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Flott unterwegs. Lisa-Marie Kwayie glaubt wieder an sich.

© Jan Woitas/dpa

Leichtathletik-EM in Glasgow: Sprint-Hoffnung Lisa-Marie Kwayie: Mit Neuköllner Hilfe

Die deutsche Sprinterin Lisa-Marie Kwayie will bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Glasgow ins Finale. Ihr Weg ist ungewöhnlich.

Sie wird an diesem Samstag in den Blöcken stehen, sich die Beine ausschütteln und denken, dass sie die anderen plattmacht. „Anders geht es nicht. Du musst dein größter Fan sein.“ Das sagt die Neuköllnerin Lisa-Marie Kwayie, eine der größten Hoffnungen des deutschen Sprints. An diesem Samstag will sie sich bei der Hallen-EM in Glasgow über 60 Meter für das Finale qualifizieren. Und dass ihre Chancen gut sind, ist eine großartige Geschichte. Sie handelt von der unschönen Seite des Sports, aber auch von Loyalität und Dankbarkeit.

Ortswechsel, Berlin-Hohenschönhausen. Lisa-Marie Kwayie ist spät dran, als sie die Leichtathletikhalle des Sportforums betritt. Es ist Ende Februar, es ist dunkel und kalt. Die 22-Jährige schält sich aus ihrem Trainingsanzug heraus, schnürt langsam ihre Turnschuhe. Sie wird heute keine Bäume ausreißen, das muss sie in der Phase unmittelbar vor einem Wettkampf aber auch nicht. Es geht jetzt darum, die Motivation hochzufahren. Das kann verdammt schwer sein. „Es ist anstrengend, sich jeden Tag für das Training aufzuraffen“, sagt sie. „Auf der anderen Seite haben nicht viele so viel Talent. Ich will das nutzen.“

Kwayie gewann die deutschen Hallenmeisterschaften

Die Bedingungen für das Ausschöpfen des Potentials waren noch nie besser als jetzt. Kwayie gewann Mitte Februar die deutschen Hallenmeisterschaften über 60 Meter in 7,19 Sekunden. Zum Vergleich: Gina Lückenkemper lief in diesem Jahr auf der Strecke eine Bestzeit von 7,26 Sekunden. „Wir wollen an Lückenkemper rankommen“, sagt Kwayies Trainer Frank Paul. „Wir waren ja auch schon einmal dran.“ 2014 holte Kwayie bei der Junioren-WM in der Staffel die Bronzemedaille. Beim Einzellauf war sie die schnellste Deutsche. Dann brach ihre schwierigste Sportlerzeit an.

2015 kam es zu einem starken Leistungsabfall. Kwayie war permanent müde, hatte Wassereinlagerungen in den Knien und brach sich auch noch das Sprunggelenk. Kein Mensch wusste, was los war. Bis eine Ärztin herausfand, dass Kwayie eine Antibabypille für Frauen zum Übergang in die Menopause mit den entsprechenden Nebenwirkungen genommen hatte. „Es ist so bitter, wenn du trainierst und trainierst, aber keine Erfolge vorweisen kannst“, sagt sie.

Kwayie musste beißen. Aufstehen, an die Universität (sie studiert soziale Arbeit), dann ab ins Training. Sie hielt durch und das hing mit ihrem Trainer Frank Paul zusammen. Paul ist Gymnasiallehrer in Lichtenrade und nebenbei Jugendtrainer bei den Neuköllner Sportfreunden, wo irgendwann einmal die kleine Kwayie vor ihm stand. Ihr Grundschullehrer hatte drei Jahre auf sie eingeredet, endlich mal zu einem Verein zu gehen. „Ihr Talent war natürlich sofort erkennbar“, sagt Paul.

Finanzielle Grundlage für Olympia 2020

Dass ein Gymnasiallehrer eines kleinen Sportvereins eine Top-Sprinterin wie Kwayie trainiert, ist ungewöhnlich. Außenstehende würden sagen, dass Kwayie mehrere Nummern zu groß für die Sportfreunde und Paul ist. Aber das ist vermutlich falsch. „Ich bin ein loyaler Mensch. Wenn es wie mit Frank passt, dann bleibe ich auch dabei“, sagt Kwayie. „Ich bin ihm dankbar für das, was wir bisher schon erreicht haben.“ Dabei könnte noch sehr viel mehr von ihr kommen.

Kwayie macht permanent Fortschritte und ihr Trainer schaffte es, beim Unternehmensnetzwerk Neukölln Südring sowie dem Estrel-Hotel ihre finanzielle Grundlage bis zu den Olympischen Spielern 2020 abzusichern. „Ich habe denen gesagt, dass Lisa bei entsprechender Unterstützung gerne bei den Sportfreunden bleiben würde und dass sie in Tokio dann unter 11 Sekunden laufen kann“, erzählt Paul. „Was soll ich sagen: Sie haben uns geglaubt.“

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