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Ante Covic (links) hat für die Saison schon „ein Gerüst im Kopf“.

© dpa

Hertha BSC in der Vorbereitung: Ruhe durch Chaos

Trainer Ante Covic ist zufrieden mit dem Trainingslager. An ein paar Dingen gilt es bis zum Saisonstart aber noch zu arbeiten.

Dass es in einem Trainingslager schon mal mehr oder weniger große Pannen gibt, das ist wirklich nicht ungewöhnlich. Auch Hertha BSC ist davon im Burgenland nicht verschont geblieben. Bei der letzten Einheit auf der Anlage des SV Stegersbach schlichen die Spieler des Berliner Fußball-Bundesligisten mit gesenkten Köpfen über die beiden Rasenplätze, auf denen sie in den vergangenen acht Tagen trainiert hatten. Aber das lag nicht daran, dass sie schlechte Laune hatten. Sie suchten den Ehering ihres Kollegen Mathew Leckie, den sie irgendwo im Gras vermuteten. Dass die Fahndung erfolglos verlief, war höchst ärgerlich, vor allem für Leckie; dass sich die ganze Mannschaft daran beteiligte, fand Trainer Ante Covic allerdings durchaus bemerkenswert – weil es für eine gewisse Kollegialität spricht.

„Wir haben all das, was wir vorhatten, umsetzen können“, sagte der Kroate. Okay, die Wiederbeschaffung des Eherings ausgenommen. Aber sonst zeigte sich Herthas neuer Trainer mit der Arbeit in Österreich sehr zufrieden. Nach dem Trainingslager in Neuruppin, in dem es vor allem um die körperlichen Grundlagen für die anstehende Saison gegangen war, arbeitete Covic in Österreich unter anderem an taktischen Feinheiten.

Das Spiel von Hertha BSC soll deutlich anders aussehen als unter dem bisherigen Trainer Pal Dardai: aktiver, dominanter, mutiger. Das ist ein hoher Anspruch. Auch Dardai hat immer wieder darauf hingewiesen, dass er im Training vor allem an der Offensive arbeite. Was die Mannschaft dann in der Praxis unter Erfolgs- und Ergebnisdruck daraus macht, ist eine ganz andere Sache.

Die Einheiten in Stegersbach waren nicht so lang wie noch in Neuruppin, dafür umso intensiver: mit vielen Zweikämpfen, Spielformen auf verkleinerten Feldern, Über- und Unterzahlsituationen. Dazu kamen taktische Übungen in verschiedenen Systemen, damit die Spieler erkennen, was im Alltag auf sie zukommen kann und wie sie darauf zu reagieren haben. „Die Variabilität war klar zu erkennen“, sagte Covic.

Das Team braucht in den ersten Spielen eine gewisse Flexibilität

4-4-2, 4-3-3, 3-5-2 oder auch, wie am Mittwoch in der ersten Halbzeit des Tests gegen West Ham United, ein 4-1-4-1: Der neue Trainer möchte, dass das Team mehrere Grundordnungen beherrscht, dass es auch innerhalb eines Spiels auf neue Herausforderungen reagieren kann. „Wir wollten auf dem Platz Chaos produzieren, damit die Spieler im Ernstfall die Ruhe bewahren“, sagte er über die Übungen im Training, „Es ist uns recht gut gelungen, dass die Jungs sensibilisiert sind für die unterschiedlichen Systeme. Die Spieler sind alle gewillt, das bestmöglich umzusetzen.“

Dass das Team eine gewisse Flexibilität braucht, werden bereits die ersten beiden Pflichtspiele zeigen: Im Pokal geht es gegen den VfB Eichstätt, einen Viertligisten, in der Liga wird es Hertha nur fünf Tage später gleich mit dem Deutschen Meister Bayern München zu tun bekommen. „In Eichstätt werden wir mit Sicherheit mehr Dominanz besitzen als in München“, sagt Covic. Nicht dass er nicht auch gegen die Bayern dominant auftreten möchte, aber die Realität zeigt, dass das den Gegnern der Bayern eher selten gelingt. „Da sind dann andere Spielertypen gefragt“, erklärt Covic. Mit anderen Worten: Die Startelf am Sonntag in einer Woche wird anders aussehen als die am Freitag darauf. „Natürlich habe ich schon ein Gerüst im Kopf“, sagt Herthas Trainer. „Aber es wäre fahrlässig, sich nur auf einen Plan A festzulegen, ohne einen Plan B zu haben.“

Zwei Testspiele haben die Berliner in Österreich bestritten. Dem 2:1-Erfolg gegen Fenerbahce Istanbul folgte am Mittwochabend eine 3:5-Niederlage gegen West Ham. Lange wirkte es sehr anständig, was Hertha zeigte. Das Team ging dreimal in Führung. Mit Pascal Köpke (zwei Treffer) und Davie Selke zeichneten sich zwei Spieler als Torschützen aus, die in der Vorbereitung nicht immer glücklich mit ihrer Performance und ihrer Situation gewirkt hatten. Das Pressing funktionierte recht gut, am Ende aber ließen erkennbar die Kräfte nach, so dass die Engländer in den letzten 20 Minuten aus einem 2:3 noch ein 5:3 machten.

Gegen den Ball soll die Mannschaft noch giftiger werden

Auch gegen West Ham wechselte Covic wieder munter durch, um möglichst vielen Profis die nötige Spielpraxis zu gewähren. Am Samstag, bei der Generalprobe gegen Chrystal Palace, geht es dann eher ums Einspielen. „Da werden einige auf dem Platz sein, die auch gegen Eichstätt beginnen werden“, kündigte Covic an. Die Auswahl ist groß – auch weil der Kader im Trainingslager von Verletzungen weitgehend verschont geblieben ist. Aus Gründen der Belastungssteuerung wurde einigen Spielern zwar immer mal wieder eine Pause gewährt; ernsthaft verletzt aber hat sich niemand. Auch bei Dedryck Boyata, Neuzugang von Celtic Glasgow, liegt angeblich kein gravierendes Problem vor. Trotzdem hat er aufgrund muskulärer Probleme seit Donnerstag voriger Woche nicht mehr auf dem Platz trainieren können. Der Belgier wäre nach den bisherigen Eindrücken sogar ein Kandidat für die Startelf gewesen, kommt für den Saisonauftakt nun aber wohl nicht mehr in Frage.

Ein paar Dinge gibt es noch, an denen es bis zum Saisonstart zu arbeiten gilt. Gegen den Ball müsse seine Mannschaft noch giftiger werden, mit mehr Tempo ins Pressing gegen, sagt der Trainer. Und auch der letzte Pass in die Spitze ist noch verbesserungswürdig. „Aber das hat auch was mit der Frische zu tun“, erklärt Ante Covic. Und Frische holt man sich im Trainingslager eher nicht.

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