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Einst Kollegen, heute Gegner. Alexander Zorniger (links) trifft mit dem VfB Stuttgart auf Rainer Widmayer und Hertha BSC.

© imago/Sportfoto Rudel

Hertha BSC gegen den VfB Stuttgart: Mit Mut gegen die Wand

Herthas Co-Trainer Rainer Widmayer lebt in der Nähe von Stuttgart und hat bereits für den VfB gearbeitet. Bei einem Geheimbesuch hat er die Stärken des kommenden Gegners noch einmal beobachtet - und Schwachstellen gefunden.

Rainer Widmayer hat am Wochenende einen wichtigen Undercoverauftrag für seinen Arbeitgeber wahrgenommen. Er hat sich sogar extra als Rainer Widmayer verkleidet, sich für acht Euro ein Stehplatzticket gekauft und dann im Schönebürgstadion in Crailsheim unters gemeine Volk gemischt. „I ess mei Worscht und schau zu“, sagt der Co-Trainer von Hertha BSC über seine Taktik, eine bessere Tarnung gibt es gar nicht: „Gesehen hat mich keiner.“ Dafür hat der Assistent von Pal Dardai „gesehen, was ich sehen wollte“.

Vom Familienwohnsitz der Widmayers in der Nähe von Stuttgart sind es immerhin 120 Kilometer nach Crailsheim, und am Samstagabend, als der VfB Stuttgart dort ein Testspiel gegen den Zweitligisten 1. FC Heidenheim bestritten hat, hätte Widmayer eigentlich frei gehabt. Trotzdem hatte er „das Gefühl, der Weg lohnt sich“. Und dieses Gefühl hat ihn nicht getrogen.

Zorniger könnte das System leicht modifizieren

Am heutigen Samstag (15.30 Uhr) treten die Stuttgarter im Berliner Olympiastadion gegen Hertha an, da fand es Widmayer nicht verkehrt „mal zu spüren, wie die Mannschaft auf dem Feld funktioniert“. Er hat sich die ersten drei Spiele des VfB im Fernsehen angeschaut, er ist schon durch seine schwäbische Herkunft und seine regelmäßigen Heimatbesuche immer ganz gut im Bilde darüber, was beim VfB passiert. Dennoch hatte Widmayer das Gefühl, dass es nicht schaden könne, sich auf den neusten Stand zu bringen. „Die machen sich Gedanken“, sagt Widmayer. „Trotz der Aussage: Wir halten an unserem System fest, war mir klar, das nach drei Niederlagen was geübt werden muss.“ Und genauso kam es.

Stuttgarts Trainer Alexander Zorniger bot seine Mannschaft gegen Heidenheim statt im 4-4-2-System im 4-1-4-1 auf, Daniel Didavi und Christian Gentner besetzten dabei die Halbpositionen im Mittelfeld. Der VfB stand laut Widmayer „einen Tick tiefer“, die erste Pressingreihe attackierte nicht gleich ganz vorne, sondern etwa zehn Meter vor der Mittellinie – aber mit der gleichen Intensität und Aggressivität, die Zorniger von seinen Mannschaften sehen will.

Herthas Co-Trainer hat mit Zorniger eine gemeinsame Vergangenheit beim VfB. Für fünf Monate haben sie als Assistenten des damaligen Cheftrainers Markus Babbel gearbeitet. Als Babbel im Sommer 2009 parallel zum laufenden Betrieb den Fußballlehrer-Lehrgang absolvieren musste, holte er sich Zorniger als zweiten Co-Trainer hinzu. Anfang Dezember aber wurde Babbel entlassen – und mit ihm auch seine beiden Assistenten.

"Die sind einfach giftig", sagt Widmayer über den VfB

Trotz dieser gemeinsamen Erfahrungen unterscheiden sich Widmayer und Zorniger in ihren fußballerischen Ansichten ganz erheblich. Während das Spiel bei Hertha in dieser Saison auf mehr Ballbesitz angelegt ist, ist Zorniger ein kompromissloser Verfechter des Gegenpressing-Modells mit flottem Umschaltspiel. Seitdem der 47-Jährige im Sommer beim VfB angefangen hat, hat er die Mannschaft einmal auf links gedreht. Zorniger gestattet seinen Spielern nur ungern Ruhepausen, die Mannschaft soll den Gegner und vor allem den Ball permanent jagen. „Die sind einfach giftig“, sagt Widmayer und spricht von einer extremen Aggressivität und einer regelrechten Gier im Spiel des neuen VfB. Wenn da in der ersten Welle fünf oder sechs Spieler angerauscht kommen, „die heiß sind ohne Ende, dann musst du mutig sein, um dich da rauszukombinieren“, sagt Widmayer.

Für ihren veränderten Stil haben die Stuttgarter und ihr Trainer schon viel Lob bekommen – allerdings noch keine Punkte. Die Niederlagen gegen Köln und den HSV waren höchst ärgerlich, weil der VfB deutlich überlegen war, sich etliche Chancen erarbeitet hatte, aber zu viele davon ungenutzt ließ.

Was die Stuttgarter bisher gezeigt haben, hat Herthas Co-Trainer – trotz der dürftigen Ergebnisse in der Bundesliga – durchaus beeindruckt. „Ich habe hohen Respekt vor der Arbeit von Alexander Zorniger“, sagt Widmayer. Einer Mannschaft ein komplett neues Design zu verpassen ist in der Regel keine Sache von Wochen, sondern eher eine von Monaten. „Aber die Mannschaft ist richtig drin in der Thematik“, findet Rainer Widmayer. „Sie ist ganz gefährlich – wenn man sie lässt.“

Im jüngsten Ligaspiel, bei der 1:4- Heimniederlage gegen Eintracht Frankfurt, traten aber auch die Defizite deutlich zu Tage. So gut der VfB vorne besetzt ist, mit Didavi, Ginczek, Kostic und Harnik (zumindest als Pressingspieler), so verletzlich waren bisher die hinteren Linien. „Wenn sie anlaufen, sind sie extrem aggressiv“, sagt Widmayer. „Das ist eine Wand. Aber es gibt Lösungen.“ Man muss die Wand irgendwie überwinden, dann bekommt der VfB Probleme.

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