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Hinterher ist man schlauer. Sagte Jos Luhukay in einer ersten Reaktion nach der 1:3-Niederlage im Pokal in Kaiserslautern. Er hatte neun neue Spieler aufgeboten.

© Ottmar Winter

Hertha-Trainer in der Kritik: Wagemut und Übermut

Nach seiner großen Rotation und dem Pokalaus in Kaiserslautern erfährt Herthas Trainer Jos Luhukay erstmals mediale Kritik.

Werner Gegenbauer wohnte der Pressekonferenz nach dem Spiel wie üblich als Zuschauer bei, doch anders als sonst schien der Anflug von einem Grinsen auf seinem Gesicht zu liegen. Das ist kein gutes Zeichen. Selbst nach den schönsten, tollsten und überraschendsten Siegen von Hertha BSC macht der Präsident ein Gesicht, als wäre sein Klub gerade in die Landesliga zwangsversetzt worden. Wenn es also einen reziproken Zusammenhang zwischen dem Ergebnis und der sichtbaren Laune des Präsidenten gibt, muss Gegenbauer am Mittwochabend ziemlich wütend gewesen sein. Vielleicht aber konnte er auch gar nicht anders, als sarkastisch zu grinsen.

Wie sonst soll man angemessen reagieren auf Herthas Niederlage gegen den 1. FC Kaiserslautern? Gegen den Elften der Zweiten Liga, der zuletzt weder durch spielerische Klasse noch durch unbändiges Selbstvertrauen aufgefallen war? Egal, Herthas Peinlichkeiten im DFB-Pokal fanden auf dem Betzenberg eine beinahe logische Fortsetzung. Für die Berliner war es das achte Pokal-Aus gegen einen unterklassigen Gegner seit 2002 (siehe Kasten). Gerade angesichts dieser Vorgeschichte bekam die Niederlage in Kaiserslautern eine besondere Note. Zumal der Eindruck entstand, als wäre sie billigend in Kauf genommen worden.

Herthas Trainer Jos Luhukay, der eigentlich nicht zu Überschwang neigt, schien sich regelrecht in einen Rotationsexzess gesteigert zu haben: Einer geht noch, einer geht noch raus! Am Ende waren neun Spieler im Vergleich zum Bundesligaspiel in Freiburg aus der Mannschaft geflogen. Allein Torhüter Thomas Kraft und Fabian Lustenberger blieben aus der vermeintlichen Stammbesetzung übrig. Auf die Frage nach dem Warum antwortete Luhukay: „Weil ich davon überzeugt war, dass wir mit dieser Mannschaft eine Runde weiterkommen – sonst hätte ich es nicht gemacht.“

Man wird Herthas Trainer ganz sicher keinen Vorsatz vorwerfen können, aber mindestens grobe Fahrlässigkeit. Mit seinen Entscheidungen handelte er den Bedürfnissen des Vereins zuwider und an den Befindlichkeiten der Fans vorbei. Seit Jahren hegt Herthas Anhang eine unerfüllte Sehnsucht nach Erfolgen im Pokal; dazu hätte das Weiterkommen dem klammen Verein eine außerplanmäßige Einnahme von mindestens einer halben Million Euro beschert. Gerade vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, wie dezent Luhukay seinen Willen dokumentierte, die nächste Runde zu erreichen. „Auf dem Papier hatten wir qualitativ keine schlechtere Mannschaft als Kaiserslautern“, rechtfertigte sich Herthas Trainer am Tag danach. „Auch Motivation und Ehrgeiz waren vorhanden.“ Für den Holländer gibt es ohnehin weder Stammspieler im klassischen Sinne noch eine feste A-Elf, weshalb er die allgemeine Aufregung nicht ganz verstehen konnte. Allerdings wird auch Luhukay wissen, dass elf gute Spieler nicht unbedingt eine gute Mannschaft ergeben, wenn sie nicht eingespielt und aufeinander abgestimmt sind. Vor allem die Summe der Veränderungen war am Ende wohl ein bisschen zu viel des Guten.

Seitdem Jos Luhukay Trainer bei Hertha ist, hat er fast alles richtig gemacht: Seine Prognosen sind beinahe ausnahmslos eingetroffen, selbst scheinbar unsinnige Entscheidungen haben sich im Nachhinein als treffend erwiesen. Das Spiel in Kaiserslautern aber hat seinem Image erste Kratzer zugefügt. Zum ersten Mal erfährt der Holländer in Berlin mediale Kritik, zum ersten Mal hat sich beim Anhang Unmut geregt. „Wenn wir gewonnen hätten, hätte es viele Lobeshymnen für den Trainer gegeben“, sagte Luhukay. „Jetzt bin ich der Hauptverantwortliche für die Niederlage. Das muss ich auf mich nehmen. Und das tue ich auch.“

Luhukay reagierte, nachdem die Lauterer aus dem 0:1 ein 2:1 gemacht hatten: zunächst überhaupt nicht

Mag sein, dass es weitsichtig von Luhukay war, einige Spieler für das Spiel am Samstag gegen Mainz zu schonen, bevor es Hertha in der Bundesliga mit den ganz schweren Gegnern zu tun bekommt. Die Mainzer haben ihre jüngsten vier Pflichtspiele verloren und waren neben Hertha der einzige Bundesligist, der in der zweiten Pokal-Runde an einem unterklassigen Gegner gescheitert ist. Andererseits hat Luhukay seine Mannschaft mit seinen wilden Rochaden der Chance beraubt, mit einem Erfolg im Pokal die Stimmung wieder ins Positive zu wenden. „Ein Weiterkommen wäre sehr wichtig gewesen“, gab er selbst zu. „Für die sportliche Situation und für die Ehre.“

Sein Handeln aber stimmte irgendwie nicht mit seinem Reden überein. Natürlich musste Herthas Trainer auf einige verletzte Spieler verzichten; Peter Pekarik, Sebastian Langkamp und Johannes van den Bergh hätten aber sehr wohl spielen können; Adrian Ramos und Ronny, die auf der Bank saßen, ganz sicher. Dass Luhukay sie draußen ließ, stärkte den Eindruck, dass er das Pokal-Spiel als nicht besonders wichtig erachtete. Dazu passte, wie Luhukay reagierte, nachdem die Lauterer aus dem 0:1 ein 2:1 gemacht hatten: zunächst überhaupt nicht. Erst eine Viertelstunde später schickte Luhukay seinen besten Stürmer Ramos aufs Feld. Als wenig später Ronny zur Einwechslung bereit stand, erzielte der Zweitligist das entscheidende 3:1.

„Jetzt müssen wir wieder ein Jahr warten“, sagte Jos Luhukay am Donnerstag. Immerhin: Sein Bedauern klang echt.

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