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Brust raus. Rob Friend (links) fehlt derzeit die Selbstverständlichkeit eines Torjägers. Was schieflaufen kann, läuft schief. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Sport: Lauf in die falsche Richtung

Hertha BSC spielt jetzt mit dem System, das Rob Friend braucht – doch für ihn kommt das zu spät

Berlin - Manche Dinge stellen sich auf den zweiten Blick ganz anders dar, als sie auf den ersten erscheinen. Das, was Rob Friend am vergangenen Wochenende widerfahren ist, zum Beispiel. Das Spiel von Hertha BSC bei Alemannia Aachen war längst entschieden, als der Kanadier eingewechselt wurde, aber für Friend war der Kurz-Einsatz kein Austrudeln Richtung Schlusspfiff, sondern eine Chance, sich verlorene Sicherheit zurückzuholen. Auf dem Platz sah das dann so aus: Eine Flanke flog in den Aachener Strafraum, Friend, völlig frei stehend, setzte zum Volleyschuss an, doch der Ball flog am Tor vorbei – und mit ihm Friends Fußballschuh.

„Das schaut natürlich ein bisschen blöde aus“, sagt Herthas Trainer Markus Babbel über die unglückliche Aktion seines Stürmers, die das gemeine Publikum in seiner Ansicht bestätigt haben dürfte, dass Friend auf dem besten Weg zur tragischen Figur ist und dass das mit ihm in Berlin wohl nichts mehr geben wird. Für Babbel war die Aktion der Beweis, dass sich der Stürmer längst nicht aufgegeben hat und auch unter erschwerten Bedingungen um seine Form ringt. Kurz vor seinem Fehlschuss war Friend der Schnürsenkel gerissen, der Schuh saß nur noch lose am Fuß, und trotzdem versuchte es der Kanadier.

Friend, 30, ist nun schon eine komplette Halbserie ohne Tor, nachdem er mit vier Treffern aus den ersten sechs Spielen einen durchaus ansehnlichen Start in Berlin hatte. Am 24. September, bei Energie Cottbus, hat der Kanadier sein bisher letztes Tor erzielt. In zwölf Einsätzen seitdem ging er leer aus, 656 Spielminuten ist er nun schon ohne Treffer.

„Man kann ihm keinen Vorwurf machen“, sagt Babbel. „Er wirft sich jeden Tag im Training rein.“ Das ist auch am Morgen nach dem Spiel in Aachen zu sehen. Es ist Sonntagvormittag, nach dem Training haben die Spieler anderthalb Tage frei; entsprechend eilig haben sie es, nach dem Ende der Einheit nach Hause zu kommen. Nur Friend steht immer noch auf dem Platz. Er hat ein Dutzend Bälle an der Strafraumlinie aufgereiht und schießt sie aufs leere Tor.

„Rob ist einfach ein Musterprofi“, sagt Friends Berater Andreas Kirsch. „Er hat sich alles hart erarbeitet. Ihm ist nie was leichtgefallen.“ Aber so schwer wie jetzt bei Hertha war es für ihn vielleicht noch nie. Zwei Millionen Euro hat der Bundesliga-Absteiger im Sommer für den Stürmer an Borussia Mönchengladbach bezahlt. Eine Menge Geld, an dem sich die Bedeutung bemessen lässt, die Friend von Herthas Trainer Babbel zugedacht war. Der Kanadier sollte der Fixpunkt im Offensivspiel der Berliner sein: als kopfballstarker Stoßstürmer, als Vollstrecker im Strafraum, der von den Seiten verlässlich mit Flanken versorgt wird. Dann aber riss sich Patrick Ebert, als Vorbereiter fest eingeplant, das Kreuzband und fiel die komplette Hinserie aus.

Niemand hat darunter mehr gelitten als Rob Friend. „Wir wissen, wie sehr sein Spiel von Flanken lebt“, sagt Herthas Manager Michael Preetz. Aber die Flanken kamen nicht. Nikita Rukavytsya spielte, anders als geplant, vornehmlich auf der rechten Seite, was dazu führte, dass er als Linksfuß häufiger selbst den Abschluss suchte, anstatt den darbenden Friend zu bedienen. Auf links versuchten sich wahlweise Ronny und Adrian Ramos, beide keine prototypischen Flügelstürmer.

Am Wochenende hat Babbel zum ersten Mal mit der Flügelzange seiner Wahl gespielt, mit Ebert rechts und Rukavytsya links, vermutlich wird er das auch heute gegen den FSV Frankfurt (18 Uhr) tun. Aber Friend wird wieder nur auf der Bank sitzen. Für ihn kommt Eberts Rückkehr zu spät. Es ist, als wäre die Zeit über ihn hinweggegangen. Pierre-Michel Lasogga hat sich Friends Unpässlichkeit mit Herthas Ersatzsystem zunutze gemacht und sich einen Stammplatz erobert. „Pierre hat sich festgespielt, er lässt da auch keine Luft ran“, sagt Preetz. „Aber so, wie Rob arbeitet, wird seine Zeit kommen.“

Friends Berater Andreas Kirsch sagt, dass der Stürmer seine Situation mit Fassung trage, weil er überzeugt sei, sich bei Hertha durchzusetzen. Im Winter, so erzählt Kirsch, habe Friend ein Angebot von einem Bundesligisten gehabt: „Das hat er komplett abgebügelt.“ Aber dass der Weg zurück lang und hart wird, merkt Friend bei jedem Training. „Momentan ist es so, dass er keinen Lauf hat und kein Glück“, sagt Michael Preetz. Das war auch in der vorigen Woche zu sehen. Babbel ließ seine Mannschaft auf vier kleine Tore spielen, mit der Vorgabe, dass der Ball in einer vier Meter breiten Zone vor dem Tor nur noch einmal berührt werden durfte.

Friend traf den Pfosten, das Außennetz, manchmal flog der Ball auch weit am Ziel vorbei. Einmal aber hatte er freie Bahn. Friend lief aufs Tor zu – und traf. Doch er hatte den Ball in der verbotenen Zone zweimal berührt. Der Treffer zählte nicht.

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