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DDR-Doping: In der Waldorfschule

Der ehemalige DDR-Funktionär Thomas Köhler gibt zwar erstmals flächendeckendes Doping zu. Aber schuld sollen mal wieder andere gewesen sein.

Wer trägt die Schuld am DDR-Dopingsystem? Es klingt nach einer einfachen Frage, die von den Gerichten nach der Wende in einigen Fällen auch beantwortet worden ist. Manfred Ewald zum Beispiel, der verstorbene höchste Sportfunktionär der DDR, ist wegen Beihilfe zur Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von 22 Monaten verurteilt worden. Sein Stellvertreter Thomas Köhler musste wegen der Verabreichung von „unterstützenden Mitteln“ eine Geldstrafe von 26 400 Mark zahlen. Das sollte man sich gut merken. Denn nun hat sich eben dieser Thomas Köhler mit einem Buch zu Wort gemeldet, indem er seine Verantwortung bestreitet.

Der ehemalige DDR-Funktionär gibt zwar erstmals flächendeckendes Doping auch von Minderjährigen zu. Aber schuld seien andere gewesen: Der Westen, der auch gedopt habe und die DDR damit Anfang der Siebzigerjahre dazu gezwungen habe. Manfred Ewald, der als einziger den Überblick über das Dopingssystem gehabt habe. Und die Sportler, die alles gewusst hätten und die unerlaubten Mittel einvernehmlich genommen hätten. Außerdem seinen die gedopten Sportler in der Regel erwachsen und im Schwimmen mindestens 16 Jahre alt gewesen. Falls doch einmal jünger, dann sei das ein Versehen gewesen. Schließlich fragt Thomas Köhler unschuldig: „Kann man überhaupt einen Sportler, einen Arzt oder einen Trainer zum Doping zwingen?“.

Alles freiwillig? Alles im Einvernehmen? Kein Zwang? Nimmt man Thomas Köhler ernst, muss das Sportsystem der DDR eine einzige große Waldorfschule gewesen sein.

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