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Paralympics: Crashs wie beim Autoscooter

Die deutschen Rollstuhl-Basketballer testen für die Paralympics. Der Europameister hatte im Spiel gegen Kanada das Nachsehen.

Berlin - Wenn man zum ersten Mal beim Rollstuhlbasketball zuguckt, wirkt das so, als wenn man einen Film im Schnellsuchlauf schaut – so schnell, so dynamisch ist das, was da passiert. Gestern verfolgten die Zuschauer in Berlin ein besonderes Duell auf Rädern: Europameister Deutschland gegen Weltmeister Kanada. Die Partie gehörte zu den Vorbereitungen für die Paralympics, die Olympischen Spiele der Athleten mit Behinderungen, die vom 6. bis 17. September in Peking stattfinden. Beim Testspiel am Sonnabend hatten die deutschen Frauen mal wieder gewonnen, gestern verloren sie letztlich doch noch knapp 54:55.

Rollstuhl-Basketball ist eine der Königsdisziplinen der Sommer-Paralympics – kein Wunder, dass es in den Hallen zunehmend voller wird. Die Wettkämpfe haben zuletzt eine ähnliche Entwicklung mitgemacht wie die Spiele der Frauenfußballerinnen: Sie wurden technisch anspruchsvoller, schneller, attraktiver fürs Publikum. Gestern in der Halle der Peter-Ustinov-Schule stießen schon mal Rollstühle zusammen wie beim Autoscooter. Die Regeln sind fast identisch mit denen der Spiele der „Fußgänger“, wie Rollifahrer Menschen mit zwei gesunden Beinen nennen. „Sie müssen nach zwei Schritten abgeben, unsere Spielerinnen dürfen zweimal am Greifring ziehen und müssen dann werfen“, sagt Nationaltrainer Holger Glinicki. Der Korb hängt auch nicht tiefer.

Etliche Sportlerinnen setzen sich sogar freiwillig fürs Spiel in den Rollstuhl. Es sind ehemalige Basketballerinnen wie Marina Mohnen oder Gesche Schünemann, die oft infolge von Sportverletzungen am Knie ihre alten Teams verlassen mussten. „Für mich ist der Rollstuhl einfach ein Sportgerät“, sagt Maren Butterbrodt. Andere Frauen sind nach Auto- oder Motorradunfällen querschnittgelähmt oder haben sich beim Reiten verletzt wie Annika Zeyen und Simone Kues. Weil die Fußgängerinnen mehr Bewegungsfähigkeit mitbringen, gilt ein Punktesystem: Alle werden mit Punkten wie 1 oder 1,5 bewertet, eine Fußgängerin macht 4,5 Punkte. Ein Team darf mit nicht mehr als 14 Punkten antreten.

Und es zählt noch etwas ganz anderes: Miteinander und Teamgeist. Das haben die bisherigen Paralympics gezeigt. Holger Glinicki rechnet damit, dass die USA wieder wie 2004 in Athen Gold holen werden: „Die sind eine Klasse für sich.“ Schade nur, dass damals so gut wie keine amerikanischen Journalisten bei den Paralympics akkreditiert waren – in Peking ist das aber anders. Silber und Bronze werden wohl Kanada, Japan und Deutschland unter sich ausmachen. Die Konkurrentinnen aus China haben offensichtlich noch Nachholbedarf. „In Mannschaftssportarten sind die Chinesen nicht so übermächtig“, erzählt Glinicki.

Die deutschen Frauen sind in anderer Hinsicht schon jetzt Nummer eins: Sie wurden zum zweiten Mal hintereinander „Mannschaft des Jahres“ im Behindertensport. Zuletzt zeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel das Team bei der „Nacht der Stars – Paralympics Night“ in Berlin aus. Gesponsert wird die Nationalmannschaft inzwischen von mehreren Großkonzernen. Zudem gibt es Unterstützung vom für Sport zuständigen Bundesinnenministerium, denn da summiert sich auch an Reisekosten einiges: Die allesamt berufstätigen Spielerinnen absolvieren in kürzester Zeit Partien in Hamburg, Hannover, Cardiff, Mainz, Berlin. Gestern mussten alle schnell nach Hause, denn am Montag werden schon wieder die Koffer gepackt: Ab in den Flieger, zum Training nach Toronto, Kanada.

Annette Kögel

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