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Werner Franke starb im Alter von 82 Jahren.

© Foto: dpa/Paul Zinken

Nachruf auf Werner Franke: Er war schrill, rücksichtslos – und deshalb so wertvoll für den Sport

Werner Franke ist tot. Der Dopingaufklärer war reich an Intellekt und hatte keine Angst vor irgendjemandem. Er machte sich Feinde und diente dadurch dem Sport.

Um grundlegende Dinge zu verändern, braucht es Leidenschaft, Intellekt, Durchsetzungskraft, Charisma und sicher auch den Drang, nach außen zu wirken. Der Zell- und Molekularbiologe Werner Franke hatte alles davon.

Franke stritt für sein Lebensthema, den Dopingmissbrauch im Sport, wie kein anderer vor ihm. Seine Passion paarte sich mit lexikalischem Wissen in seiner Disziplin. Es bereitete ihm Freude, noch mitten in der Nacht wissenschaftliche Schriften zu durchforsten.

Dass er mit einer besonderen geistigen Gabe gesegnet war, merkte man auch im Umgang mit ihm. So meldete sich Franke vor wenigen Jahren beim Autor dieser Zeilen. Ein Zitat von ihm sei nicht ganz korrekt wiedergegeben worden.

Es war eine Kleinigkeit, ein Halbsatz nach einem anderthalb Stunden dauernden Gespräch. Wie sollte Franke, damals schon Ende 70, sich daran noch so genau erinnern können? Er verfügte im Gegensatz zum Autor über keine Aufzeichnung. Beim neuerlichen Abhören des Gesprächs war klar: Franke hatte recht, er hatte alles im Kopf.  

Sein Verstand ermöglichte ihm eine Bilderbuchkarriere in der Wissenschaft. Er promovierte in Heidelberg mit der Bestnote summa cum laude. Mit gerade einmal 31 Jahren wurde in Freiburg seine Habilitation in Zellbiologie angenommen. Der Ruf als Professor an die Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg folgte nur zwei Jahre später. Franke war ein Überflieger. Vermutlich hätte er im wissenschaftlichen Bereich international ein Star werden können, ein mit vielen Preisen dekorierter Mann.

Doch Franke kam die Leidenschaft für den Sport dazwischen. Zusammen mit seiner Frau Brigitte Berendonk, einer ehemaligen DDR-Leistungssportlerin, deckte er das systemische Zwangsdoping in der DDR auf. Das von Berendonk veröffentlichte Buch „Doping-Dokumente. Von der Forschung zum Betrug“, an dem Franke maßgeblich mitwirkte, ist die bis heute wichtigste Veröffentlichung zum Doping in Deutschland.

Nun hätte man meinen können, Franke habe wegen seiner Errungenschaften höchstes Ansehen genossen. Doch häufig war das Gegenteil der Fall. Franke war schrill, in seinem Sprachgebrauch sehr unterhaltsam, aber eben auch derb und rücksichtslos.

Vor allem aber hatte er keine Angst vor sämtlichen Akteuren des Profisports und schon gleich gar nicht vor den Medien, die auch ihr Fett abbekamen. Sein steter Vorwurf: Die Medien sind Vasallen des Profisports, sie profitieren von ihm, daher schützen sie ihn. Häufig wurde er wegen Verleumdung verklagt, in den wenigsten Fällen erfolgreich.

Frankes letzter großer öffentlicher Auftritt war ein unrühmlicher. Im Sommer 2019 stürmte er eine Pressekonferenz der Doping-Opfer-Hilfe (DOH) in Berlin, mit deren Vertretern er einen erbitterten Wissenschaftsstreit geführt hatte. Es kam zu Handgreiflichkeiten zwischen ihm, dem ungebetenen Gast, und dem DOH-Vorsitzenden Michael Lehner. Franke lud die anwesenden Journalisten zu einem Gespräch in ein Restaurant ein, wo er über die handelnden Personen der Doping-Opfer-Hilfe, einen Verein, für den er selbst gearbeitet hatte, ausschweifend lästerte.

Werner Franke konnte Menschen wehtun, aber sein Wirken hat den Sport in Deutschland weit, weit nach vorne gebracht. Er starb in der Nacht zum Dienstag an den Folgen eines Aneurysmas. Franke wurde 82 Jahre alt.  

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