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Beim Rundgang im Unfallkrankenhaus Berlin besuchte das Team der Nachwuchsreporter der "Paralympics Zeitung PyeongChang 2018" auch die Bogenschützen im Reha-Zentrum des Unfallkrankenhauses Berlin in Marzahn.

© Thilo Rückeis

Paralympics-Workshop 2017: Mit der Botschafterin zurück zur Normalität finden

Als Schwimmerin holte Kirsten Bruhn insgesamt elf Medaillen bei den Paralympischen Spielen in Athen, Peking und London. Heute möchte sie junge Menschen sensibilisieren.

Als sie mit ihrem Rollstuhl in die Eingangshalle des Unfallkrankenhauses Berlin-Marzahn rollt, trägt sie braune Lederstiefel bis zu den Knien, eine beige Bluse und zahlreiche Silberringe an den Fingern. Ihre Haare sind blond, ihre Haut braun gebrannt. Nur das einfache, grelle Gummiband, das an ihrer schwarzen Ledertasche befestigt ist, erinnert an Sport. „Du kannst mehr als du denkst“, steht in weißen Großbuchstaben darauf. Der Untertitel des Films „Gold“, der den Weg von Kirsten Bruhn bis zur Goldmedaille sowie von der Geschichte zwei weiterer paralympischer Sportler erzählt.

Die gebürtige Schleswig-Holsteinerin zählt zu den bekanntesten Sportlerinnen im deutschen Behindertensport: In ihrer Karriere als Schwimmerin stellte Kirsten Bruhn 54 Welt- und 64 Europarekorde auf, wurde sechsfache Welt- und achtfache Europameisterin. Seit dem Ende ihrer Karriere im Sport arbeitet sie als Botschafterin im Berliner Unfallkrankenhaus. Vor allem mit jungen Menschen spricht sie über Unfälle, Verluste und Chancen. Sie möchte Tabus brechen, lässt Jugendliche mit verbundenen Augen oder zusammengebundenen Beinen schwimmen, um Behinderungen zu simulieren.

Während sie eine Führung durch das Unfallkrankenhaus gemeinsam mit dem Nachwuchsreporter-Team der "Paralympics Zeitung PyeongChang 2018" begleitet, wirkt sie zwischen Patienten und Krankenpflegern routiniert und gefasst. Erst als die Besucher auf die Frage nach dem Rhythmus einer Herzmassage „Staying Alive“ von den Bee Gees anstimmen, lacht sie laut auf. Ihr Lachen ist ansteckend. Nur zu der Landefläche auf dem Dach des Krankenhauses, von der aus in Notfällen der Helikopter startet, möchte sie nicht mitkommen. „Das ist jedes Mal ein Déjà-Vu“, sagt sie später. 1991 wurde sie selbst nach einem Motorradunfall im Helikopter von der griechischen Insel Kos in ein Kieler Krankenhaus gebracht.

Die Diagnose: inkomplette Querschnittlähmung. Seitdem benutzt sie einen Rollstuhl, kann zwar längere Zeit stehen, hat dabei aber enorme Schmerzen. Nach dem Unfall schafft es die Rückkehr zu ihrer Leidenschaft, dem Schwimmen, ihr ein Gefühl von Normalität zurückzugeben. Als sie 2002 ihren ersten Weltrekord aufstellt, hat sie ihr Ziel vor Augen: die Sommerspiele in Athen. Heute hat sie elf Medaillen von drei verschiedenen Paralympischen Spielen in einer Schublade liegen. Sie ist niemand, die sich diese Erfolge an die Wand hängt.

Die Welt- und Europameistern im paralympischen Schwimmen, Kirsten Bruhn, ist jetzt Botschafterin des Unfallkrankenhauses Berlin in Marzahn. Im Bild oben ist sie bei der Premiere des Films "Gold - Du kannst mehr als Du denkst" 2013 in Hamburg zu sehen.
Die Welt- und Europameistern im paralympischen Schwimmen, Kirsten Bruhn, ist jetzt Botschafterin des Unfallkrankenhauses Berlin in Marzahn. Im Bild oben ist sie bei der Premiere des Films "Gold - Du kannst mehr als Du denkst" 2013 in Hamburg zu sehen.

© picture alliance / dpa

2012 und damit zehn Jahre nach ihrem ersten Weltrekord beginnt ein Filmteam der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), sie und zwei weitere Sportler aus Kenia und Australien in ihrem Alltag und bei den Spielen zu begleiten. Aus zwei Jahren Dreharbeiten entstehen 180 Stunden Videomaterial, von denen 106 Minuten im Film „Gold“ zu sehen sind. „Der Film hat eine ebenso gefühlvolle wie humorvolle Botschaft und ist gerade daher so wichtig“, sagt Kirsten Bruhn heute. In der Hamburger Klinik, in der sie ihre Reha-Zeit verbrachte, erzählte sie vor der Kamera von ihren Erinnerungen. Noch einmal möchte sie diese nicht durchleben. Wenn ihr bei der Erinnerung an die Zeit in Hamburg Tränen in die Augen steigen, redet sie dennoch konsequent weiter.

Als sie sieht, wie in der Bogenschießanlage des Unfallkrankenhauses ein bärtiger Mann im Rollstuhl einem Besucher erklärt, wie der Bogen zu halten ist, lächelt sie. Dann rollt sie neben den Schützen und holt ihr Handy aus der schwarzen Ledertasche, um ein Foto zu machen. „Der im Rollstuhl lehrt den ohne Rollstuhl – das finde ich schön“, sagt sie.

Marie Menke

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