zum Hauptinhalt
Leroy Sané stürmt künftig wieder in der Bundesliga und dort natürlich für den FC Bayern.

© dpa

Nationalspieler kommt von Manchester City: Mit Leroy Sané wird der FC Bayern die Konkurrenz noch weiter abhängen

Leroy Sané wechselt nach München. Der Transfer dürfte die Lücke zwischen dem FC Bayern und dem Rest der Bundesliga noch größer werden lassen. Eine Analyse.

Wenn Leroy Sané in einigen Jahrzehnten wissen möchte, was er am 1. Juli 2020 gemacht hat, wird er sein Erinnerungsvermögen nicht allzu sehr strapazieren müssen. Er muss nur im Internet tief genug in die sozialen Netzwerke hinabsteigen. Dort wird er seinen Tagesablauf minutiös dokumentiert finden.

Demnach ist Leroy Sané, damals 24 Jahre alt, am 1. Juli 2020, um 19.52 Uhr mit einem Privatjet vom Typ Hawker 4000 aus London kommend auf dem Flughafen Oberpfaffenhofen gelandet. In einem orangefarbenen Audi ging es schließlich weiter nach München zur Säbener Straße, Sané nahm dabei – wichtig – rechts auf der Rückbank Platz und trug einen hellen Kapuzenpullover mit Aufdruck. Das Wetter war, für einen Sommertag in Bayern, durchwachsen, grau und regnerisch.

Sané erhält bei den Bayern einen Fünfjahresvertrag

So wie die einschlägigen Sportredaktionen in den vergangenen Tagen den sich anbahnenden Transfer des deutschen Nationalspieler Leroy Sané zum FC Bayern München begleitet haben, musste man fast den Eindruck haben, man dürfe der Ankunft des Messias höchstpersönlich beiwohnen. Ein bisschen ist es sogar so. Die Transferperiode hat gerade erst begonnen, sie wird noch drei Monate dauern – aber so schön und so aufregend wie mit Sané wird es vermutlich, zumindest im deutschen Fußball, nicht mehr werden.

Am Freitagmorgen schließlich gaben die Bayern die Verpflichtung des Offensivspielers offiziell bekannt. Sané erhält bei ihnen einen Fünfjahresvertrag. Die finanziellen Eckdaten waren schon in den Tagen zuvor an die Öffentlichkeit gelangt. Sanés Jahresgehalt soll bei 17 Millionen Euro liegen, sein bisheriger Klub Manchester City erhält als Sockelablöse knapp unter 50 Millionen Euro.

Das wäre sogar geringfügig weniger, als City vor vier Jahren an den FC Schalke 04 gezahlt hat – und nur knapp die Hälfte dessen, was der englische Klub im vergangenen Sommer als Ablöse für Sané aufgerufen hat. Schon damals wollten die Bayern den Linksfuß liebend gern verpflichten, doch bevor sich beide Klubs auf die Modalitäten verständigen konnten, riss Sané im englischen Supercup das recht Kreuzband. Erst vor anderthalb Wochen ist er erstmals wieder für Manchesters Profis in der Premier League zum Einsatz gekommen.

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Gemessen am Preisniveau der Vor-Corona-Zeit haben die Bayern und ihr neuer Sportvorstand Hasan Salihamidzic also ein echtes Schnäppchen gemacht; gemessen an der neuen Realität aber, der sich der deutsche Fußball stellen muss, hat der Rekordmeister einen Preis gezahlt, der die Konkurrenz, die längst keine Konkurrenz mehr ist, weit überfordert.

Vor wenigen Wochen hat der FC Bayern seine achte deutsche Meisterschaft am Stück perfekt gemacht. Am Samstag könnte der 20. Pokalsieg der Vereinsgeschichte folgen, und selbst das Triple mit dem Titel in der Champions League scheint eine realistische Option für die Münchner zu sein. Die Bundesliga ächzt unter der Dominanz der Bayern. Aber die Personalie Leroy Sané zeigt noch einmal deutlich, dass ein Ende dieser Dominanz nicht absehbar ist. Im Gegenteil.

An dem Tag, an dem Sané nach Deutschland zurückkehrte, lud sein Heimatverein Schalke 04 zu einer Pressekonferenz, auf der er endgültig vor seiner misslichen finanziellen Situation kapitulierte. Die Schalker, dem eigenen Selbstverständnis nach eigentlich ein potenzieller Herausforderer der Bayern, müssen so massiv sparen, dass Mittelmaß künftig schon ein Erfolg wäre. Borussia Dortmund, Tabellenzweiter hinter den Münchnern, rechnet für die abgelaufene Saison mit einem Minus von 45 Millionen Euro und plant abgesehen von der Verpflichtung des 17 Jahre alten Engländers Jude Bellingham keine größeren Transfers mehr.

Mit Sané beseitigen die Bayern die letzte kleine Schwachstelle in ihrem Kader

Eintracht Frankfurt, vor einem Jahr Halbfinalist in der Europa League, geht für das laufende Geschäftsjahr von einem Umsatzrückgang um 50 Prozent aus. Und auch Borussia Mönchengladbach sieht trotz der Qualifikation für die Champions League keine Möglichkeit, den Kader zu verstärken. Im schlimmsten Fall summieren sich die Verluste wegen der Coronavirus-Pandemie bis zum Jahresende auf 40 Millionen Euro.

Da klingt es fast tröstlich, dass auch Bayerns Sportvorstand Salihamidzic zugeben muss: „Die finanziellen Möglichkeiten in diesen schwierigen Zeiten sind nicht unendlich.“ Aber die Möglichkeiten der Münchner haben noch gereicht, um die vielleicht letzte kleine Schwachstelle in ihrem Kader zu beseitigen. „Dieser Transfer wird die Attraktivität der Mannschaft noch mal verstärken“, hat Aufsichtsratsmitglied Uli Hoeneß im Interview mit dem Fernsehsender Sport 1 angekündigt.

Als Hans-Dieter Flick vor wenigen Wochen gefragt wurde, auf welcher Position er sich noch am ehesten eine Verbesserung seines Kaders vorstellen könne, hat der Trainer der Bayern explizit „die Außenbahnen, ob als Außenverteidiger oder als Außenstürmer“ genannt. Künftig also steht ihm für die linke Seite Leroy Sané zur Verfügung, dessen bisheriger Trainer Pep Guardiola gesagt hat, er sei „der beste Spieler der Welt, wenn es um Läufe in die Tiefe geht“.

Ein Jahr nach dem Weggang von Arjen Robben und Franck Ribéry und nach einer Saison mit dem Leihspieler Ivan Perisic als Notlösung werden die offensiven Außenpositionen bei den Bayern künftig wieder erstklassig besetzt sein. Leroy Sané und Serge Gnabry sind auch für Bundestrainer Joachim Löw in der deutschen Nationalmannschaft erste Wahl. Dazu kommt der Franzose Kingsley Coman, der Sané und Gnabry in seiner Ballfertigkeit kaum nachsteht, in der Vergangenheit allerdings immer wieder unter Verletzungen zu leiden hatte. In der abgelaufenen Saison stand er nur in jedem zweiten Bundesligaspiel in der Startelf.

Ob Trainer Flick auch noch Verstärkung für die Außenverteidigung bekommt, ob sich die Münchner vielleicht sogar um den Leverkusener Mittelfeldspieler Kai Havertz bemühen werden – wer weiß das schon? „Der FC Bayern hält immer seine Augen offen“, sagt Hasan Salihamidzic. „Die Transferperiode geht lange.“ Und richtig sparen müssen nur die anderen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false