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Kritischer Blick. Herthas Manager Michael Preetz (rechts, mit Präsident Werner Gegenbauer) musste sich zuletzt nicht nur mit sportlichen Themen beschäftigen.

© imago/Matthias Koch

Vor dem Spiel gegen die TSG Hoffenheim: Hertha BSC ist am kritischen Punkt

Fünf Spiele sieglos, viele Verletzte, interne Unruhe: Bei Hertha BSC ist die erste Euphorie verflogen.

Die Zahl lässt sich so und so interpretieren. 45.000 Zuschauer erhofft sich Hertha BSC für das Heimspiel am Samstag gegen die TSG Hoffenheim. Man kann das durchaus positiv deuten. Nur zweimal – und das unter besonderen Bedingungen – kamen mehr Menschen ins Berliner Olympiastadion, um dieser Begegnung beizuwohnen: In der Saison 2008/09, als Hertha überraschend um die deutsche Meisterschaft kämpfte, und am letzten Spieltag der Saison 2011/12, als es für die Berliner darum ging, sich zumindest noch in die Relegation zu retten. Andererseits wird die Zuschauerzahl an diesem Samstag, im sechsten Heimspiel der Saison, zum ersten Mal unter der 50 000er-Marke liegen. Die große Euphorie aus den ersten Wochen dieser Spielzeit ist erst einmal verflogen.

Von Platz zwei ging es für den Berliner Fußball-Bundesligisten nahezu ungebremst ins Niemandsland der Tabelle. Achter ist Hertha aktuell, seit fünf Spielen wartet die Mannschaft auf einen Sieg, und zuletzt gab es zwei Niederlagen mit insgesamt 1:7-Toren. „Man muss das differenziert betrachten“, sagt Manager Michael Preetz. Unter den fünf sieglosen Spielen sei immerhin ein Unentschieden beim Tabellenführer Borussia Dortmund gewesen, das wohl niemand als Misserfolg empfinde. Aber es gab eben auch, unmittelbar vor der Länderspielpause, das deprimierende 1:4 beim Tabellenletzten Fortuna Düsseldorf, der gegen Hertha in einer Halbzeit so viele Tore erzielte wie in den acht Spielen zuvor. „Das war einfach nicht gut“, sagt Preetz.

Hertha hat die Leichtigkeit im Spiel verloren

Im Moment kommt bei Hertha einiges zusammen: Mit den fehlenden Erfolgen ist auch die Leichtigkeit im Spiel verschwunden. Ein bisschen scheint es, als wisse die Mannschaft selbst nicht genau, wer oder was sie im Moment sein will. Vorne ist sie nicht mehr effizient, hinten lässt sie zu viel zu, und richtig fleißig wie früher ist sie auch nicht mehr. Keiner der 18 Bundesligisten ist in dieser Saison weniger gelaufen als Hertha BSC. „Fakt ist: Wir müssen uns steigern“, sagt Trainer Pal Dardai. Gegen die Hoffenheimer, die zuletzt drei Auswärtsspiele hintereinander gewonnen haben, gehe es nicht um Spielkontrolle, „es geht darum, das Spiel zu gewinnen. Das ist auch nötig für uns.“

Für den Trainer ist die Situation alles andere als leicht. Vor zwei Wochen hat Dardai gesagt, dass er froh sei über die Länderspielpause. Dann verletzte sich im Test gegen Aue mit Karim Rekik ein weiterer Innenverteidiger; Javairo Dilrosun kam mit einer Muskelverletzung von seinem Länderspieldebüt für Holland zurück und fällt für den Rest der Hinrunde aus, und Mathew Leckie, die erste Option für Dilrosuns Platz in der Offensive, hat nach seiner Weltreise zur australischen Nationalmannschaft nur eine komplette Trainingseinheit mit seinen Kollegen absolvieren können.

Immerhin sind die Verwerfungen mit den Fans halbwegs ausgeräumt. „Es gibt klare Regeln, an die man sich halten muss. Da werden wir auch in Zukunft drauf achten“, sagt Preetz mit Blick auf die Ereignisse in Dortmund vor einem Monat. „Genauso wichtig aber ist es, dass wir einen vernünftigen Austausch haben.“ Nach zwei Jahren Sprachlosigkeit reden Ultras und Vereinsführung wieder miteinander. Im Gegenzug hat Hertha das Verbot von Bannern und Spruchbändern aufgehoben.

Trotzdem fällt die missliche sportliche Lage in eine Zeit, in der der gesamte Klub ein bisschen nervös zu sein scheint. Anfang der Woche machte der „Kicker“ eine Geschichte öffentlich, die viel über das Innenleben des Klubs erzählt. Wie der Tagesspiegel schon vor zwei Wochen berichtet hatte, sollten sich die Mitarbeiter nach dem letzten Heimspiel gegen Leipzig im Mittelkreis versammeln, um zu demonstrieren: Wir stehen zusammen und lassen es nicht zu, wenn einer von uns dauernd attackiert wird. Erst in letzter Sekunde, möglicherweise unter dem Eindruck der 0:3-Niederlage, wurde die Aktion abgeblasen, die Paul Keuter aus der Geschäftsleitung hätte gelten sollen. Keuter, der die digitale Transformation des Vereins vorantreiben soll und die Fans nicht nur durch sein Aufgabengebiet bereits nachhaltig verschreckt hat, ist für die Kurve zum Sündenbock für sämtliche Fehlentwicklungen bei Hertha geworden.

Die Mannschaft verweigerte sich dem Wunsch des Managers

Manager Preetz hätte es gern gesehen, wenn auch die Mannschaft zum Mitmachen bereit gewesen wäre. Nach dem Abschlusstraining für das Leipzig-Spiel erschien er in der Kabine und unternahm einen letzten Versuch, die Spieler zu überreden – doch die verweigerten sich.

Auf Unstimmigkeiten mit der Mannschaft und mögliche Folgen für das sportliche Abschneiden angesprochen, entgegnet Preetz: „Von Unstimmigkeiten müsste ich was wissen.“ Er habe die Mannschaft gefragt, sie habe nein gesagt. Am Ende eines demokratischen Prozesses müsse man das akzeptieren, auch wenn man selbst anderer Meinung sei. „Für mich wäre es in meiner Position ein Leichtes gewesen, etwas anzuweisen. Aber das war nicht die Intention. Es gab überhaupt keine Dissonanzen zwischen der Mannschaft und mir“, sagt Herthas Manager. Und überhaupt: „Die Konzentration auf den Sport ist das Entscheidende.“

Vielleicht haben einige Spieler das am Freitag vor drei Wochen auch gedacht, als Preetz bei ihnen in der Kabine vorsprach.

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