, das weiß man in Berlin spätestens seit der ersten Amtszeit von Pal Dardai, 47, bei Hertha BSC. Mehr als vier Jahre betreute der Ungar die Mannschaft.

Was vielen damals als graues Mittelmaß vorkam, hat sich im Nachhinein als eine Phase gesunder Stabilität herausgestellt. Herthas Niedergang mit dem Abstieg in diesem Frühjahr als Tiefpunkt setzte erst nach Dardais Abschied im Sommer 2019 ein.

Gewohnte Pose. Trainer Horst Steffen stieg mit Elversberg zweimal nacheinander auf und bewegt sich auch in der Zweiten Liga im oberen Tabellendrittel.

© IMAGO/Jan Huebner

Kontinuität wird offenbar auch in Elversberg geschätzt. Horst Steffen, 55, ist dort schon länger Trainer, als es Dardai am Stück bei Hertha war. Im Oktober hat der frühere Profi von Bayer Uerdingen, Borussia Mönchengladbach und dem MSV Duisburg bei der Spielvereinigung sein Fünfjähriges gefeiert.

Wie Dardai kommt auch Steffen aus einer Fußballerfamilie. Sein Vater Bernd hat unter Sepp Herberger zwei Länderspiele bestritten und zählte 1958 zum vorläufigen 40-Mann-Kader für die WM in Schweden.


Etat

Hertha hat in den vergangenen Monaten sparen müssen, bis es quietscht. Die Kosten sind drastisch reduziert worden. Und doch haben die Berliner mit etwa 32 Millionen Euro immer noch den zweithöchsten Personaletat der Zweiten Liga (hinter dem Hamburger SV). Die neun Millionen Euro, die Elversberg für seine Spieler ausgibt, nehmen sich da höchst bescheiden aus.

Dass das kein Grund ist, den Aufsteiger zu unterschätzen, zeigt allerdings die aktuelle Tabelle der Zweiten Liga. Ausschließen kann man es trotzdem nicht. „Das passiert unbewusst. So sind Fußballer“, sagt Pal Dardai. „Elversberg ist nicht Bayern München.“

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