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In die Knie gezwungen. Peter Niemeyer ist ein vorbildlicher Kämpfer. Diese Qualitäten sind bei Hertha BSC jetzt gefragt.

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Hertha BSC im Abstiegskampf: Der Kopf brummt

Keine Entwicklung, kein Plan, keine Punkte: Hertha BSC gerät immer stärker in Abstiegsgefahr. Und der nächste Gegner ist auch eher kein Aufbaugegner: Am Mittwoch kommt Leverkusen nach Berlin.

Peter Niemeyer weiß vermutlich selbst, dass seine fußballerischen Fähigkeiten natürliche Grenzen besitzen. Das mindert aber nicht zwangsläufig seinen Wert für Hertha BSC. Niemeyer hat sich vor allem in kämpferischer Hinsicht immer vorbildlich hervorgetan. Am Sonntag, beim Rückrundenstart des Berliner Fußball-Bundesligisten bei Werder Bremen, ist er noch dazu zu einer Symbolfigur für die aktuelle Situation bei Hertha geworden. Allerdings eher ungewollt.

Niemeyer war schon in der Anfangsphase von Bremens Innenverteidiger Jannik Vestergaard am Kopf getroffen worden. Er blutete und musste einige Minuten behandelt werden, ehe er aufs Feld zurück durfte. Bis zur Halbzeit hielt Herthas Mittelfeldspieler durch. Doch als er in der Pause mit frischem Elan von der Massagebank in der Mannschaftskabine aufstehen wollte, wurde ihm schwindelig.

Mit Hertha BSC verhält es sich im Februar 2015 ähnlich. Die Mannschaft wirkt angeschlagen, spätestens mit der 0:2-Niederlage in Bremen ist sie gehörig ins Taumeln geraten – und ob sie am Ende der Saison auch mit einer leichten Gehirnerschütterung davonkommt, so wie Peter Niemeyer, ist im Moment noch nicht abzusehen. Zu befürchten ist nach den letzten Eindrücken deutlich Schlimmeres.

„Das ist ein schwieriger Auftakt für uns“, sagte Innenverteidiger Sebastian Langkamp nach dem Spiel in Bremen – zumal die kommenden Aufgaben einen kaum geringeren Schwierigkeitsgrad besitzen. Am Mittwoch empfängt Hertha den Champions-League-Anwärter Bayer Leverkusen, am Samstag müssen die Berliner beim FSV Mainz 05 antreten, der nach neun Spielen ohne Sieg mit einem beeindruckenden 5:0 gegen den SC Paderborn in die Rückrunde gestartet ist.

Eine derartige Befreiung sehnen sie auch in Berlin herbei, doch die jüngsten Eindrücke geben wenig Anlass zur Hoffnung. Eine Entwicklung, zumindest eine zum Besseren, ist derzeit schwer zu erkennen. Nichts verdeutlicht das besser als die beiden Spiele gegen Werder in dieser Saison. Im Sommer war Hertha die klar überlegene Mannschaft, die ihren 2:0-Vorsprung nur mit viel Pech noch verspielte; am Sonntag brachten die Berliner in 90 Minuten keinen einzigen Ball auf Werders Tor. Bei den Bremern ist der Einfluss des neuen Trainers klar zu erkennen. „Wir wollen ballverliebt sein“, sagte Viktor Skripnik. Werder scheut sich, anders als viele Konkurrenten im Abstiegskampf, nicht vor der Initiative, trotz der latenten Bedrohung durch Herthas Umschaltspiel und der erkennbar vorhandenen Lücken in der eigenen Defensive. Zum ersten Mal in dieser Saison, so berichtete Skripnik nicht ohne Stolz, habe seine Mannschaft mehr Ballbesitz gehabt als der Gegner.

Der Gegner darf machen und tun, Hertha lauert aufs Konter - was meist nach hinten losgeht

Herthas Plan ist das genaue Gegenteil: Der Gegner darf machen und tun, Hertha lauert aufs Kontern. Der Plan funktioniert leidlich – zumindest so lange, bis der Gegner in Führung geht. Ab da ist Hertha komplett planlos, auch in Bremen wieder. Erneut offenbarte die Mannschaft ihre Ideenlosigkeit und kreative Armut. Natürlich ist das auch der personellen Not geschuldet: Gegen Werder fehlten Alexander Baumjohann, Tolga Cigerci, Per Skjelbred, Änis Ben-Hatira und Salomon Kalou, allesamt Spieler, die auch in der Offensive Gefahr entwickeln können. Doch trotz dieser zum Teil langfristigen Ausfälle hat Hertha von Nachverpflichtungen auf den letzten Drücker abgesehen.

Jos Luhukay hat geglaubt, mit Ronny einen Spieler im Kader zu haben, der den kreativen Mangel beheben kann. Ob er nach dem Spiel in Bremen immer noch dieser Ansicht ist, hat Herthas Trainer leider nicht verraten. Auf die Frage nach der Leistung des Brasilianers antwortete er: „Wir gewinnen gemeinsam, und wir verlieren gemeinsam.“ Viereinhalb Jahre steht Ronny inzwischen bei Hertha unter Vertrag, er hat in dieser Zeit eine überragende Saison gehabt – das war in der Zweiten Liga. Eine Klasse höher hat Ronny noch nicht belegen können, dass seine Fähigkeiten reichen, um ein stabiler Faktor bei Hertha zu sein. Allein auf ihn zu setzen ist also mindestens fahrlässig.

Luhukay hat sich in der Vorbereitung als großer Ronny-Fan zu erkennen gegeben. Der Brasilianer sei ein Spieler, der über Extraqualitäten verfüge. In der Tat hat Ronny, wenigstens wenn es gut läuft, eine außergewöhnliche Schusstechnik, er ist extrem gut in der Ballbehauptung. Dafür fehlen ihm Dynamik, taktisches Verständnis und der Wille zur Defensive. Neu ist diese Erkenntnis nicht. Herthas Lücken auf der linken Abwehrseite gegen Werder waren auch Ronnys Weigerung geschuldet, entschlossen nach hinten zu arbeiten. Einen Freistoß aus dem Mittelfeld drosch er hoch und weit am Tor vorbei, und auch sonst war von seinen Extraqualitäten nichts zu sehen. Dazu war er mit einer Top-Geschwindigkeit von 28,2 Stundenkilometern von allen Startelfspielern auf dem Feld der langsamste, und seine Passquote von 50 Prozent wurde lediglich von Nico Schulz (40) unterboten.

Mit solchen Werten ist Ronny nicht nur keine Hilfe. Mit solchen Werten ist er eine ernste Gefahr für Hertha BSC.

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