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Sport: Nur kein Kleinmut

Kroatien, der zweite Gegner der Deutschen, ist stärker als der erste. Dennoch wollen die Deutschen auch ihm ihr eigenes Spiel aufzwingen, statt zu reagieren

Der tägliche Wahnsinn um Lukas Podolski hat gestern seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Aus seinem Geburtsland Polen drang die Kunde ins Quartier der deutschen Nationalmannschaft, dass ein Politiker gefordert habe, Podolski den polnischen Pass zu entziehen. Doch noch bevor ernste diplomatische Verwicklungen ihren Lauf nahmen, leitete Harald Stenger, der Pressesprecher des Deutschen Fußball-Bundes, deeskalierende Maßnahmen ein. Die neue Mittelfeldentdeckung der Deutschen ließ über Stenger herzliche Grüße ausrichten. Es bestehe kein Grund zur Sorge: Lukas Podolski besitzt gar keinen polnischen Pass.

Es ist eine ziemlich gute Nachricht für den deutschen Fußball, dass diese Angelegenheit den 23-Jährigen nicht weiter belasten wird. Heute, im zweiten EM-Spiel der Nationalmannschaft gegen Kroatien, wird Podolski erneut im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte benötigt. Auch Hans-Dieter Flick, der Assistent des Bundestrainers Joachim Löw, beruhigte die Öffentlichkeit: „Lukas ist in einer absolut tollen Verfassung.“ Die beiden Tore, die er beim 2:0-Sieg gegen sein Heimatland Polen geschossen hat, seien auch das Ergebnis seiner herausragenden Form und Fitness gewesen.

Die relativ neue Variante mit Lukas Podolski, dem gelernten Stürmer, im linken Mittelfeld besitzt immer noch den Status eines Versuchs. Gegen bestimmte Gegner könnte sich diese Option als zu gewagt erweisen. Podolskis Stärken liegen nicht unbedingt in der Rückwärtsbewegung, und seine Lust, die eigene Defensive zu unterstützen, gilt als nicht übermäßig ausgeprägt, auch wenn Flick seinen Beitrag zur Abwehrarbeit im Spiel gegen Polen noch einmal lobend hervorhob. Podolski habe auch viele Aktionen in der Defensive gehabt, „er war einige Male der Ballgewinner“.

Kroatien gehört nicht unbedingt zu den Mannschaften, gegen die sich ein Einsatz Podolskis im Mittelfeld von vornherein verbietet. Zwar sieht Joachim Löw bei den Kroaten eine Menge individueller Klasse versammelt, hervorragende Einzelspieler, die „eine raffinierte Mannschaft“ bilden, und auch sein Assistent Flick sagt: „Die individuelle Klasse ist stärker als die der Polen.“ Grundsätzlich aber erwartet die sportliche Leitung heute in Klagenfurt einen Gegner, der sich der Deutschen mit einer dichten Defensive erwehren wird. „Die Kroaten stehen in der Abwehr sehr kompakt“, sagt Flick. „Aber wir werden auch unsere Möglichkeiten haben, diese kompakte Defensive zu knacken.“

Der Weg über die Flügel verspricht vermutlich den nachhaltigsten Erfolg, sowohl über die linke als auch über die rechte Seite. Kroatiens Linksverteidiger Danijel Pranjic, ein gelernter Mittelfeldspieler, hatte gegen Österreich selbst mit Werder Bremens Ersatzspieler Martin Harnik einige Probleme; sein Pendant auf der rechten Seite, Vedran Corluka, besitzt seine Stärken auch eher in der Offensive, und davor spielt der technisch starke Dario Srna, der beim EM-Auftakt der Kroaten der vielleicht auffälligste Feldspieler seiner Mannschaft war und die Österreicher immer wieder in Verlegenheit brachte.

Es würde allerdings nicht zu Löw passen, wenn er dieses Problem nicht offensiv angehen würde. „Was uns auszeichnet, ist, dass wir eine Ordnung haben, eine Philosophie, ein Konzept“, sagt Flick, und das sieht vor, selbst aktiv zu werden, dem Gegner das eigene Spiel aufzuzwingen, anstatt auf dessen Bedrohungen kleinmütig zu reagieren. Vermutlich wird der Bundestrainer seine Flügel gegen Kroaten daher erneut so wagemutig besetzen, wie er das im Auftaktspiel gegen Polen gemacht hat: mit Marcell Jansen und Lukas Podolski auf der linken Seite und Philipp Lahm und Clemens Fritz rechts. Für Bastian Schweinsteiger, der zuletzt im Training deutliche Verbesserungen nachgewiesen hat, fände sich erneut kein Platz in der Mannschaft.

Wenn es den Deutschen gelingt Srna und, auf der anderen Seite, Niko Kranjcar in der Defensive zu binden, würden die Kroaten bereits erheblich an Bedrohungspotenzial einbüßen. Hans-Dieter Flick wollte gestern „auf die Schwächen der Kroaten nicht noch mal aufmerksam machen, aber wir wissen genau, wie wir spielen wollen“. Gesagt hat er es nicht, aber man kann es sich ungefähr denken.

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