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In diesem Jahr ZDF-Experte: Gerd Schönfelder.

© Julian Stratenschulte/dpa

Paralympics-Teilnehmer Gerd Schönfelder: "Leck mich, da musst du auch hin!"

Deutschlands Rekord-Paralympionike Gerd Schönfelder über einen folgenschweren Besuch bei der Oma, seinen Neuanfang als Skifahrer und ein Gespräch mit Markus Wasmeier.

Von Benjamin Apitius

Herr Schönfelder, mit 16 Goldmedaillen sind Sie der erfolgreichste deutsche Paralympics-Teilnehmer. Welche Bedeutung hat für Sie der Winter?

Ich habe mich schon als Kind immer gefreut, wenn es kälter wurde. Mit dem ersten Schnee wollte ich dann sofort raus zum Skifahren.

Wann standen Sie zum ersten Mal auf Skiern?

Mit drei Jahren.

Hatten Sie schon vor Ihrem Unfall das Ziel einer Sportlerkarriere?

Ich komme aus einem kleinen Ort mit zweieinhalbtausend Einwohnern – irgendwann gründete sich da ein Skiklub, wir waren alle ganz gut dabei. Mit zwölf Jahren wurde ich dann bayrischer Vizemeister im Riesenslalom. Für mich als Oberpfälzer war das natürlich ein Ding (lacht), die Elite kam ja eigentlich aus den Alpenregionen. Ich bekam dann ein Angebot, auf das Ski-Gymnasium in Berchtesgaden zu gehen, aber ich wollte nicht weg von meinen Kumpels, meiner Familie. Nach und nach hat sich das dann mit einer Sportlerkarriere erledigt. Ich sage es mal so: Das Talent war da, aber irgendwann die Möglichkeit nicht mehr.

1989 verloren Sie im Alter von 19 Jahren bei einem Zugunfall Ihren rechten Arm und vier Finger Ihrer linken Hand. Hatten Sie bis dahin bereits mal von Behindertensport gehört?

Ich hatte vielleicht schon mal von den Paralympics gehört, aber nicht, dass da Skifahrer starten, also auch meine Sportart vertreten ist.

Zwischen Ihrem Unfall und Ihrer ersten Goldmedaille 1992 in Albertville lagen nur knappe drei Jahre.
Während meiner Rehazeit war ich mal an einem Samstag, das weiß ich noch genau, bei meiner 92 Jahre alten Oma zu Besuch. Während sie in der Küche die Brotzeit zubereitete, las ich in ihrer Zeitung. Und was lese ich da? Einen Artikel über die Nationalmannschaft im Behinderten-Ski bei der WM in Colorado. Ich dachte nur, leck mich, da musst du auch hin!

Können Sie sich noch an die erste Abfahrt nach Ihrem Unfall erinnern?

Das weiß ich noch wie heute. Die Linkskurve ging schlecht, die Rechtskurve war besser. Mir hat auf der einen Seite der Schwung gefehlt. Aber da habe ich mich dann schnell drauf eingestellt.

Was haben die Nationaltrainer gesagt? War bei Ihren ersten Trainings schon abzusehen, welche Karriere Ihnen bevorsteht?

Leute wie ich sind eher die Ausnahme. Dass einer vor dem Unfall schon Erfahrung im Skirennsport gesammelt hat und bei der Amputation erst 19 Jahre alt ist – das war für den Verband ein Glücksfall.

Nach Ihren letzten Paralympics 2010 in Vancouver sind Sie selbst ins Trainerteam gewechselt, seitdem klafft eine große Lücke in Ihrer Disziplin. Wie kommt man im Behindertensport an Nachwuchskräfte?

Das ist brutal schwer. Auf Leute wie mich kannst du ja nicht warten, die kommen oder die kommen nicht. Zum einen musst du also überhaupt erst einmal jemanden finden und zum anderen ihn über Jahre fördern und bei der Stange halten.

Ist es nicht auch so: Je besser im Allgemeinen die medizinische Versorgung wird, desto weniger Behindertensportler gibt es?

Durch die wirklich sehr gute Mikrochirurgie heutzutage ist es immer öfter möglich, gewisse Körperteile zu retransplantieren. Was anderes aber ist es zum Beispiel mit den Frühchen, Babys, die man heute mit 500 Gramm schon durchbringen kann. Die haben meistens irgendwelche Defizite wie zum Beispiel Lähmungserscheinungen. Die können dann bei uns in der Klasse LW9 starten.

Seit 1992 haben Sie eigentlich alle Winterparalympics mitgemacht, diesmal arbeiten Sie auch als Experte für das ZDF. Konnte man Ihr erstes Goldrennen damals auch im Fernsehen verfolgen? Aus Pyeongchang berichten ARD und ZDF 65 Stunden live.

Ich kam ganz, ganz kurz in der Tagesschau oder im Heute Journal, ich weiß es nicht mehr. Da lief kurz mein Name – und dann war zu Hause natürlich die Hölle los.

Die deutschen Medaillengewinner bekommen die gleiche Prämie wie zuvor die Sportler bei Olympia. Was haben Sie damals bekommen? Auch 20.000 Euro?

Ich erinnere mich noch an 2010 in Vancouver, da gab es für eine Goldene 3500 Euro – aber nur für die erste, ich habe ja viermal Gold und einmal Silber geholt. Das wurde dann irgendwie gedeckelt, ich habe insgesamt so 10.000 Euro Prämie bekommen. So gesehen ist das heute natürlich eine große Weiterentwicklung.

Gibt es denn darüber hinaus auch eine Gleichbehandlung in den Sportarten?

Die nichtbehinderten Ski-Alpinen kann man mit uns überhaupt nicht vergleichen. Das ist eine ganz andere Nummer. Bei unseren Weltcups gibt es ja nicht mal eine Prämiere zu gewinnen. Man kann sich die Teilnahme eigentlich nur über Sponsoren und Partner finanzieren.

Die größeren Scheinwerfer stehen auf der olympischen Bühne.

Markus Wasmeier (zweifacher Alpin- Olympiasieger) hat mich mal gefragt: 16 Mal bist du Paralympicssieger geworden? Wahnsinn! Ich hab gesagt, wir können gern tauschen: deine zwei Goldenen gegen meine 16. Ich kann das schon einordnen, du kannst einen Paralympicssieger nicht mit einem Olympiasieger vergleichen. So fair muss man schon sein.

Gerd Schönfelder hat zwischen 1992 und 2010 insgesamt 16 Goldmedaillen bei den Paralympics gewonnen. In diesem Jahr ist er als Experte für das ZDF dabei.

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